Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Schwester Pallotti Findenig, Missionskloster Wernberg, Regionaloberin der Ktn. Frauenorden und Pastoralassistentin in Landskron bei Villach

 

 

Ostersonntag, 8.4.2007

Sie waren vielleicht gestern Abend bei der Auferstehungsfeier, in anderen Kirchen wird sie zur Stunde gefeiert. Aus dem Dunkel der Nacht, aus der Nähe des Todes, aus aller Angst um das Leben leuchtet das Licht des Morgens und der Osterkerze. Die Kirche wird nicht müde, Halleluja zu singen, diesen Ausdruck der Freude über den Jesu Sieg über den Tod. Im ersten Jahrhundert nach Christus gab es von Israel bis Ägypten so viele Einsiedler, Höhle an Höhle, dass sie einander am Ostermorgen das Halleluja zurufen konnten. Ein nicht enden wollender Chor der Freude und des Sieges. Wie wäre es, wenn wir einander in unserer Nachbarschaft heute das Halleluja zurufen? Stecken wir einander an mit der Freude darüber, dass Jesus mit uns ist. Er, der tiefste Grund dafür. In diesem Sinne: Allem zum Trotz, was an Widerwärtigem vielleicht heute kommt, mein innerster Kern wird davon nicht berührt, er ist eingetaucht in das Osterlicht. Halleluja!

 

 

Ostermontag, 9.4.2007

Für die Freunde Jesu war es gar nicht leichter als für uns, an seine Auferstehung zu glauben. Die meisten von ihnen sperrten sich ein, zwei gingen überhaupt davon in ihrer Enttäuschung. Sie hatten ihm geglaubt, er war ihnen mehr gewesen als Frau und Kind, als Familie und Besitz. In sich versunken, abgekapselt in ihrer Trauer, merken sie nicht, dass sie jemand eingeholt hat und neben ihnen mitgeht. Einfühlsam fragt er sie, was sie so betrübt macht. Die Art des Fremden tut ihnen gut, am Ziel angekommen, laden sie ihn zu sich ein. Brot und Wein gab es zum Abendessen. So wie er das Brot bricht, ist ihnen vertraut und wie ein Blitz trifft es sie: Das ist Jesus. Er war ihnen nachgegangen, hatte sie in ihrer Enttäuschung und Verbitterung nicht allein gelassen. Das ist auch meine Jesus-Erfahrung: Er ist der, der mir nachgeht, nicht verlangt, dass ich zu ihm komme, der nicht nur in Kirchen auf mich wartet. Der mich auffängt nach Enttäuschungen.

 

 

Dienstag, 10.4.2007

Ostern weckt in mir Erinnerungen an die Monate, die ich in Israel, vor allem in Jerusalem verbringen durfte. Das war nicht in erster Linie die Grabes- oder Auferstehungskirche, nicht religiöse Zeremonien, sondern die Menschen. Ich erlebte bei Christen, Juden oder Moslems, dass zwischen uns eine Verbindung besteht, die über das Sichtbare und Begreifbare hinausgeht. Ich denke an einen muslimischen Goldschmied im Bazar, der mein kleines Kreuz reparierte und nichts dafür verlangte, weil es ein mir wertvolles religiöses Zeichen war. Ich denke an den jungen jüdischen Soldaten, der während der Christnacht am Kontrollübergang keine Grenzkontrolle machte und uns „Fröhliche Weihnachten“ wünschte. Ich denke an die Herzlichkeit, mit der ich bei den Kleinen Schwestern Jesu jedes Mal aufgenommen und mit einem Tee bewirtet wurde. Ostern, das Jahr hindurch: Lassen wir es geschehen, ja helfen wir dazu!

 

 

Mittwoch, 11.4.2007

„Dieses ganze Gerede von Auferstehung ist leer“, sagen Sie vielleicht nach einer schlaflosen Nacht oder bei Schmerzen, die nie aufhören, wenn keine Freude auf den Tag da ist, wenn keine Morgenröte in Sicht ist. Solche Tage zu beginnen, braucht oft einiges an Kraft. Woher kommt diese, wenn alles dagegen steht? Ich habe einen solchen Tag in Erinnerung – alles, auch das Kleinste fiel mir schwer. Ich versuchte mich durch Erinnerung an gute Tage, an Schönes und an Glück, zu motivieren. Ich machte alles mechanisch, innerlich leer. Dann kam ein Besuch, eine Frau mit einem sonnigen Gemüt, ein einfacher Mensch mit dem Herz auf dem rechten Fleck und sie brachte mir aus ihrem Garten kleine Frühlingsblumen mit, einen schlichten Strauß. Diese Frau ist jemand, der sich selber nie in den Mittelpunkt stellt, die offen auf alle zugeht und, weil sie in der Gegenwart Gottes lebt, spürt, was das Gegenüber braucht. Mein Tag wurde anders. Ich merkte und erlebte: „Es gibt Auferstehung“. Das ist mein Wunsch für Sie heute.

 

 

Donnerstag, 12.4.2007

Eine der für mich schönsten Auferstehungsgeschichten verdanke ich Angelika Schrobsdorff. Sie war mit ihrer Freundin in Israel unterwegs. Die beiden kamen mit ihrem Auto zum Kontrollpunkt bei Jericho und wurden Zeugen, wie ein israelischer Soldat einem Palästinenser einen Plastiksack aus der Hand schlug. Tomaten, Gurken, Bohnen kollerten in großer Menge über die Straße. Die beiden Frauen stiegen schnell aus ihrem Auto und begannen das Gemüse aufzuklauben. Trotz Behinderung und Anpöbelung durch die Soldaten machten sie – wohl mit zitternden Knien – weiter und forderten alle Umstehenden zum Helfen auf. Das Erstaunen der Soldaten war so groß, dass sie dies gewähren ließen. Der Palästinenser wusste nicht, wie ihm geschah, als der seinen Gemüsesack wieder zurückbekam. Der Mut und die Zivilcourage zweier Frauen half Ungerechtigkeit oder sinnlose Zerstörungswut wieder gut zu machen. Ein Stück Glauben an das Gute im Menschen wurde für alle erlebbar.

 

 

Freitag, 13.4.2007

„Wo liegt euer Lächeln begraben?“ stand eines Tages auf einer Mauer in der Innenstadt von Frankfurt. Wo liegt mein, wo liegt Ihr Lächeln begraben? Steht es am Morgen mit Ihnen auf? Das heißt ja nicht, „keep smiling“, ein ständiges Grinsen im Gesicht haben, sondern von einer fröhlichen Grundstimmung her leben. Ich habe eine alte, in den letzten Lebensjahren bettlägrige Mitschwester vor mir, die einem am Morgen entgegenlachte und von der jeder irgendwie aufgerichtet wegging. Gefragt, was auf ihrem Grabstein stehen soll, antwortete sie: „Hier ruht eine, die nie zu kurz gekommen ist!“ Und dabei war sie nicht immer auf die Butterseite des Lebens gefallen. Als talentierte Musikerin hatte sie viele Jahre das Spülen des Mittagsgeschirrs für unsere Gäste und verschiedene einfache Arbeiten über. Ihr Lachen und ihr Gebet kamen aus einer Quelle, ihrem Herzen. „Lobe den Herrn meine Seele und alles in mir seinen Namen und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“

 

 

Samstag, 14.4.2007

„Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt!“ Der jüdische Dichter Shalom ben Chorim entdeckte inmitten des zerbombten Jerusalem nach dem 6-Tage-Krieg 1967 einen kleinen blühenden Mandelbaum. Als er diesen sah, wurde ihm klar: Das Leben ist stärker als der Tod, die Liebe ist stärker als der Hass. Auch für Jesus waren die Blumen auf dem Feld, das Säen und Wachsen der Saat Zeichen der Zuversicht und Hoffnung. Sein gewaltsamer Tod war am Vorbereitungstag des altjüdischen, nomadischen Frühlingsfestes, dem Pessach. Wir feiern Ostern im Frühjahr, jeder, auch Mitmenschen, denen das christliche Osterfest nichts bedeutet, genießen das Erwachen der Natur, ihr Auferstehen nach dem Winter. Jesus ist der Bote aus der Kälte des Todes, aus dem sinnlosen Hass und dem Verderben. Er erscheint der Jüngerin Maria Magdalena in einem blühenden Garten.