Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Superintendent Paul Weiland

 

 Sonntag, 21.1.2007

Ökumenische Gottesdienste werden in diesen Tagen in vielen österreichischen Gemeinden, ja in der ganzen Welt, in den Kirchen aller Konfessionen gefeiert. Anlass ist die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, die seit 39 Jahren jährlich von den Kirchen des Ökumenischen Rates und der römisch-katholischen Kirche gefeiert wird. Seither ist das Zusammenkommen der Kirchen – zumindest in dieser Woche - stärker im Blickfeld als das Auseinandergehen. Dass diese von allen immer wieder geforderte Einheit noch nicht verwirklicht ist, das ist allerdings auch offensichtlich.

 

Das Ziel der Gebetswoche darf sich aber nicht im Begegnen und gegenseitigen Kennen lernen erschöpfen. Der Appell von Jesus im Johannesevangelium „damit sie alle eins seien“ wird auch mit der Glaubwürdigkeit der Christen in der Welt begründet. Es macht sich nicht so gut, von anderen Gemeinschaft, Liebe und Miteinander zu fordern, und selbst im eigenen Haus anders zu leben.

 

Das Ziel der Gebetswoche muss gegenseitige Offenheit, Gastfreundschaft und Miteinander in allen Lebensäußerungen der Kirchen sein. Darin manifestiert sich „Einheit“, und nicht darin, dass alle Kirchen die gleichen Strukturformen, Zeremonien und Frömmigkeitsrichtungen haben.  

 

 

Montag, 22.1.2007

Das ökumenische Feuer brennt nicht mehr so wie in den Jahren zuvor als nach dem 2. Vatikanischen Konzil neue ökumenische Erfahrungen möglich wurden. Für die einen sind es vielleicht die enttäuschten Hoffnungen, für andere fehlt möglicherweise der Reiz des Neuen.

 

Dabei hat es an brisanten Gegebenheiten nicht gefehlt. So hat Papst Johannes Paul II. im Jahr 1995 dazu aufgefordert, über Formen des Papstamtes in einen „brüderlichen und geduldigen Dialog“ einzutreten. Ist doch neben dem unterschiedlichen Kirchen- und Amtsverständnis das Papstamt ein Haupthindernis der ökumenischen Entwicklung hin zu mehr Einheit. Für Evangelische sind es vor allem die absolute Rechtsgewalt und die Unfehlbarkeit, die gegen die Anerkennung des Papstamtes als notwendiges Kennzeichen der Kirche sprechen.

 

Theologen der lutherischen und der römisch-katholischen Kirche haben nach Wegen gesucht und gefragt, ob nicht ein universalkirchlicher Dienst an der Einheit und der Wahrheit der Kirche das Papstamt neu bestimmen und zum von allen anerkannten Petrusdienst machen könnte?

 

Ergebnis gibt es noch keines, viele Fragen bleiben offen, Kritik gibt es von allen Seiten. Aber immerhin, aufgehört hat die Suche nach Einheit auch nicht in den ganz schwierigen Fragen der Beziehungen der Kirche.

 

 

Dienstag, 23.1.2007

Von Päpsten selbst wird immer wieder darauf hingewiesen, dass ihr Amt zu den großen ökumenischen Herausforderungen gehört. Dabei war Martin Luther in seinen Reformbemühungen der Kirche gar nicht das Amt an sich ein vordringliches Anliegen. Wichtig für ihn war die Frage der Gewichtung. Und so hat Luther betont, wie übrigens auch sein Weggefährte Philipp Melanchthon, er wäre bereit, das Papsttum zu akzeptieren, wenn dieser den Vorrang des Evangeliums vor allem anderen anerkenne.

 

Im Kern ging es bei der Auseinandersetzung um das Papsttum um die Frage, wer hat das letzte Wort: ein Amt, die Tradition oder die Heilige Schrift. Natürlich müssen Amt, Tradition und Bibel kein Gegensatz sein, aber nach evangelischem Verständnis ist bei einem Amtsverständnis, wie es im Lauf der Geschichte entstanden ist, zumindest die Gefahr dafür gegeben.

 

Die Frage ist heute im Gegensatz zur Reformationszeit durch die Dogmen des Jurisdiktionsprimats und der Unfehlbarkeit in Fragen des Glaubens und der Moral im Jahr 1870 noch verschärft. Damit wurde für evangelisches Verständnis die Befürchtung Martin Luthers festgeschrieben: Das Lehramt wurde der Bibel vorangestellt, Glaubensgehorsam Gott gegenüber und kirchlicher Gehorsam gegenüber dem Lehramt gleichgeschaltet.        

 

 

Mittwoch, 24.1.2007

Der Papst, Maria und dass evangelische Pfarrer heiraten dürfen, das sind die am häufigsten genannten Antworten, wenn nach den Unterschieden zwischen der Römisch-katholischen und der Evangelischen Kirche gefragt wird.

 

Während es das Papstamt in der Evangelischen Kirche tatsächlich nicht gibt, bekennen auch evangelische Christen, dass der Sohn Gottes Fleisch geworden ist durch den heiligen Geist von der Jungfrau Maria. Aber die Mutter Jesu nimmt bei Evangelischen eine andere Stellung ein.

 

Während die katholische Lehre in Maria die „geistige Mutter der Menschheit und Fürsprecherin der Gnade“ sieht, die durch die leibliche Aufnahme in den Himmel, dieses Dogma gibt es allerdings erst seit dem Jahr 1950, Jesus gleichgestellt ist, orientieren sich evangelische Christen mit ihrer Marienfrömmigkeit an den Aussagen, die in der Bibel über Maria stehen. Für sie ist die menschliche Mitwirkung an der Versöhnung undenkbar.

 

Maria ist für Evangelische  die Mutter Jesu, die sich bedingungslos dem Anruf Gottes gestellt hat. Sie ist damit ein Beispiel der Gnade und des Glaubens. Martin Luther sagte, wir Christen könnten von Maria lernen, auf Gott zu hoffen und zu trauen. Ihr sollte aber nicht etwas zugeschrieben werden, was allein durch das Wort Gottes, durch den Heiligen Geist und durch die Sakramente geschieht.

 

 

Donnerstag, 25.1.2007

„Was ist Einheit?“, frage ich aus Anlass der Gebetswoche für die Einheit der Christen, die in diesen Tagen zum 39. Mal gefeiert wird und heute zu Ende geht.

 

Das Augsburger Bekenntnis, eine grundlegende Bekenntnisschrift der evangelisch lutherischen Kirchen, die mit den Buchstaben A.B. auch im Namen der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich vorkommt, hat darauf eine Antwort. Sie sagt, dass weder ein Amt noch bestimmte Strukturen noch gleiche Rituale die Einheit sichern. Notwendig zur wahren Einheit der Kirche ist aber mit den Worten der Bekenntnisschrift, dass das Evangelium im reinen Verständnis gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden.

 

Das Evangelium und die Sakramente, das sind sozusagen die Kernkompetenzen der Kirche. Wenn eine Kirche diese Kennzeichen der wahren Kirche aufweist, dann ist sie Teil der einen, heiligen, allgemeinen und apostolischen Kirche.  

 

Diese Position ist auch die Grundlage der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Die verschiedenen protestantischen Kirchen haben so nach heftigen Auseinandersetzungen in der Reformationszeit und langen getrennten Wegen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer Kirchengemeinschaft gefunden.

 

 

Freitag, 26.1.2007

Jede Kirche, die sich auf Jesus Christus bezieht und sich in der Tradition der Apostel weiß, hat im Urchristentum ihre Wurzeln. Organisatorisch und Institutionell gibt es darüber hinaus Marksteine und Wendepunkte, die zu bedenken sinnvoll sind.

 

Für die Evangelische Kirche in Österreich ist heuer so ein Bedenkjahr. Vor 450 Jahren gab es nach den Grundsätzen der Reformation den organisatorischen Wiederaufbau der Kirche. Eine Kirchenverfassung und liturgische Ordnungen wurden eingeführt, Schulen gegründet, Pfarrer bestellt.

 

In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts waren rund 90 Prozent der Bevölkerung im heutigen Niederösterreich evangelisch. Dem raschen Wachstum setzte die massive Gegenreformation in den Habsburgerländern ein Ende. Evangelisch in unserem Land zu sein war danach über Generationen nur im Geheimen möglich.

 

Das Toleranzpatent von Kaiser Joseph II im Jahr 1781 ermöglichte den geheimen Evangelischen, wieder an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Evangelische Kirche konnte nun auch wieder organisatorisch aufgebaut werden. Im Jahr 1783 wurden zwei Diözesen gegründet, eine umfasste die Länder von Wien bis Kärnten, die andere die westliche Bundesländer. Erst 1947, also vor genau 60 Jahren, wurde die östliche Diözese aufgeteilt. Es entstanden die heute bestehenden Diözesen Wien, Steiermark, Kärnten und Niederösterreich.

 

 

Samstag, 27.1.2007

Kirche ist eine nicht immer und bei allen unumstrittene Institution. Die eine oder andere Anfrage ist sicher auch berechtigt. Kirche als Institution in dieser Welt hat immer auch Anteil an den Höhen und Tiefen, die es in dieser Welt gibt.

 

Aber Kirche als Gemeinschaft der Heiligen, das bekennen alle Konfessionen im Glaubensbekenntnis, ist eine Gemeinschaft der besonderen Art. Es ist eine Gemeinschaft, die davon geprägt ist, dass es in ihr einen besonderen Umgang gibt. Und das bezieht sich auf das Leben in seiner Ganzheit. Im Psalm heißt es sogar: „Er hat seinen Engeln gesagt, sie sollen dich behüten auf allen deinen Wegen.“

 

In der Kirche geht es in erster Linie um unser Verhältnis zu Gott. Und dieses Verhältnis zu Gott bestimmt auch das Verhältnis zum Mitmenschen und zu sich selbst. Dieses Verhältnis ist vor allem bestimmt von einem Grundton, von dem der Liebe. Im Johannesevangelium sagt Jesus sogar: Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.

 

Schön ist das für den, der das in der Gemeinschaft der Kirche erleben kann. Das gibt einen langen Atem. Jedem von uns für das Leben. In den guten Zeiten, aber auch in Situationen, in denen Belastungen und Verunsicherungen uns mutlos machen und uns ohne Perspektive sein lassen.