Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

"Sehnsucht"

von Generalvikar Dr. Benno Elbs

 

 

Sonntag, 11.02.2007

„Als die Religion noch nicht langweilig war“, ist der Titel eines Buches, das die Geschichte der Wüstenväter beschreibt.

 

Simeon der große Syrer z.B. setzt sich nach einer Serie von ausgefallenen Experimenten auf eine hohe Säule, auf der er sein Leben verbringt. Einsamkeit als Schau, als Fernsehspektakel würde man heute vielleicht sagen, für einen Ozean von Menschen, der sich unter Simeons Säule zu Tode trampelt. Nach Ägypten kommen ganze Schiffsladungen von reichen Römerinnen gesegelt, beseelt von dem Wunsch, diesen Menschen zu sehen und die Art, wie er seine Sehnsucht nach Gott lebt.

 

Sehnsucht ist damals wie heute das Wertvollste, das der Mensch in sich trägt. Sie ist der Anker, den Gott in unser Herz geworfen hat. Sie erinnert uns, dass unser Herz im Vorläufigen, im Geschäftigen, nicht zur Ruhe kommt. Es ist etwas in uns, über das die Welt keine Macht hat. Die Sehnsucht macht den Menschen heilig.

 

Ich möchte Ihnen heute wünschen, dass Sie an diesem Sonntag mit Ihrer Sehnsucht in Berührung kommen und merken dürfen: Religion ist nicht langweilig. Religion ist das, was dem Menschen im Innersten Frieden gibt.

 

 

Montag, 12.2.2007

„Ein Fisch, der im Brunnen lebt, beurteilt das Ausmaß des Himmels nach dem Brunnenrand“, so lautet ein asiatisches Sprichwort. Irgendwie fühle ich mich ertappt. Manchmal gleiche auch ich dem Fisch, der das Ausmaß des Himmels nach dem Brunnenrand beurteilt. Der Fisch schwimmt im Wasser und blickt nur manchmal nach oben. Und so schwimmen wir, vielleicht auch heute an diesem Montag, in vielen Aufgaben unseres Alltags – dieses ist zu erledigen, jenes ist zu tun. Zeit zum Nachdenken bleibt kaum.

 

Ab und zu erheben wir unseren Blick und sehen den Himmel. Und dieser Blick ist entscheidend. Für den Menschen, der mit seiner Sehnsucht in Berührung ist, relativieren sich seine Probleme, seine Krankheiten, seine Verletzungen. In seiner Sehnsucht berührt er Gott. Die Sehnsucht ist, so glaube ich, die Spur, die Gott selbst in unser Herz gelegt hat.

 

Ich wünsche Ihnen heute diesen Blick der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Sie werden Ihre Aufgaben, Ihre Begegnungen mit größerer Gelassenheit erleben und der heutige Tag wird glücklicher für Sie werden.

 

 

Dienstag, 13.2.2007

Leicht lässt man sich vom Glitzer der so genannten Reichen und Schönen verführen. Eine sehr berührende Begegnung hat mir in den letzten Tagen drastisch vor Augen gestellt, dass wir alle etwas anderes brauchen, etwas, das nicht verhallt, wie der Applaus. Mit drogensüchtigen Jugendlichen rede ich darüber, was denn eigentlich das Gegenteil von Sucht sei. Die jungen Menschen antworten, das Gegenteil von Sucht sei der Genuss. So drängt sich irgendwie sofort die Frage auf, was denn der größte Genuss im Leben eines Menschen ist?

 

Die Antwort kommt aus dem Herzen einer drogenkranken Frau. Sie sagt: In der Liebe eines Menschen geborgen zu sein. Das ist der größte Genuss des Lebens.

 

Diese junge Frau hebt der „Seitenblickegesellschaft“ den Spiegel vor. Jeder von uns braucht den Reichtum in seinem Innern: einen inneren Frieden, eine Ahnung von seiner Würde und Geborgenheit. Diesen Reichtum finden wir nicht in der Ferne, in die es uns treibt, nicht im Rampenlicht, nachdem sich mancher sehnt. Sondern in uns selbst ist das zu finden, was wir im Tiefsten brauchen – Geborgenheit, Liebe, Würde und Licht.

 

 

Mittwoch, 14.2.2007

Das schaffst Du nie – ist ein viel gehörtes Wort in unserem Leben. Entweder sagen es andere zu uns oder eine Stimme aus dem Innern schüchtert uns ein mit diesem Gedanken.

 

Die Fabel von den Fröschen ist mir selbst eine sehr humorvolle und tiefsinnige Hilfe.

 

Die Frösche entscheiden, einen Wettlauf zu veranstalten. Ziel ist, auf den höchsten Punkt eines großen Turms zu gelangen.

 

Keiner der zuschauenden Frösche glaubte wirklich, dass auch nur ein einziger der teilnehmenden Frösche tatsächlich das Ziel erreichen könne. Statt die Läufer anzufeuern, riefen sie also "Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!" oder "Das ist einfach unmöglich!" 

 

Und wirklich schien es, als sollte das Publikum Recht behalten, denn nach und nach gaben immer mehr Frösche auf. Nur ein einziger erreichte das Ziel.

 

Die Zuschauerfrösche waren vollkommen verdattert und alle wollten von ihm wissen, wie das möglich war.

 

Und da merkten sie erst, dass dieser Frosch taub war!

 

 

Ich wünsche Ihnen den Mut, Ihren Weg zu gehen und nicht auf die vielen Wenn und Aber von Außen und von Innen zu hören.

 

 

Donnerstag, 15.2.2007

Leonardo da Vinci, der berühmte Maler der Mona Lisa sagt: Binde Deinen Karren an einen Stern. Wer einen Karren fährt, muss auf den Weg achten, das ist klar, sonst stürzt der Karren um oder fällt in eine tiefe Schlucht – von denen es in unserem schönen Österreich ja unzählige gibt.

 

Was bedeutet das, diesen Tag heute an einen Stern zu binden?

 

Dieser Gedanke lebt aus der Hoffnung, dass es hinter allem, was wir tun, einen großen Sinn gibt. Nicht die Hindernisse, die sich heute vielleicht in den Weg stellen, sollen unsere größte Aufmerksamkeit bekommen, sondern das, was dieser Tag mir heute schenkt. Nie wieder kommt er, dieser heutige Tag. Nie wieder kommen sie die Begegnungen, die ich heute habe. Nie wieder werde ich sie machen, die Erfahrungen, die mir heute geschenkt sind.

 

Hängen wir heute unser Herz an das große Vertrauen, dass Gott das Gute will für uns.

 

Dieser Gedanke hat mir schon in vielen Augenblicken des Lebens eine tiefe Freude geschenkt.

 

Binde Deinen Karren an einen Stern.

 

 

Freitag, 16.2.2007

Kürzlich fragte mich ein 5jähriges Mädchen: Warum machen die Menschen eigentlich unsere Welt kaputt?

 

Dieser Satz des Kindes ging mir durch Mark und Bein. In den letzten Wochen wurden dramatische Zahlen zum Klimawandel veröffentlicht. Es entsteht der Eindruck, dass wir mit Vollgas in den Untergang rasen.

 

Unsere Mobilität hat eine große Kehrseite. Sie vernichtet die Erde. Und das viel schneller als alle ursprünglich erwartet haben. Das Schmelzen der lebensnotwendigen Eismassen, die Orkane, das Vertrocknen vieler Gebiete der Erde sind nur kleine Zeichen dafür, dass hier etwas Unheimliches vor sich geht.

 

Und das erinnert mich auch an die Heilige Schrift. Am Anfang des Buches des Lebens steht das Schöpfungslied. Im Zentrum steht die Liebe, die Achtung, der Respekt des Menschen vor allem Geschaffenen.

 

Diesen Respekt scheinen wir in vielen Bereichen verloren zu haben. Die Sehnsucht eines Kindes, in einer intakten Welt groß werden zu können, ist berührend und macht traurig zugleich.

 

Also: Wie kann ich einen Beitrag leisten? – Heute!

 

 

Samstag,17.2.2007

Ein Erkennungszeichen für Christen ist die Freude. Doch manchmal hat man den Eindruck, dass unser Leben wenig mit dieser Freude zu tun hat. Es gibt eine nette Anekdote, die von einem Bischof handelt, der in eine Versammlung von Priestern kommt und den Pfarrern beibringen will, wie man richtig predigen soll.

 

Der Bischof sagt: Wenn Sie vom Himmel predigen, dann machen Sie ein freundliches Gesicht, gestikulieren Sie, damit die Leute merken, dass Sie vom Himmel reden!

 

Da zeigt ein Pfarrer auf und fragt: Und wie sollen wir uns verhalten, wenn wir von der Hölle predigen?

 

Der Bischof antwortet: Dann können Sie so bleiben, wie Sie sind.

 

Es geht nicht darum, dass wir oberflächliche Freude zeigen oder sogar vorspielen. Aber letztendlich wird im Herzen eines Christen tiefe Freude sichtbar sein. Warum? Weil jede und jeder von uns ein Lieblingsgedanke Gottes ist. Niemand von uns würde leben, wenn es nicht der Wunsch aus dem Herzen Gottes wäre. Und das ist wohl das größte Geschenk. Das schenkt uns eine tiefe Freude.