Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrerin/Psychotherapeutin Magistra Margit Geley, Evang. Pfarrgem. Salzburg-West in Taxham

 

 

Sonntag, 15.4.2007

... an diesem ersten Sonntag nach Ostern. In der evangelischen Kirche hat dieser Sonntag den Namen: Tag der neugeborenen Kinder. An diesem Sonntag kamen bei den ersten Christen die Menschen das erste Mal in die Kirche, die zu Ostern getauft worden waren – es waren meist erwachsene Menschen, die ihr Leben völlig verändert hatten, die in die Welt der Christen hineingetauft worden waren.

Sie hatten dazu viel Mut gebraucht, sie mussten viel Altes aufgeben, sie mussten sich vielen Anfeindungen aussetzen. Denn im römischen Reich war das Christentum verboten und alles musste im Geheimen geschehen. Christ sein war gefährlich, man konnte dafür getötet werden.

 

Gleichzeitig haben sie auch vieles gewonnen, allerdings waren sie erst am Beginn, das Neue kennen zu lernen. Sie  wurden deshalb wie neugeborene Kinder betrachtet – sie waren Menschen, denen alles neu war, die langsam in die Gemeinschaft hineinwachsen sollten.

 

Diese neuen Christen, die Gott erst neu kennen gelernt hatten, waren fasziniert von der Kraft des Glaubens und der Gemeinschaft, die ihnen begegnet war. Sie wurden aufgenommen und angenommen, ihr Leben war völlig verändert.

 

Noch heute heißt dieser Sonntag: Tag der neugeborenen Kinder. Auch heute sind Menschen willkommen, auch heute können Menschen neue Wege gehen.

 

 

Montag, 16.4.2007

Für viele Menschen sind Montage nicht die besten Tage. Die neue Woche beginnt und es scheint, als wäre die Kraft für diese Woche nicht vorhanden. Am Montag scheint die Woche lang und das Wochenende fern zu sein.

Obwohl wir das Wochenende hinter uns haben, mit freier Zeit, so fühlen viele Menschen sich doch nicht frisch und neu, sondern vielmehr schlapp und müde.

 

Der Alltag ist bekannt, Herausforderungen fehlen, alles ist beim Alten, nichts ist neu und aufregend. So sehnen wir Menschen uns manchmal nach dem „ Ganz-Anderen“, nach der weiten Welt, nach neuen Aufgaben, nach neuen Menschen in unserer Umgebung, nach neuen Ausblicken, neuen Gedanken, neuen Ideen.

Wie neugeboren müsste man wieder sein – kann mancher denken, noch mal von vorne anfangen – am besten mit den Erfahrungen von heute.

 

In welche Familie würde ich gerne geboren werden? Hätte ich dann bessere Chancen gehabt für mein Leben? Wäre ich besser gefördert worden? Hätte ich ein interessanteres Leben? Was würde ich glauben? Wo würde ich dann jetzt wohl leben? Welchen Partner, welche Kinder hätte ich dann wohl?

 

Wenn ich neugeboren würde, und dieses neue Leben lenken könnte, wie würde es wohl aussehen?

 

 

Dienstag, 17.4.2007

Heute Früh beschäftigt mich die Langeweile. „Mir ist so langweilig“ – sagen Kinder oft. Sie wissen dann nicht, was sie tun sollen, was sie tun wollen, obwohl sie genug Spielsachen haben, obwohl es genug Möglichkeiten gäbe.

Langeweile ist ein negatives Wort. Unsere Ehe ist langweilig geworden – mag einer denken. Der Beruf ist langweilig, das Haus, die Möbel, die Kleider -  alles ist langweilig und wir meinen damit, dass es nicht mehr gut ist, nicht mehr neu, nicht mehr aufregend.

 

Andererseits: wenn etwas nicht lange dauert, dann hört es früh wieder auf. Eine Ehe, die also lange besteht, muss lang-weilig sein, sonst wäre sie ja schon nach einer kurzen Weile wieder vorbei gewesen.

Ein Haus, das wir gleich wieder verlassen, einen Beruf, den wir gleich wieder wechseln, Möbel, die gleich wieder ausgetauscht werden – all das ist dann nur von kurzer Weile.

 

Heute möchte ich  deshalb die Langeweile hochhalten.

Denn die lange Weile schenkt uns Beziehungen, die dauern,

die lange Weile schenkt uns ein Zuhause, das Wurzeln gibt.

Die lange Weile schenkt uns nicht zuletzt einen Gott, der seit Menschengedenken zu uns hält.

 

 

Mittwoch, 18.4.2007

Wenn ich meine kleine einjährige Tochter anschaue, dann bin ich immer wieder beeindruckt, wie sie ihre Welt erobert und entdeckt.

Sie kostet und schmeckt, sie tastet sich voran, manchmal schreckt sie auch vor etwas zurück. Sie geht weit weg und kehrt dann wieder ins Bekannte zurück. Wenn sie sehr mutig war, dann kommt sie anschließend in meine Arme um sich auszuruhen.

 

Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie sie die Welt sieht. Denn für sie ist alles neu. Was sie jetzt erlebt, so ist die Welt für sie. Wie wir ihr die Welt zeigen, so ist ihre Welt. Auch wie sie Kirche erlebt, lernt sie von uns, wie Glauben sich anfühlt, wie Gott ist.

Die Blumen, die sie sieht, sind die Blumen der Welt. Die Tiere sind die Tiere ihrer Welt. Wir Menschen sind die Menschen ihrer Welt. An uns lernt sie, wie alles ist, ob sie den Menschen vertrauen kann, ob die Welt es gut mit ihr meint, ob es Trost gibt und Fürsorge. An und von uns lernt sie alles: lieben, vertrauen, mutig sein, Schmerzen aushalten.

 

Ihre Welt könnte auch ganz anders aussehen! Wäre sie in einem anderen Land geboren, wäre ihre Welt anders, bei anderen Eltern, in einem anderen Haus.

Es ist faszinierend sich vorzustellen, alles wieder ganz neu zu sehen wie ein neugeborenes Kind. Vielleicht meint Jesus das, wenn er sagt: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, dann könnt ihr Gottes Reich nicht begreifen.“

 

 

Donnerstag, 19.4.2007

Wenn ich zurückdenke an den Ostersonntag, dann erinnere ich mich, dass es ein herrlicher Tag war. Voller Sonne, voller Gemeinschaft, voller Blumen und Vogelgesang.

Ich war in der Kirche in einem Familiengottesdienst, wir haben gesungen, wir haben die Ostergeschichte gehört.  Wir haben die Angst der Jünger miterlebt über das Sterben Jesu und das Entsetzen über das leere Grab. Und dann die Freude, dass Jesus lebt, dass Liebe stärker ist als der Tod.

 

In all der Trauer über den Verlust von Jesus wurde die Hoffnung neugeboren, dass der liebende Gott sich niemals abwendet.

Dass er sich vom Verrat des Judas nicht abhalten ließ, und auch nicht von den Verleugnungen des Petrus. Dass er keine Strafe schickte, weil keiner der Jünger Jesus zum Kreuz zu begleiten wagte. Dass er sich nicht beeindrucken ließ von der Müdigkeit der Jünger, die Jesus in seinen letzten Lebensstunden nicht unterstützen konnten.

 

In all der Trauer über den Verlust von Jesus, mitten im Entsetzen über seinen Tod wurde die Hoffnung neugeboren, dass der liebende Gott sich niemals abwendet. Die Freunde und Freundinnen Jesu haben nach seinem Tod erfahren: dieser Gott, den uns Jesus so nahe gebracht hat, dieser Gott lebt noch immer.

 

Er wendet sich uns zu durch den Tod hindurch, damals zu Ostern und auch uns heute immer wieder. Nichts können wir tun um das zu ändern.

 

 

Freitag, 20.4.2007

In der Bibel gibt es eine Geschichte von einem Mann, der Jesus fragt: „ Wie kann ich neugeboren werden? Ich kann doch nicht in den Körper meiner Mutter zurück gehen?“

 

Das ist doch eine interessante Frage: wie können wir neugeboren werden? Wie können wir mitten in unserem Leben, mitten in unserem Alltag das Gefühl bekommen: ich fühle mich ganz neu! Wie neugeboren! Denn wir können nicht von ganz vorne beginnen, wir können unsere Vergangenheit nicht ungeschehen machen, wir können nicht noch einmal wie ein Baby alles neu entdecken und neu sehen.

 

Dennoch ist die Erfahrung von etwas Neuem im Leben sehr schön. Nach einem langen, heißen Tag am Abend unter die Dusche steigen oder ein Bad nehmen und sich danach wie neugeboren fühlen.

Mitten in einer langen Beziehung immer wieder etwas Neues am Anderen entdecken und sich erinnern, dass die Liebe auch mal Verliebtheit war – und sich gemeinsam neugeboren fühlen.

Mit einer alten Freundin das Leben teilen und aufs Neue spüren: was immer ist, sie ist da für mich.

 

Jesus antwortet auf die Frage des Mannes, der neugeboren werden wollte ungefähr so: „Nicht dein Körper wird neu geboren, sondern deine Seele, dein Herz, dein Geist, wenn du deinen Gott kennen lernst, der dich liebt.“

 

 

Samstag, 21.4.2007

Endlich ist wieder Wochenende – mag so mancher vielleicht denken. Endlich wieder Zeit für mich, für die Familie. Endlich wieder Zeit! Um etwas zu tun, oder auch um nichts zu tun.

 

Auch Jesus hat sich immer wieder zurückgezogen. Hat seinen Freunden gesagt, dass er geht um zu beten, dass er dann quasi nicht erreichbar sein würde für die Anliegen der Welt. Die Menschen wollten das nicht so gern annehmen, sie sind ihm mit dem Boot hinterher gefahren, sie wollten ihn immer für sich haben. Dennoch hat Jesus dem nicht nachgegeben. Er hat sich zurückgezogen, hat Menschen abgewiesen, hat Grenzen gesetzt, die manchen nicht gefallen haben.

Nicht jeder wurde gesund zu seiner Zeit, nicht alles Unheil der Welt hat er zum Guten gewendet, er hat sich nicht zu jedem Zeitpunkt jedem Menschen zugewandt, der das von ihm verlangt hätte.

 

Jesus wusste um die Kraft der Ruhe, er wusste um die Kraft des Gebets und der Begegnung mit Gott. So dürfen wir auch hier von Jesus lernen. Wir dürfen uns zurückziehen, wir dürfen auch mal nein sagen, wenn wir noch dies und das und jenes tun sollten. Wir dürfen uns Zeit nehmen für die Ruhe, für das Gebet, für die Dinge, die unserem Leben Kraft und Lebendigkeit geben – auch wenn wir dafür manchmal anderen Grenzen setzen müssen.

Neu werden, sich neu fühlen, Neues denken, auf neues achten, einander neu begegnen – all das geht nur, wenn wir dem Beispiel Jesu folgen und selbst zur Ruhe kommen.