Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Abt Raimund Schreier

(Stift Wilten, Tirol)

 

  

Sonntag, 31. Dezember 2006

Innere Dankbarkeit

Heute Abend, vor allem dann um Mitternacht werden wir uns alle vom alten Jahr verabschieden und ein neues begrüßen. Wir tun dies mit den üblichen Ritualen: Anstoßen mit Sekt, Donauwalzer, draußen Feuerwerk und Böller und die Kirchenglocken erklingen.

Diese Glocken erinnern uns an Stationen des vergangenen Jahres: An Stationen des höchsten Glücks und der Freude, in denen wir uns im siebten Himmel gefühlt haben; sie erinnern uns aber auch an Zeiten inneren oder äußeren Leids, Zeiten von Schicksalsschlägen und Zeiten tiefster Trauer. Beim Klang dieser Glocken sollte eigentlich ein verspätetes, schon längst fälliges Danke zu schwingen anfangen: Ein Danke für die Stunden der Freude, aber auch für die schmerzvollen Stunden, die uns haben innerlich wachsen und reifen lassen. Wenn wir am heutigen Silvestertag ein wenig die Erinnerung kreisen lassen, dann wird uns vieles einfallen, wofür wir Danke sagen dürfen.

Ich wünsche uns für den heutigen letzten Tag dieses Jahres 2006 vor allem die innere Dankbarkeit!

 

 

Montag, 1. Jänner 2007

Die Hand Gottes

Ein kleiner Bub war für die Mama einkaufen gegangen. Er machte das sehr ordentlich und genau. Der Besitzer des Geschäftes hatte das beobachtet.

Um ihn zu belohnen, nahm er eine große Dose mit Zuckerln aus einem Regal, öffnete sie und hielt sie dem Buben hin. „Nimm dir, Kleiner“. Der Bub nahm ein Zuckerl. Der Verkäufer jedoch ermutigte ihn: „Nimm dir so viele, wie in deiner Hand Platz haben.“ Der Bub sah ihn mit seinen großen Augen an: „Oh..., dann nimm du sie für mich!“ sagte der Bub. „Warum?“ „Weil deine Hand größer ist!“

Wir Christen sind überzeugt und glauben, dass Gottes Hand viel größer ist als unsere Hände. In seiner Hand hat viel Platz. All unsere Bitten, unsere Anliegen, unsere Nöte, unser Klagen und Weinen. Außerdem dürfen wir uns in dieser großen Hand Gottes ganz geborgen wissen. In diese große Hand Gottes dürfen wir unsere kleinen Hände und auch unser Herz hineinlegen. Diese Hand Gottes trägt und führt uns durch den heutigen Tag; sie führt uns durchs kommende Jahr 2007. Vertrauen wir auf diese große Hand!

Ich wünsche uns allen ein von Gott gesegnetes Neues Jahr!

 

 

Dienstag, 2. Jänner 2007

Gönne dich dir selbst!

Am Beginn dieses Jahres möchte ich uns einen Wunsch aussprechen, der für das Glück unseres Lebens von größter Bedeutung ist. Leider nehmen wir diese jahrtausendealte Weisheit oft nicht sehr ernst: „Gönne dich dir selbst!“ Diesen Appell habe ich nicht in einer psychologischen Zeitschrift gefunden. Er stammt von einem großen Heiligen des Mittelalters aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts; es ist der hl. Bernhard von Clairvaux. Er schreibt diese Worte an seinen früheren Schüler und damaligen Papst Eugen III. Bernhard macht sich nämlich wegen seines übertriebenen Aktivismus große Sorgen. Und so schickt er ihm einen sehr deutlichen Brief mit den Worten: „Wie lange noch schenkst du allein anderen deine Aufmerksamkeit, nur nicht dir selbst!“

Bernhard als Mönch kannte diesen Widerstreit zwischen innerem Leben und äußerer Aktivität. Stress gab es offenbar schon immer. Deshalb gibt er dem Papst den guten Rat: „Gönne dich dir selbst! Ich sage nicht: Tu das immer! Ich sage nicht: Tu das oft! Aber ich sage: Tu es immer wieder einmal!“

Wenn wir dieses Wort in den heutigen Tag, ja ins kommende Jahr mitnehmen, werden wir vielleicht auch genießbarer für unsere Mitmenschen!

Gönne dich dir selbst!

 

 

Mittwoch, 3. Jänner 2007

Die Goldene Regel

Täglich hören wir Nachrichten. Es sind fast nur bad news – schlechte Nachrichten. Auch in unserem persönlichen Alltag erfahren wir viel Negatives und Schmerzliches: Ellbogenmentalität, Mobbing, Neid, Verleumdungen, seelische Verletzungen und Kränkungen. Dabei wäre es doch so einfach. Jesus von Nazaret hat uns Menschen eine Maxime hinterlassen, die so genannte Goldene Regel. In allen Religionen finden wir diesen Appell: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!“ Jesus formuliert es positiv: „Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Mt 7, 12).

Wir spüren sofort: Das wäre es! Eigentlich ist es so einfach, fast selbstverständlich. Aber wir schaffen es einfach oft nicht. Dabei wäre es eine Revolution, wenn die Menschen sich daran halten würden.

Vielleicht könnte diese Goldene Regel unser Motto sein für den heutigen Tag: „Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“

 

 

Donnerstag, 4. Jänner 2007

Zeit nehmen

Ein Kaufmann wollte seinen Sohn auf eine Schule schicken; aber als er den Stundenplan sah, schüttelte er den Kopf: „Muss mein Sohn das alles lernen?“ fragte er den Direktor. „Können Sie es nicht kürzer machen? Er soll so schnell wie möglich fertig werden!“ – „Das kommt ganz darauf an, was er werden will“, antwortete dieser. „Wenn Gott eine Eiche machen will, nimmt er sich 20 Jahre Zeit. Für einen Kürbis braucht er nur zwei Monate.“

Wir Menschen neigen eher dazu, den kurzen und bequemen Weg zu wählen. Wir wollen rasch und möglichst leicht ans Ziel gelangen. Aber alles, was einen Wert haben und bleiben soll, braucht seine Zeit. Die Pflege der Beziehungen und der Freundschaften braucht seine Zeit. Das Wachsen von Vertrauen, von Verstehen und Kennenlernen braucht seine Zeit. Auch das „Zu-mir-selbst-kommen“ braucht seine Zeit. Ich brauche einfach ab und zu die Zeit, über mich selbst nachzudenken, Bilanz zu ziehen, Versäumtes mir einzugestehen, Ziele für die Zukunft anzupeilen. Und schließlich brauchen wir Zeit für Gott.

Nehmen wir uns die Zeit! Ich wünsche uns heute und in diesem neuen Jahr viel Zeit für Gott, füreinander und für uns selber!

 

 

Freitag, 5. Jänner 2007

Vorurteile

Der englische Dichter Charles Dickens ging bei Mondlicht durch die Straßen von Rom, als er plötzlich mit einem Fremden zusammenstieß. Ein paar Schritte weiter vermisste er seine Uhr. Sogleich rannte er dem Dieb nach, packte ihn und schrie: „Uhr!“ Der gab die Uhr heraus und verschwand in der Dunkelheit. Im Hotel fand Dickens seine eigene Uhr auf dem Tisch. Durch Zufall klärte sich die Sache auf: Er hatte einem Landsmann die Uhr abgenommen.

Sind sie denn nicht alle so? Sind denn nicht die Italiener Taschendiebe und die Afrikaner Faulenzer und die Türken Messerstecher? Die Schwiegermütter böse, die Lehrer gemein und ungerecht und die Jugendlichen respektlos und undankbar, der Nachbar eingebildet und neidisch?

Unsere Vorurteile, unsere Schablonen und Etiketten, wir bedienen uns ihrer jeden Tag. Und immer wieder kommen neue dazu. Wenn wir heute von jedem Menschen nur das Beste denken und nur Gutes über ihn reden würden, wir könnten so manche Vorurteile abbauen.

Die Europäische Union hat es sich für das Jahr 2007 zum Ziel gesetzt, dem Kampf gegen Vorurteile neuen Schwung zu verleihen. Fangen wir schon heute damit an! Ich wünsche uns, dass wir möglichst nur Gutes im Anderen entdecken. Viel Glück dabei.

 

 

Samstag, 6. Jänner 2007

Der Haussegen

In diesen Tagen um das Dreikönigsfest besuchen die Sternsinger unsere Wohnungen. Sie sammeln für die Ärmsten der Welt und schreiben mit geweihter Kreide den Haussegen auf die Türen unserer Häuser und Wohnungen: Sie schreiben die Buchstaben C-M-B und die Jahreszahl.

In der Tradition sind dies die Namen der drei Könige: Caspar, Melchior und Balthasar. Ursprünglich war dies ein Haussegen mit den lateinischen Worten: Christus Mansionem Benedicat: Christus segne dieses Haus!

Die Sehnsucht nach Segen verbindet uns Menschen aller Völker und aller Zeiten. Segen bedeutet nämlich Leben, bedeutet Heil, Liebe, Harmonie, Anerkennung. Deshalb wünschen wir uns und erbitten wir den Segen Gottes. Um diesen Segen müssen wir bitten. Segen ist nicht machbar oder käuflich. Er wird uns geschenkt.

Als Priester und Mitchrist segne ich Sie am heutigen Fest der Erscheinung des Herrn mit den Worten Aarons: Der Herr segne Euch und behüte Euch; der Herr lasse sein Angesicht über Euch leuchten und sei Euch gnädig.

Er wende Euch sein Antlitz zu und schenke Euch seinen Frieden.