Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

von Bischof Herwig Sturm, Wien

 

 

Sonntag,  24.12.2006

 

Heute ist ein besonderer Tag, es ist der 24. Dezember und Sonntag;

4. Advent und Heiliger Abend fallen zusammen. Die Adventzeit war kurz, vielleicht ist noch viel zu tun bis zum Abend und da kann es schon passieren, dass sie unter Stress geraten, dass Pannen passieren, dass es Ärger gibt oder Streit.

 

Lassen sie sich davon nicht entmutigen, Weihnachten ist nicht die Idylle,

von der wir manchmal träumen, es war und ist  Wirklichkeit in der wir leben, allerdings mit dem Wunder und der Verheißung der Verwandlung.

 

In der Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas sind die Stunden vor dem großen Wunder  auch voller Hektik, Enttäuschung und Spannung: Josef und seine Verlobte, die junge Miriam aus Nazareth, sind unterwegs, weil der Kaiser Augustus von seinen unterworfenen Völkern eine Steuererklärung verlangt; jeder in seiner Stadt. Sie sind auf Herbergssuche, weil alle Quartiere belegt sind. Und in Erwartung eines Kindes, für das es keinen Vater gibt. Leicht haben sie es nicht. Es ist allerdings nie leicht und bequem, wo Gott am Werke ist, aber es geschehen Wunder, Gott wird Mensch; er teilt unser Leben, da geht der Himmel auf - über dir, über mir.

 

Gesegnete Weihnachten.

 

 

Montag,  25.12.2006

 

Der erste Weihnachtstag ist ein Tag der Ruhe. Die Geschenke sind ausgepackt, die Telefonate erledigt. Jetzt kommt vielleicht der Gottesdienst und das Festtagsmahl in der guten Stube.

 

Die gute Stube in Bethlehem war ein Stall; „denn sie hatten keinen Raum in der Herberge“, schreibt Lukas. Dazu habe ich ein eindrucksvolles Bild von Albrecht Dürer vor Augen: Durch das offene Dach sieht man den Stern - Gruß der ganzen Schöpfung. Im Fensterkreuz entdeckt man Engel, die Reste der himmlischen Heerscharen, die in der Nacht das Ehre sei Gott in der Höhe gesungen haben.

Die löchrigen Wände geben den Blick frei zu den Hirten, die auf den Hügeln im Hintergrund gerade aufbrechen, um nach dem Kind zu sehen.

 

Das Wunder von Weihnacht ist ein offenes Herz für die Schönheit der Schöpfung,ist Gastbereitschaft gegenüber Fremden, ist das Lied vom Frieden auf Erden in vielen Sprachen.

Ein offenes Herz baut ein offenes Haus: Religionsfreiheit in allen Ländern, Menschenrechte ohne Ausnahme. Zu Weihnachten wird sichtbar, wie unsere Welt sein könnte, wenn wir die Herzen und Häuser öffnen.

 

 

Dienstag, 26.12.2006

 

Heute bin ich bei den Hirten; sie kommen in jedem Krippenspiel vor, lieb, mit Stecken und Hut und einem Lammfell um die Schulter. Die Hirten um die Zeit Jesu waren nicht lieb; ihr Beruf war hart und gefährlich, sie hatten nicht nur mit ihren Schafen, sondern auch mit Wölfen und Bären zu tun.

 

Dazu waren sie Außenseiter ihrer Gesellschaft, denn als Analphabeten hatten sie von den religiösen Geboten keine Ahnung, vom Standpunkt der Frommen aus waren sie gottlos.

 

Aber Gott hat sie nicht losgelassen, ganz im Gegenteil: Über ihnen öffnet er den Himmel, Heerscharen von Engeln setzt Gott in Bewegung, um diesen Hirten zu sagen: „Fürchtet euch nicht, siehe ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geborn.“

 

Gott ist Mensch geworden. Seither ist kein Mensch mehr gottlos. Gott schenkt sich den Armen und den Reichen, den Etablierten und den Außenseitern. Das Weihnachtswunder beseitigt die Scheuklappen unserer Vorurteile und die Mauern zwischen uns Menschen. Der Wert eines Menschen wird nicht mehr von seiner Herkunft bestimmt; sondern von dem JA, das Gott zu jedem sagt. Wenn wir diese Würde achten, die uns mit Weihnachten geschenkt wird, dann sollte es doch gelingen, dass alle ein menschwürdiges Leben haben.

 

In diesem Sinn: Gesegnete Weihnacht.

 

 

 

Mittwoch, 27.12.2006

 

Zu den Wundern der Weihnacht gehören die Tiere. In jedem Bild vom Stall zu Bethlehem gibt es einen Ochs und einen Esel, obwohl sie in der Weihnachtsgeschichte selbst nicht vorkommen. Sie kommen in diese Geschichte wohl hinein aus dem Wort des Propheten Jesaja,

„ein Ochs kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn“.

 

Demnach stehen die Tiere für Geschöpfe, die ihren Schöpfer kennen, die ihre schöpfungsgemäße Rolle spielen und damit den Menschen nützlich sind.

Im Evangelium ist es die Krippe und das Stroh, in welche Maria das neugeborene Kind legt. Es gibt Weihnachtsgeschichten, da wärmt der Ochs das Kindlein mit seinem Atem. Der Esel wird gebraucht für die Flucht nach Ägypten. Jetzt, in der Heiligen Nacht, geben Ochs und Esel dem Stall Ruhe, Geborgenheit und Friede. Zu Weihnachten wird sichtbar, wie unsere Welt sein könnte.

 

So heißt es beim Propheten Jesaja, über das Friedensreich des Messias „da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter.“ (Jesaja 11, 6-8)

 

Weihnachten ist ein Vorbild dieser Vollendung; vielleicht gelingt es da und dort, dass auch die Tiere schon jetzt etwas davon spüren.

 

Gesegnete Weihnachten.

 

 

 

Donnerstag, 28.12.2006

 

Gott wird Mensch. Jedes dieser drei Worte weist hin auf die Verwandlung, die zu Weihnachten beginnt: Gott bleibt nicht bei sich, fern, fremd und unbegreiflich.

Er wird sichtbar, angreifbar. Gott wird Mensch, das ist das eigentliche Wunder der Weihnacht. Das ist das Geschenk, das unserem Schenken zugrunde liegt und den Geschenken ihren Sinn gibt.

 

Gott wird Mensch, das ist die gute Botschaft für uns Menschen. Wir sind im Werden. Die Erziehung eines Kindes, die lebenslange Bildung der Persönlichkeit, die politische und wirtschaftliche Gestaltung unserer Gesellschaft – das alles kann nun geschehen unter dem Vorzeichen dieses Werdens. Mach’s wie Gott, werde Mensch!

 

Erst recht gilt das für den Glauben. Luther sagt, „ein Christ ist nie im Gewordensein, ein Christ ist immer im Werden“. Unser Glaube ist der Weg, dieser Gottesspur nachzugehen und immer mehr Mensch zu werden.

 

In diesem Sinn: Gesegnete Weihnachten.

 

 

 

Freitag, 29.12.2006

 

Friede ist eine tiefe Sehnsucht der Menschen und ein Schwerpunkt der Weihnachtsbotschaft.

 

Wenn es gut geht, dann schweigen in der Heiligen Nacht die Waffen für ein paar Stunden; ansonsten scheint der Friede ein sehr zartes Pflänzchen zu sein, das immer wieder schnell zertreten ist.

In der Weihnachtsgeschichte wird Macht und Gewalt durch Kaiser Augustus repräsentiert, er war einer der mächtigsten Herrscher in der Geschichte und hat sich als Gott verehren lassen.

Mit der Steuererhebung im besetzten Israel hat er wieder einmal seine Macht bewiesen und Menschen das letzte Geld herausgepresst.

 

Gott setzt auf den Frieden. Er wagt sich in diese Welt hinein als wehrloses Kind. Die Namen der Könige und Herrscher von damals sind fast vergessen, der Name Jesus von Nazareth ist in der ganzen Welt bekannt.

 

Sein Friedensmut hat Nachfolgerinnen gefunden. Mahatma Ghandi, Martin Luther King, Berta von Suttner, Dietrich Bonhoeffer, Desmond Tutu und Nelson Mandela bis hin zu der russischen Journalistin Anna Politkowskaja. Sie und die vielen ungenannten und unbekannten Märtyrer machen das wahr und konkret, was die Engel zu Weihnachten gesungen haben „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden“. Die Mächtigen verwalten unsere Welt, die Friedensstifter verwandeln sie.

 

In diesem Sinn: Gesegnete Weihnacht.

 

 

Samstag, 30.12.2006

Weihnachten ist vorbei, morgen ist Silvester; auch das wird eine ganz besondere Nacht. Trotz aller Hinweise, wie viel Geld da mit Böllern und Raketen im wahrsten Sinn des Wortes verpulvert wird, wird das Feuerwerk jedes Jahr noch größer und lauter. Es ist, wie wenn die Menschen versuchten, Weihnachten nachzuspielen: Die Raketen malen tausende Sterne in den Himmel, das Krachen der Böller klingt wie: „Wir fürchten uns nicht“.

 

Mein Wunschbild für den Jahreswechsel ist nicht ein Riesenfeuerwerk, sondern es sind die Weisen aus dem Morgenland, die der Volksmund die Heiligen Drei Könige nennt. Sie haben unter den vielen Sternen den einen erkannt, der den König einer neuen Welt ankündet. Sie sind nicht sitzen geblieben auf ihrem Wissen, wie viele andere, sondern sind aufgebrochen um diesen König zu suchen.

 

Sie plündern nicht die Erde, um Reichtum und Macht zu vermehren, sondern bringen Geschenke: Das lautere Gold, den Götterduft Weihrauch und Myrrhe gegen Verwesung und Tod. Wo sie hinkommen, schreiben sie die Anfangsbuchstaben ihrer Namen über die Tür der Häuser C (Caspar), M (Melchior) und B (Balthasar).

 

Ursprünglich war das ein lateinischer Segenswunsch: Christus Mansionem Benedicat (Christus segne dieses Haus).

Das wünsche ich ihnen heute und für das kommende Jahr: Christus segne Ihr Haus!