Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
Pfarrer Roland Werneck (Wien)
von der Evangelischen Kirche
Sonntag, 18. März 2007
„Mach mich zum
Werkzeug deines Friedens – Gewalt überwinden in Europa.“
So lautet das
Motto der Dekade zur Überwindung von Gewalt für das Jahr 2007.
Kirchen auf der ganzen Welt setzen sich in diesem Jahrzehnt in
besonderer Weise für Frieden und Versöhnung ein. Vielleicht denken
Sie sich jetzt: Was wird dabei schon rauskommen? Kriege hat es immer
gegeben und wird es immer geben. Aber: Wer sich in die Nachfolge
Jesu gerufen weiß, dem kann Krieg und Gewalt nicht egal sein. Die
Botschaft des Evangeliums ist klar: Selig sind, die Frieden stiften,
sie werden Gottes Kinder heißen!
Auch wenn wir
in einem Land leben dürfen, das nicht von Krieg bedroht ist: Das
Thema Gewalt betrifft uns alle: sie begegnet uns in den Familien, in
den Schulen, in den Medien – und nicht zuletzt in jedem von uns
selbst. Niemand kann von sich sagen:
Ich bin frei
von der Versuchung, Gewalt auszuüben.
Wir sind alle
betroffen und können alle unseren Beitrag zur Überwindung von Gewalt
leisten. Franz von Assisi wird folgendes Gebet zugeschrieben:
„Herr, mach
mich zum Werkzeug deines Friedens,
dass ich
liebe, wo man hasst,
dass ich
verzeihe, wo man beleidigt,
dass ich
verbinde, wo Streit ist,
dass ich Licht
entzünde, wo Finsternis regiert,
dass ich
Freude bringe, wo der Kummer wohnt.“
Montag, 19. März 2007
Es taucht alle
paar Monate wieder in den Medien auf: das Thema „Gewalt an den
Schulen“. Meistens ist es im Gespräch, wenn etwas Schlimmes an einer
Schule passiert ist .Viele fragen sich dann: Wie konnte das
passieren? Hätte man das nicht verhindern können?
Einmal im Jahr
veranstaltet die Evangelische Akademie Wien mit anderen
Organisationen einen Studientag im Rahmen der Dekade zur Überwindung
von Gewalt. Beim letzten Mal war unser Thema „Gewalt überwinden –
als Lehrer und Lehrerin zum Frieden erziehen“.
Erziehung zum
Frieden, zur Gewaltlosigkeit ist ein hohes Ziel. Es gibt bei uns
kein eigenes Lehrfach, das diesen Namen trägt – und das ist auch gut
so. Friedenserziehung gehört in alle Fächer hinein, ob Geschichte,
Englisch, Religion oder Turnen. Gewaltprävention – Vorbeugung, bevor
etwas passiert – heißt ein wichtiges Stichwort. Viele Lehrerinnen
berichteten, dass im Schulalltag dafür nur wenig Zeit bleibt. Mich
hat besonders das Engagement von zwei Schülerinnen der Oberstufe
beeindruckt. Sie haben selbst eine Ausbildung in Mediation gemacht.
Sie bieten ihre Hilfe zur Vermittlung an, wenn es an der Schule
einen Konflikt gibt. Die Kleineren lernen von den Größeren, wie
Streit ohne Gewalt geschlichtet werden kann.
Ich wünsche
mir, dass dieses Modell Schule macht – innerhalb und außerhalb
unserer Schulen.
Dienstag, 20. März 2007
Heute möchte
ich Sie an einen Jahrestag erinnern, der keinen Anlass zur Freude
gibt. Vor genau vier Jahren begann die Invasion der USA und ihrer
Verbündeten im Irak. Damals dachten manche, dieser Krieg ließe sich
zeitlich einschränken und würde einen Schritt in Richtung Frieden im
Nahen Osten bringen. Viele christliche Gruppen warnten davor und
setzten sich bis zuletzt dafür ein, den Krieg zu verhindern. Heute
hören und lesen wir fast täglich von kriegerischen Handlungen und
Attentaten im Irak. Diese Berichte kommen bei uns längst nicht mehr
in die Schlagzeilen, wir haben uns daran gewöhnt. Auch mir geht es
so.
Aber heute, an
diesem Jahrestag wenigstens möchte ich daran erinnern: seit Beginn
des Krieges mussten an die 10.000 Soldaten und Polizisten ihr Leben
lassen! Die Zahl der getöteten Zivilisten wird auf über 40.000
geschätzt. Hinter diesen nackten Zahlen verbergen sich abgebrochene
Lebensgeschichten, ungezählte Tränen, trauernde Familien.
Ich fühle mich
oft ohnmächtig, wenn ich mir so viel Leid vorstelle. Ich kann mir
nicht vorstellen, dass das dem Willen Gottes entspricht.
Der christliche
Glaube sagt uns, gerade jetzt in der Fastenzeit vor Ostern, in der
wir die Leidensgeschichte Jesu bedenken: Gott will keine Opfer mehr!
Das Leben ist stärker als der Tod, als Krieg und Gewalt. Das gilt
für uns alle!
Ich wünsche
mir, dass diese Botschaft aus den Kirchen in die Welt getragen wird.
Mittwoch, 21. März 2007
Heute steht in
meinem Kalender „Frühlingsanfang“. Aber der 21. März ist noch ein
besonderer Tag. 1966 hat die UNO diesen Tag als Internationalen Tag
für die Beseitigung von Rassendiskriminierung ausgerufen. Als
Christen und Christinnen glauben wir, dass Gott die Menschen als
sein Ebenbild geschaffen hat – so steht es im 1. Buch der Bibel.
Jede Frau, jeder Mann ist Gottes Ebenbild! Ein faszinierender
Gedanke! Wenn wir das ernst nehmen, dann ist die Bibel das älteste
Dokument gegen Rassendiskriminierung.
Zur
Christenheit gehörten von Anfang an Menschen aus verschiedenen
Völkern mit unterschiedlicher Hautfarbe. Der Heilige Geist kennt
keine Unterschiede von Rassen.
Leider haben
das die Kirchen im Lauf der Jahrhunderte immer wieder vergessen. Ob
Juden in Deutschland und Österreich, ob Schwarze in den USA und
Südafrika – es waren auch christliche Politiker und
Kirchenvertreter, die die Diskriminierung dieser Menschen zugelassen
haben. Andere haben in der Bibel gelesen und verstanden, worum es
geht: Christlicher Glaube und Rassendiskriminierung vertragen sich
nicht. Dietrich Bonhoeffer, Martin Luther King und Desmond Tutu
können uns als Vorbilder dienen, wenn es darum geht, sich gegen
Rassismus und Antisemitismus zu engagieren. Aber vielleicht kennen
Sie dafür ja auch noch andere Frauen und Männer in Ihrer Umgebung!
Ich wünsche
mir, dass es Frühling wird für Menschen aller Völker und Hautfarben!
Donnerstag, 22. März 2007
Zukunft durch
Begegnung!
Hinter diesem
Motto verbirgt sich ein Projekt, das ich gemeinsam mit Kollegen und
Kolleginnen in diesen Wochen vorbereite. Wir wollen im kommenden
Sommer Jugendliche aus vier verschiedenen Ländern zusammenbringen.
Aus Österreich und Ungarn, aus Israel und Palästina. Zwei Wochen
lang werden die jungen Menschen in Rechnitz im Burgenland ihre
Freizeit miteinander verbringen, aber auch über ihre persönlichen
Lebensgeschichten, ihre Herkunftsländer, ihre Hoffnungen und Ängste
miteinander sprechen. Die Jugendlichen aus dem Nahen Osten kennen
die Angst, die Gewalt und den Krieg aus ihrem Alltag. Für
mitteleuropäische Jugendliche ist diese Wirklichkeit weit weg. Ich
bin schon sehr gespannt, was uns da erwarten wird. Wird es gelingen,
gegenseitige Vorurteile abzubauen? Werden israelische und
palästinensische Jugendliche miteinander reden? Werden vielleicht
sogar Freundschaften entstehen?
Ich bin davon
überzeugt: auch wir in Europa werden nur dann eine Zukunft in
Frieden erleben, wenn es viele Begegnungen dieser Art gibt. Menschen
unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion müssen miteinander
ins Gespräch kommen, nicht nur über Medien wie das Internet, sondern
im wirklichen Leben. Ob es immer gelingt, steht letztlich nicht in
unserer Macht. Aber als Christen und Christinnen dürfen wir darauf
vertrauen, dass der Heilige Geist weht, wo er will. So wird manches,
was uns heute unmöglich erscheint, morgen möglich werden.
Freitag, 23. März 2007
Vor kurzem habe
ich in Wien das Ehepaar Kleinsasser getroffen. Die beiden sind
sogenannte Hutterer und leben in Kanada. Sie sprechen eine Mischung
aus Tiroler und Kärntner Dialekt mit englischen Einsprengseln. Die
Hutterer werden so nach Jakob Huter genannt, einem Tiroler Anführer
der Wiedertäuferbewegung im 16. Jahrhundert. Er wurde mit seinen
Anhängern wegen seines Glaubens verfolgt und im Februar 1536 vor dem
Goldenen Dachl in Innsbruck am Scheiterhaufen verbrannt. Die
überlebenden Hutterer sind auf vielen Umwegen in den USA und Kanada
gelandet und leben heute auf gemeinschaftlichen sogenannten
Brüderhöfen. Sie kennen kein Privateigentum, sie lehnen jede Gewalt,
jeden Krieg und alle weltlichen Machtstrukturen ab.
Als ich mich
mit Herrn Kleinsasser über seine Familie und seine Gemeinde
unterhielt, zitierte er immer wieder zwischendurch Stellen aus
Briefen des Apostels Paulus, so als ob er den Apostel persönlich
kennen würde. Ich bin oft skeptisch gegenüber Menschen, die meinen,
man könne die Bibel ganz einfach in unser heutiges Leben übertragen.
Sie wirken auf mich nicht ganz glaubwürdig. Bei Herrn Kleinsasser
war das irgendwie anders. Besonders sein Bekenntnis zur
„Wehrlosigkeit“, wie er sagte, also zur absoluten Gewaltlosigkeit,
hat mich sehr beeindruckt.
Ich wünsche
mir, dass die Christenmenschen in Österreich von dieser
überzeugenden Glaubenshaltung etwas lernen.
Samstag, 24. März 2007
Als
evangelischer Christ bin ich mit einer gewissen Skepsis gegenüber
jeder Art von Heiligenverehrung aufgewachsen. Trotzdem möchte ich
heute an einen katholischen Bischof erinnern, der zwar nicht
offiziell heiliggesprochen wurde, der aber für viele Christinnen und
Christen eine Bedeutung wie ein Heiliger hat:
Oscar Arnulfo
Romero. Heute vor 27 Jahren wurde er während eines Gottesdienstes in
San Salvador von sogenannten Todesschwadronen im Auftrag der
Regierung erschossen. Romero setzte sich in seinen letzten
Lebensjahren besonders für die armen Bauern und Arbeiter seines
Landes ein. Mutig kritisierte er die Brutalität der damaligen
Militärdiktatur. In seiner letzten Predigt sagte er: "Kein Soldat
ist verpflichtet, einem Befehl zu gehorchen, der gegen das Gesetz
Gottes gerichtet ist. (...) Ich bitte euch, ich flehe euch an - hört
auf mit der Unterdrückung!"
Wer sich heute
gegen Krieg und Gewalt einsetzen will, braucht Vorbilder.
Erzbischof
Romero ist für mich auch deshalb ein Vorbild, weil für ihn der
Glaube an die Gerechtigkeit Gottes stärker war als jede Angst. Er
ließ sich auch durch Drohungen nicht einschüchtern.
Meine Skepsis
gegenüber der Heiligenverehrung bleibt. Glaubwürdige Zeugen des
Evangeliums aber brauchen wir zur Stärkung, wenn wir in der
Nachfolge Jesu unterwegs sein wollen.
Ich wünsche
mir, dass der Name Oscar Arnulfo Romero in Erinnerung bleibt, über
die Grenzen von Konfessionen und Ländern hinweg.
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