Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Gerald Gump, Schwechat

 

  

Sonntag, 29.4.2007

„Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen…!“ (Offb 7,17b). So endet die heutige 2. Lesung in der katholischen Mess-Liturgie.

 

Tränen abwischen: Das kenn’ ich ganz gut! Ich kann mich noch gut erinnern, wie meine Mutter mir die Tränen liebevoll trocknete als der 5er im Semesterzeugnis fix war. Und von der grauenvollen Nacht meines Blinddarm-Durchbruches: Da weiß ich kaum mehr etwas, außer meinen neben mir sitzenden Vater, der mich umsorgte, als ich mich unter Bauchschmerzen gewunden habe.

 

Tränen abwischen… - sehr viele Erlebnisse fallen mir da nicht ein - und seit der Zeit, wo ich erwachsen bin, noch weniger. Es sind ja nur ganz wenige Menschen, die mir die Tränen abtrocknen dürfen. Schließlich ist’s doch etwas ganz Persönliches & Intimes, das zärtliche Trocknen von Tränen…

 

Und dann diese Lesung aus der Bibel: „Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen…!“ Die heutige Bibelstelle macht mir richtiggehend spürbar, wie zärtlich Gott ist…

 

 

Montag, 30.4.2007

In einer Chassidischen Legende erzählt Rabbi Mosche Löb: Wie man die Menschen lieben soll, habe ich von einem Bauern gelernt. Der saß mit anderen Bauern in einer Schenke und trank. Lange schwieg er wie die anderen alle; als aber sein Herz von Wein bewegt war, sprach er seinen Nachbarn an: "Sag du, liebst du mich oder liebst du mich nicht?" Jener antwortete: "Ich liebe dich sehr." Er aber sprach wieder. "Du sagst, ich liebe dich, und weißt doch nicht, was mir fehlt. Liebtest du mich in Wahrheit, du würdest es wissen." Der andere vermochte kein Wort zu erwidern, und auch der Bauer, der gefragt hatte, schwieg wieder wie vorher.

 

Im Blick auf den heutigen Tag gehe ich davon aus, dass ich durchaus mit einigen Menschen zusammen komme, die ich wirklich gerne habe. Natürlich kann ich mich nicht jedem Menschen gleich eine halbe Stunde widmen: Es wartet der Beruf, der nächste Kunde, das Kochen oder Sonstiges. Aber vielleicht könnte ich’s schaffen, heute zumindest einem Menschen wirkliche Aufmerksamkeit zu schenken; einmal auf das „Wie geht’s?“ nicht nur das „Danke gut!“ zu erwarten, sondern wirklich hin zuhorchen…

Zumindest bei einem…

 

 

Dienstag, 1.5.2007

1. Mai – Tag der Arbeit. Ich war kein guter Lateinschüler, aber ich weiß zumindest noch, dass „Arbeit“ im Lateinischen „negotium“ heißt; „Otium“ bedeutet Muße, Freiheit und Ruhe und die Arbeit, „neg-otium“, die Nicht-Ruhe, ist eben das Gegenteil.

 

Tag der Arbeit – Tag der Nichtruhe, der Nichtfreiheit? Letztlich kann ich damit nicht viel anfangen… - Arbeit als „Nicht-Freiheit“?

 

Die Bibel hat zur Arbeit dagegen einen ganz anderen Zugang. Gott setzt den Menschen schon auf den ersten Seiten der Bibel zum Arbeiten ein, aber nicht als freiheitsberaubende Knechtung, sondern zum kreativen Mitgestalten der Welt. Arbeit als Möglichkeit der Entfaltung: Ich kann mich engagieren, etwas bewegen, Chancen verwirklichen und Wesentliches mitgestalten. Arbeit nicht als „Nicht-Muße“ wie bei den Römern, sondern als Chance, kreativ etwas zu verwirklichen!

 

Es ist ein schöner Tag, dieser Tag der Arbeit und ich bin Gott dankbar, dass ich mich engagieren, eben „arbeiten“ kann…

 

 

Mittwoch, 2.5.2007

Heute ist die Hälfte der 50tägigen Osterzeit vorbei. Ja, fast nicht zu glauben: Im kirchlichen Feiern ist Ostern nicht schon Wochen vorüber, sondern gerade einmal zur Hälfte gefeiert.

 

Natürlich: Die Erholung der Osterferien ist schon längst verflogen, an Schifahren erinnern nicht einmal mehr die ja schon längst geheilten blauen Flecken. Der Alltag ist schon wochenlang wieder eingespielt, ja der Sommer rückt spürbar heran. Und doch: Erst die halbe Osterzeit ist um…

 

Eigentlich schön: Die zu Ostern gefeierte Auferstehung ist kein weihrauchbedufteter Festgedanke, sondern betrifft meinen Alltag. Jesus begegnet als Auferstandener seinen Jüngern in Galiläa am Ort ihres Alltags. Dann beginnt Ostern Wirklichkeit zu werden: Nicht wenn die Eier schön gefärbt, der Schinken gut duftend und die Familienfeste am Höhepunkt sind, sondern wenn mitten in meinem Alltag statt trostloser Dunkelheit, die tiefe Gewissheit Platz greift, dass das Leben und der Lebendige siegen!

 

 

Donnerstag, 3.5.2007

Vater unser im Himmel, geheiligt werde Dein Name!

Dein Reich komme, Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben…

 

Na ja, mit Einschränkung. Vergeben klingt ja gut – doch wie jemandem verzeihen, der mich tagtäglich weiter demütigt - und dafür noch alle Möglichkeiten einsetzt, die er in seiner Machtposition hat... Nein - ich kann ihm nicht verzeihen! Solange das Unheil weitergeht, würde mein Verzeih'n ja heißen, dass es so bleiben darf - es würde all seine Brutalität legitimieren und einzementieren.

 

Nein, Herr, hilf mir nicht, ihm zu verzeihen, sondern hilf zuerst einmal, dass dieses Unheil endlich aufhört! Hilf mir, dass ich ihn auch in seiner Angst sehen kann, in seiner eigenen Unsicherheit und in seinen verkrüppelten Sehnsüchten, die ihn dazu bringen, sich so brutal Bestätigung zu holen. Hilf mir, dass - auch wenn sich heute noch nichts ändern wird – ich all diesen Kampf überleben kann - und er endlich aufhört! Zuerst einmal: „Schaff mir Recht, mein Gott!“ (Ps 7,9) Vielleicht kann ich ihm dann irgendwann einmal verzeihen - nachdem die Wunden vernarbt und der Schmerz verebbt ist - aber sicher nicht davor!

 

 

Freitag, 4.5.2007

Floriani-Messen, Feuerwehraufmärsche, Zeltfeste der FFW… - um den heutigen Tag herum, den Gedenktag des Heiligen Florian, haben sie natürlich Hochsaison. Was hat’s mit diesem so populären Heiligen auf sich?

 

Unzählige Legenden und Traditionen ranken sich um ihn. Als historischer Kern bildet sich ein Mann aus dem heutigen Oberösterreich heraus, der als Christ im römischen Heer des 3. Jahrhunderts keinen leichten Stand hatte. Weil er gefangenen Christen half, daher dann selbst eingekerkert wurde und nicht bereit war, seinem Glauben abzuschwören, wurde er gefoltert und ermordet. Der Heilige Florian, ein Mann der für seine Überzeugung stand - und nicht beim leichtesten Gegenwind kapitulierte. Der Heilige Florian ist so genannter Schutzpatron der Feuerwehrleute, also jener Frauen und Männer, die anderen auch in oft großen Gefahren helfen.

 

Das passt. Aber ich denke, er ist auch Schutzpatron jener Menschen, die zu ihrer Überzeugung stehen und bereit sind, dafür auch etwas einzusetzen – er z. B. sein Leben!

 

 

Samstag, 5.5.2007

„Wer ist der Mensch, der Lust hat am Leben?“ (Ps 34,13) – so heißt es in einem alten Psalmwort in der Übersetzung von Martin Buber.

 

Ein spannendes Thema: „Die Lust am Leben“! Und das in einer Zeit, wo es modern ist, gestresst oder überfordert zu sein, genug zu haben oder von Problemen (welcher Natur und Hintergründe auch immer) aufgefressen zu werden und darüber zu jammern.

 

Benedikt von Nursia, der Vater des Abendländischen Mönchstums, soll diese Frage Menschen gestellt haben, die in sein Kloster eintreten wollten. Christliches Leben ist keine Welt-Abkehr sondern ein Christ wendet sich erst recht dem Leben zu!

 

Ich habe Lust auf den heutigen Tag! Natürlich weiß ich nicht, was er bringen wird, habe keine Ahnung, welche tollen Seiten er bieten, oder Schrammen hinterlassen wird. Manches macht mir jetzt schon Bauchweh, vieles wird so ganz einfach „dahinplätschern“, manches wird großartig sein – wie immer.

 

Aber: Ich freue mich auf diesen Tag und bin dankbar, dass Gott ihn mir geschenkt hat…