Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

Aus der Regel des hl. Benedikt

von Bischofsvikar P. Amadeus Hörschläger OCist.

 

 

Sonntag, 04.02.2007

Der hl. Benedikt, dessen Ordensregel sich interessanterweise in der heutigen modernen Zeit zunehmenden Interesses vor allem von Managern erfreut,  legt großen Wert auf Ausgeglichenheit von Gebet und Arbeit – „Ora et labora“ in der lat. Sprache. Im 43. Kapitel lesen wir: “Es werde dem Gottesdienst nichts vorgezogen“. Ist nicht gerade unsere Zeit zu sehr geprägt von der alltäglichen Last des Wirtschaftens, ist Stress nicht längst zu unserem täglichen Begleiter geworden und kommt nicht dabei die Seele zu kurz? Ist nicht die Zunahme der seelischen Erkrankungen ein Alarmzeichen dafür, dass wir in unserem Leben etwas verändern sollten? Bei Benedikt hat der Gottesdienst eindeutig Vorrang. Natürlich werden Sie denken, wir können doch nicht alle Nonnen und Mönche werden. Vollkommen recht, aber wir können und sollten uns mehr um die seelische Gesundheit kümmern und  das Gebet, die stille Zwiesprache mit Gott, das Innehalten und Ruhigwerden ist ein durch Jahrhunderte hindurch erprobtes Mittel zur Heilung unserer seelischen Stresssituation heute. „Herr, lehre uns beten“ haben schon die Apostel gesagt, „Herr lehre mich wieder erkennen, was in meinem Leben heute das Wichtigste ist“, sollte wohl die Bitte von uns modernen Menschen sein.

 

 

Montag, 05.02.2007

Im 48. Kapitel der Benediktsregel heißt es: „Der Müßiggang ist ein Feind der Seele, deshalb sollen sich die Brüder zu bestimmten Zeiten mit Handarbeit beschäftigen.“ Es ergibt sich ja immer wieder die bekannte Fragestellung: „Leben wir, um zu arbeiten?“ oder „Arbeiten wir, um zu leben?“ -  Jesus hat seinerzeit bei den beiden Schwestern des Lazarus in Bethanien die Martha etwas getadelt, weil sie zu geschäftig war, ist das aber eine Rechtfertigung dafür, dass wir die Hände in den Schoss legen sollen?  Benedikt betont immer wieder, dass eine Ausgeglichenheit bestehen muss: Nur fromm sein ist eindeutig nicht in Ordnung und nur arbeiten ebenso wenig. Ich glaube, wir müssen in unserer Gegenwart für unser alltägliches Leben so etwas wie eine Gewissenserforschung betreiben. Wie schaut denn so mein Tagesablauf aus – besteht hier eine Einseitigkeit oder gibt es doch, vielleicht auch über einen längeren Zeitraum gesehen,  eine Ausgewogenheit? Komme ich vor lauter Arbeit zu keiner Freizeit mehr oder vor lauter Nichtstun zu keiner Arbeit? Wie oft stoßen wir heute gerade bei jungen Leuten auf dieses schreckliche Phänomen, dass sie aus lauter Langeweile zu Gesetzesbrechern werden. „Der Müßiggang ist ein Feind der Seele“, sagt der hl. Benedikt schon vor ca. 1500 Jahren.

 

 

Dienstag, 06.02.2007

Im 48. Kapitel der Benediktsregel heißt es: „Für die Tage der Fastenzeit erhalte jeder aus der Bibliothek ein Buch, das er von Anfang bis zum Ende ganz lesen soll“. Eigentlich ist ja die Kurzfassung der Benediktsregel nicht beschränkt auf das bekannte „Ora et labora – Bete und Arbeite“, sondern ganz wesentlich gehört auch das „Legere – lese“ dazu. Es ist doch merkwürdig, dass in unserer Zeit auf der einen Seite doch der Buchmarkt nicht schlecht dasteht, andererseits ihm die elektronischen Medien scheinbar den Rang ablaufen. Laut Pisa-Studie ist ja das Leseverhalten und damit auch das Lesen-können  ziemlich deprimierend. Die Zahl der Analphabeten nimmt immer mehr zu, sagen uns die Statistiker. Benedikt legt hohen Wert darauf, dass die Mönche regelmäßig sich der Lesung widmen. Vielleicht haben wir heutzutage manchmal das Gefühl: Lesen bedeutet Nichtstun. Wir haben keine Hemmungen, oft stundenlang im Internet zu surfen (es gibt ja hier schon eine ständig wachsende Anzahl Süchtiger), scheuen uns aber, ein Buch in die Hand zu nehmen. Hier wäre ein Umdenken wohl auch dringend nötig und das nicht nur bei uns Erwachsenen, sondern vor allem bei den Kindern und Jugendlichen. Für mich bleibt die Frage: Welches Beispiel lebe ich vor – die früheren Mönche mussten wenigstens in der Fastenzeit ein Buch lesen – vielleicht auch ein Vorsatz für uns?

 

 

Mittwoch, 07.02.2007

Sehr oft schreibt der hl. Benedikt  in seiner Ordensregel vom Gehorsam und legt diesen den Brüdern ganz besonders ans Herz. Was aber bedeutet Gehorsam? Sein eigenes Ich aufgeben und unterwürfig werden? Keine Eigenverantwortung mehr übernehmen? Gehorsam sein verbinden wir mit Kindererziehung oder mit willenlosem Soldatendrill, der jedes Hinterfragen verbietet. Kann Benedikt das wirklich so gemeint haben, dass einer den Ton angibt und alle anderen haben sich dem willenlos zu fügen? Dabei kann uns das Wort „Gehorsam“ als solches schon weiterhelfen. Gehorchen hat etwas mit hören zu tun, mit Hinhören, genauer gesagt. Darum beginnt die Benediktsregel mit diesem Wort: „Höre, mein Sohn, auf die Lehren des Meisters und neige das Ohr deines Herzens...“ Mir hört ja doch keiner zu“, klagen viele Menschen heute und wie oft entschuldigen wir uns mit dem Satz „das muss ich wohl überhört haben“, wenn wir eine Aufgabe schlecht erfüllen. Hinhören und dann handeln, das ist Gehorsam im tiefsten Sinn, vor allem aber auch hinhören auf unsere innere Stimme, die leider so oft nicht mehr zu Wort kommt, weil es um und in uns zu laut geworden ist im modernen Alltag.

 

 

Donnerstag, 08.02.2007

Das ganze 6. Kapitel der Ordensregel des hl. Benedikt handelt von der Schweigsamkeit. Sie wird als Tugend der Mönche hochgepriesen und die Klöster legen großen Wert darauf, dass es in ihren Räumlichkeiten Orte der Stille gibt und selbstverständlich sind  im Tagesverlauf fixe Zeiten für das „Silentium“ vorgesehen.  Auch bei diesem Thema geht es Benedikt um die Ausgewogenheit zwischen dem Reden und dem Schweigen. Wir alle wissen, dass in unserer heutigen Zeit viel zu viel ge- und damit auch zerredet wird. „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, lehrt uns schon ein bekanntes Sprichwort. Viele unserer Klöster werden daher zunehmend um der Stille willen von Stress geplagten Menschen heute aufgesucht, weil man  einige Tage dort in der Abgeschiedenheit vom Alltagslärm verbringen will. Raus aus dem Trubel, raus aus dem Lärm des Alltags und eintauchen in eine andere Welt. Die Nachfrage ist groß, mit steigender Tendenz. Manchmal ist die Lärmberieselung ja wirklich nicht mehr auszuhalten und dabei sind wir sehr oft selber Schuld, dass die Stille zu kurz kommt. Hat „Lärmschutz“ nur die Bedeutung, dass wir uns vor dem Lärm schützen oder müssten wir nicht eher das Schweigen unter Schutz stellen.

 

 

Freitag, 09.02.2007

Das gesamte 7. Kapitel der Ordensregel des hl. Benedikt handelt von der Demut Benedikt spricht genau gesagt von 12 Stufen der Demut, die der Mönch anstreben und wie bei einer Leiter erklimmen soll. Es ist ein ständiges Ringen mit dem Eigenwillen, vor allem aber mit dem Stolz, der nur allzu leicht die Macht über uns gewinnt. Die heutige Welt hört dieses Wort von der Demut nicht gern, es hat so den Beigeschmack der Unterwürfigkeit und Schwäche, ja letztlich einer gewissen Hilflosigkeit und  dabei kann doch nur erfolgreich in dieser Welt bestehen, wer es versteht, sich durchsetzen, auch wenn man dazu seinen Ellbogen kräftig benützen muss. Man kann sich ja schließlich nicht alles bieten und gefallen lassen! Nur der Kräftigere hat das Sagen, wenn auch mit einer Portion Rücksichtslosigkeit. Benedikt ist hier einer ganz anderen Meinung und beruft sich auf die Worte Jesu: „Jeder, der sich erhöht wird erniedrigt und wer sich erniedrigt, wird erhöht werden“. Es bedarf schon eines gewissen Mutes, um demütig zu sein, aber aufs Ganze hin gesehen, lohnt es sich, diese Stufen von denen Benedikt spricht, zu erklimmen, auch wenn man dabei gegen den Strom der Zeit schwimmen muss.

 

 

Samstag, 10.02.2007

„Einem jeden werde zugeteilt, wie er es braucht“, heißt es beim hl. Benedikt im 34. Kapitel der Ordensregel und gleichzeitig schreibt er, dass „alles allen gemeinsam sei“. Eine ganz individuelle Aufteilung der gemeinsamen Güter im Kloster, denn „keiner nenne etwas sein Eigen“, mahnt er die Mönche. Eine besondere Mahnung geht daher dahin, dass man mit den anvertrauten Gütern gut und sorgsam umzugehen hat. Was an und für sich so einsichtig klingt, hat leider in unserer modernen Welt  gewaltig an Bedeutung verloren. Immer wieder hören und lesen wir, dass mit dem Allgemeingut alles andere als sorgsam und gewissenhaft umgegangen wird. Zerstörungswut auf der einen Seite, Korruption auf der anderen. “Es ist ja nicht meins!“, lautet die Devise und damit scheint ein gewisser Freibrief für den Umgang damit gegeben zu sein. Ich denke, dass es einer großen gemeinsamen Anstrengung bedarf, hier wieder das rechte Maß zu finden und den Wert der uns anvertrauten Dinge zu entdecken und zu schützen. Vielleicht liegt gerade darin eine geheimnisvolle Faszination der 1500 Jahre alten Ordensregel des hl. Benedikt als richtungsweisende Anleitung in unserer modernen, schnelllebigen  Zeit.