Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
„Zeit der Welt – Zeit des
Himmels“
von Pfarrer Michael Max (Neumarkt am Wallersee, Salzburg)
Sonntag, 22. April 2007
„Wir haben nicht alle Zeit der Welt – nein, wir haben viel mehr Zeit! Wir
haben alle Zeit des Himmels!“ Dieser vielleicht überraschende
Gedanke stammt von Erzbischof Alois Kothgasser. Er hat ihn an den
Beginn seines Hirtenbriefes für die heiligen vierzig Tage vor Ostern
gestellt. Ein Satz, der mir seither immer wieder nachgeht. Ein
voller Terminkalender oder ein unvorhergesehenes Ereignis, das einen
wohl geplanten Tagesablauf über den Haufen wirft, lassen es mich
immer wieder deutlich spüren: Wir haben tatsächlich nicht alle Zeit
der Welt. Angesichts dessen, was wir alles tun könnten, wen wir
alles besuchen könnten, welche Projekte wir in Angriff nehmen
könnten, haben wir „Zeit“ eigentlich in recht bescheidenen Dosen zur
Verfügung. Es gilt auszuwählen, Prioritäten müssen gesetzt werden.
Jeder Sonntag ist die Einladung, diese Auswahl nicht nach den
Kriterien des maximalen Gewinnes oder der effizientesten
Arbeitskraft zu setzen, sondern Menschen und Dingen Raum zu geben,
die mir die „Zeit des Himmels“ schenken.
Montag, 23. April 2007
Heute hat meine Schwester Geburtstag. Ein besonderer Tag für sie und auch
für mich. Denn ohne ihren Geburtstag wäre ich kein Bruder, sondern
ein Einzelkind. Geburtstage feiern heißt, sich erinnern. Inne halten
und daran denken, dass das Leben stets ein geschenktes bleibt, dass
Tag und Ort vom Anfang meines Daseins nicht von mir festgelegt
worden sind. Geburtstag feiern heißt, zurückschauen, auf das, was
geworden ist in meinem Leben, durch mich und durch andere, durch
Plan und Anstrengung, oder weil es mir einfach zugefallen ist.
Manche werden zurückschauen, und als Bilanz feststellen: Wieder ein
Jahr mehr. Manche werden in diesem jährlichen Zurückkommen an den
Anfang aber auch feststellen können: In all der Zeit meines Lebens,
die vergangen ist, gibt es auch so etwas wie einen goldenen Urgrund,
der mich hält und trägt, und auf dem ich getrost weiter gehen kann.
Für mich ist dieser Urgrund des Lebens Gottes Liebe, in der alles
Gute zusammengefasst ist. In diesem Sinne sei den Geburtstagskindern
von heute „Alles Gute“ auch gewünscht.
Dienstag, 24. April 2007
Dass Zeit etwas Relatives ist, sagt uns nicht erst Albert Einstein. Auch
in den Beziehungen zwischen uns Menschen wird Zeit gerne zum
schillernden Begriff. Die Palette reicht dabei von den Momenten, die
Ewigkeit verspüren lassen, bis hin zum Ablaufdatum, vor dem keine
auch noch so große Liebe gefeit scheint. In diese Spanne zwischen
Ewigkeit und Ablaufdatum hinein begeben sich in den kommenden Wochen
wieder viele Paare vor den Traualtären berühmter Hochzeits- oder
gewöhnlicher Pfarrkirchen. Im „Ja“, das sie zueinander sprechen
klingt etwas auf von dem Geheimnis unseres Lebens, das nur dann
wirklich Leben ist, wenn jemand „ja“ zu uns sagt, wirklich mich
meint, und nicht etwas, das ich in den Augen des oder der anderen
vielleicht sein sollte. „Ja“ sagen kann etwas Zeitloses werden, wenn
es nicht an einem besonderen Tag ein für allemal geschieht, sondern
jeden Tag aufs Neue gewagt wird.
Mittwoch, 25. April 2007
Heute ist der Tag des heiligen Markus. Unter seinem Namen finden wir die
wohl älteste Erzählung über das Leben Jesu im Neuen Testament. Dass
sein Wahrzeichen, der Löwe, heute eher als Blickfang einer großen
Versicherungsgesellschaft dient, lässt fast vergessen, dass die Art,
wie Markus von Jesus erzählt, alles andere ist, als eine
Garantieerklärung und Absicherung des Glaubens. Im Markusevangelium
bekommen die Menschen Zeit, sich mit Jesus und seiner Sendung
vertraut zu machen. Sogar die Apostel werden des Öfteren von ihrem
Meister gewarnt, ihn nicht vorschnell auf ein bestimmtes Bild oder
eine bestimmte Meinung festzulegen, und herum zu erzählen. Glaube
braucht Zeit! Wo dem Glauben Zeit gegeben wird, werden in all der
Zeit, die mir zwischen den Händen verrinnt wie der Sand, die
Goldkörner des Bleibenden gefunden.
Donnerstag, 26. April 2007
Heute ist es genau vierzehn Tage her, dass mich die überraschende
Nachricht vom plötzlichen Tod eines Freundes erschüttert hat. Er war
noch nicht 46 Jahre alt, als er seine Augen hier auf Erden für immer
schließen musste. In der Mitte seiner Tage hat Gott der Herr sein
Leben zu Ende gewoben, in diesem Gedanken aus einem Psalm des Ersten
Testamentes klingt das Ereignis in mir weiter. Erst im Tod wird
unser Leben endgültig. Erst am Ende wird gültig, was während der
Tage in dieser Welt an Lebendigem gewachsen ist. Der Schnittpunkt,
an dem sich die Zeit dieser Welt und die Zeit des Himmels die Hand
geben ist für uns Menschen mit Trauer, Schmerz, Angst und Abschied
verbunden. Und doch weiß das alte Psalmenlied auch von einem, der
auf dem Webstuhl des Lebens den seinen Faden der Liebe nicht
ausgehen lässt. Ein Faden, der auch im Tod nicht reißt, und der so
zur Richtschnur wird für das am Ende Gültige.
Freitag, 27. April 2007
Osterzeit nennt die Kirche die Wochen zwischen Ostern und Pfingsten, in
denen wir uns gerade befinden. Genau 50 Tage sind es, die eigentlich
ein einziger, großer Festtag sind. In der Natur wird in diesen Tagen
die Welt neu. Wir Menschen können nur staunen und uns darüber
freuen, mit welcher verschwenderischen Vielfalt an Farben und Formen
die Erde Woche für Woche ihr Kleid wechselt. Die Welt wird neu, das
Leben wird neu – und: Es bleibt neu. Das ist die Botschaft von
Ostern: In all dem Werden und Vergehen, das auch unser eigenes
Dasein umfasst, bleibt das Leben immer neu. Ostern und die Osterzeit
ist der Widerstand gegen die Versuchung, mit dem Leben, mit den
Menschen fertig zu werden. Irgendwann einmal genug zu haben und
genug zu wissen. Ostern ist die Zeit des ganz Anderen und der
Überraschungen. Wo wir Menschen fertig zu sein glauben, fängt Gott
erst an.
Samstag, 28. April 2007
Vielleicht sind Sie heute zu einer
Taufe eingeladen. Samstage sind ja gerne Termine für Feiern, bei
denen es wichtig ist, dass möglichst viele Freunde und Verwandte
Zeit haben, um dabei zu sein , um mitzufeiern. Im neuen Leben, das
gerade vor wenigen Wochen begonnen hat, soll von Anfang an spürbar
sein: Du bist nicht allein, wir machen uns mit dir auf den Weg ins
Leben, du bist ein Teil unserer Geschichte und wir möchten ein Teil
der deinen sein So tauchen wir dich auch hinein in die große
Liebes-geschichte zwischen Gott und den Menschen . So klein du auch
bist, du bist wichtig denn ohne dich wäre diese Geschichte nicht
vollständig. Wie dich das Wasser der Taufe einhüllt - voller
Lebenskraft , voller Reinheit, voller Frische - so berührt dich Gott
im Moment deiner Taufe. Hier auf der Erde wirst du zwar nicht alle
Zeit der Welt haben, aber das macht nichts, denn in dir ist die Zeit
des Himmels schon angebrochen.
|