Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Andreas Lechner

 

 

 

Sonntag, 3.12.2006

Der Advent: Wortbedeutung

Im vergangenen August habe ich unter der sprichwörtlich „heißen Sonne Afrikas“ ein Gespräch über das Wort „Advent“ geführt. In einem Lager auf dem Weg zum Kilimandjaro habe ich meinem Gesprächspartner, einem Christen, die Frage gestellt, ob er denn wisse, was das Wort „Advent“ in unsere Sprache übersetzt eigentlich bedeutet. Er hat geraten und Übersetzungen wie Vorfreude, Weihnachten, Stille, Abenteuer, und so weiter angeboten.

Bei all diesen Antwortversuchen habe ich bloß meinen Kopf geschüttelt, denn keiner der Versuche war die richtige Übersetzung des Wortes „Advent“.

Das Wort „Advent“ ist lateinischen Ursprungs und bedeutet zu allererst Ankunft.

In den kommenden Wochen bereiten wir uns als Christen auf die Ankunft Gottes vor. Und wenn wir wissen, dass Gott in unserem Leben ankommt, dann gibt es in unserem Leben Vorfreude und Stille. Und ganz sicher wird dann unser Leben zum Abenteuer.

So betrachtet hat mein Gesprächspartner mit seinen Antwortversuchen zum Thema „Advent“ doch Recht gehabt.

 

 

Montag, 4.12.2006

Das Licht – die Finsternis

Gerade in den Wochen des Advent erleben wir die beiden Gegensatzpaare „Licht“ und „Finsternis“ sehr stark. Die Tage sind kurz, die Nacht beginnt jetzt eigentlich schon am Nachmittag. In diese Dunkelheit hinein leuchten die verschiedenen Lichter und Lichtquellen unserer modernen Welt und versuchen, die Finsternis zu vertreiben: darunter auch Scheinwerfer und die fast aufdringlichen Schriftzüge der Werbung.

Nichtsdestotrotz brennen und leuchten aber auch gerade in der Adventzeit in vielen Wohnungen und Häusern die Kerzen am Adventkranz. So ein kleines Licht einer Kerze tut gut. Es blendet nicht. Es drängt sich nicht auf. Es erfüllt aber dennoch seine Funktion: eine Kerze gibt Licht und Wärme. Und das Licht ist immer stärker als die Dunkelheit, als die Finsternis.

Versuchen sie heute am Abend folgendes Experiment: stellen sie eine kleine Laterne in ihre offene Haustür. Sie werden sehen, dass das Licht sowohl nach innen als auch nach außen leuchtet. Wenn sie die Tür ihres Hauses öffnen, so fällt nicht das Dunkle in ihre Wohnung sondern Licht in die Welt.

Jeder von uns kann so eine Kerze sein, die in dieser Welt die Dunkelheit vertreibt.

 

 

Dienstag, 5.12.2006

Das Wunder der Schneeflocke

Vielleicht schneit es gerade heute bei ihnen. Dann möchte ich ihnen heute folgenden Gedanken in den Tag mitgeben.

Jede Schneeflocke ist einzigartig! Von den unzählig vielen Schneeflocken, die in diesem Winter vom Himmel fallen, gleicht keine der anderen. Die Kristallstruktur der Schneeflocke ist staunenswert. Die Schneeflocke ist aber auch gleich Umwandlungen ausgesetzt. Nur wenn das Klima passt, dann bleibt die Einmaligkeit und Einzigartigkeit der Schneeflocke erhalten. Halten sie im nächsten Schneefall ihre Hand offen und betrachten sie das Wunder der Schneeflocke. Versuchen sie aber bitte nicht, die Schneeflocke mit einer Faust festzuhalten. Denn dann wird sich nicht mehr ein Kristall in ihrer Hand befinden, sondern ein Tropfen Wasser, der die Form einer Träne hat.

Wir Menschen dürfen uns mit der Schneeflocke vergleichen: jeder ist einmalig und einzigartig, ein Wunder und schön. Und nur wenn das mitmenschliche Klima passt, bleibt auch die Einzigartigkeit gewahrt. Versuchen Sie ihren Mitmenschen zu achten und ein Klima herzustellen, das der Einmaligkeit eines jeden einzelnen Rechnung trägt. Denn Tränen gibt es schon zu viele!

 

 

Mittwoch, 6.12.2006

Die Rorate

Die heilige Frühmesse im Advent trägt den lateinischen Namen „Rorate“. Das deutsche Wort dafür heißt „Tauet“. Viele von uns kennen das Adventlied „Tauet Himmel den Gerechten – rorate caeli“.

Im Namen „Rorate“ klingt die Bitte der Menschen an, dass sich der Himmel auftun soll, Gott endlich zu uns kommen soll. Denn solange wir ohne Gott leben, bewegen wir uns im Dunkeln und damit auch in der Unsicherheit. Und diese Situation wird in der Feier der hl. Rorate aufgegriffen. Wir versammeln uns im Advent in der Dunkelheit, um gemeinsam das Licht zu erwarten.

Die Kirchen sind dabei nur von Kerzen und den mitgebrachten Laternen der Kinder und auch Erwachsenen erleuchtet. Die bewusst schlicht gehaltene Feier der hl. Messe stimmt uns dabei auf die Begegnung mit Gott ein. Die Begegnung mit Gott ist kein Event, sondern eine Frage deines Herzens und deiner Einfachheit.

Und oft ist es so, dass Gott sich gerade in der Begegnung mit anderen Menschen zu erkennen gibt. Gott sucht die Gemeinschaft mit Dir, mit den Menschen, in der Gottesdienstfeier und natürlich auch darüber hinaus.

 

 

Donnerstag, 7.12.2006

Wann weicht die Nacht dem Tag

Heute möchte ich ihnen eine Geschichte aus den Erzählungen der Chassidim mit in den Tag geben. Die Chassidim sind eine Strömung im Judentum, der eine besondere Gottesnähe und mystische Erfahrungen zu eigen ist.

Ein Rabbi fragte einen gläubigen Juden: „Wann weicht die Nacht dem Tag? Woran erkennt man das?“ Der versuchte eine Antwort: „Vielleicht, wenn man den ersten Lichtschimmer am Himmel sieht? Oder wenn man einen Busch von einem Menschen unterscheiden kann?“ „Nein“, sagte der Rabbi, „die Nacht weicht dem Tag, wenn der eine im Gesicht des anderen den Bruder und die Schwester erkennt. Solange dies nicht der Fall ist, ist die Nacht noch in uns.“

Ich wünsche ihnen, dass es heute für sie Tag wird!

 

 

Freitag, 8.12.2006

Vom Schenken

Wahrscheinlich haben sie sich schon Gedanken darüber gemacht, was sie den Menschen, die ihnen am Herzen liegen, am Weihnachtsfest schenken werden. Wir beschenken uns zu Weihnachten, weil Gott selber uns das größte Geschenk macht, das es gibt: er wird einer von uns!

In ihr Überlegen und Planen, wer von ihnen welches Geschenk bekommen soll, möchte ich ihnen ein Gedicht von Joachim Ringelnatz anvertrauen. Ringelnatz schreibt in seinem Gedicht „Schenken“ worauf es ankommt, dass ihr Geschenk auch ankommt.

Joachim Ringelnatz schreibt:

Schenke groß oder klein, aber immer gediegen.

Wenn die Bedachten die Gaben wiegen, sei dein Gewissen rein.

Schenke herzlich und frei.

Schenke dabei, was in dir wohnt an Meinung, Geschmack und Humor,

sodass deine eigene Freude zuvor, dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List.

Sei eingedenk, dass dein Geschenk du selber bist.

 

Ich wünsche ihnen heute die Erfahrung, dass sie für viele ein Geschenk sind.

 

 

Samstag, 9.12.2006

Der Advent als Bußzeit

Viel wurde und wird über die Adventzeit nachgedacht. Wir machen uns Gedanken über Geschenke und zerbrechen uns vielleicht den Kopf darüber, wie und wo wir die Weihnachtsfesttage verbringen werden.

Von seinem Charakter her ist der Advent aber auch als Vorbereitungszeit eine Zeit der Buße und Umkehr. Als ich unlängst Schnee weggeräumt habe, habe ich mir folgende Gedanken gemacht:

Wenn ich den gefallenen Schnee mit der Schaufel wegräume, so kommen die grauen Steinplatten zum Vorschein. Es braucht nur ein bisschen Sonne, die Steinplatten erwärmen sich und der restliche Schnee und das Eis schmelzen. Damit Gott sie wärmen kann und das Eis aus ihrem Herzen und Leben wegtauen kann, müssen sie etwas beitragen. Sie müssen die Steinplatten ihres Lebens freilegen und darauf vertrauen, dass Gott durch die dunklen Wolken ihres Lebens den Sonnenstrahl der Menschwerdung Jesu Christi sendet.

Das Freilegen Ihrer Steinplatten hat alte und wichtige Namen: Buße, Umkehr, Sakrament der Versöhnung…

Ich wünsche ihnen, dass Sie die verbleibende Zeit des Advent nützen können, sich für die Gegenwart Gottes in ihrem Leben zu öffnen.