Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Helga Kohler-Spiegel, Theologin aus Feldkirch / Vorarlberg

 

 

Sonntag, 6.5.2007

Im vergangenen Jahr hat der Film „Wie im Himmel“ über eine Million Menschen ins Kino gelockt. „Wie im Himmel“ erzählt von einem weltberühmten Dirigenten, der nach einem schweren Kollaps in sein schwedisches Heimatdorf zurückkehrt, um sich von der Welt zurückzuziehen. Aber er wird Kantor in dieser kleinen Gemeinde - und entdeckt die Musik neu. Und mit ihr entdeckt er die Menschen, ihre Sorgen, ihre  Nöte - und ihre Herzen. Er wird glücklich - „wie im Himmel“.

 

In Kindertagen kennen das wohl viele Menschen, mit sich und der Welt eins zu sein, zufrieden zu sein, im Spiel, in der Natur. Im Verlauf des Lebens kann es sein, dass wir die „Melodie unseres Lebens“ zugedeckt oder verloren haben. Und manchmal - wie in diesem Film - gelingt es, die Melodie des Lebens zu finden, wieder zu finden. Vielleicht haben Sie heute - am Sonntag - ein wenig Zeit für Musik, Zeit, ein paar Melodien zu hören - und auch auf ihre eigene Melodie zu achten. Vielleicht liegt darin ein Moment des Glücks.

 

 

Montag, 7. Mai 2007

Der Montagmorgen ist irgendwie ein besonderer Morgen. Für viele Menschen beginnt wieder eine Arbeitswoche, diejenigen, deren Aufgabe Familie und Haushalt ist, sind vielleicht froh, dass die anderen nun wieder in der Firma oder in der Schule sind...... Der Montagmorgen ist irgendwie ein besonderer Morgen - jede Woche von Neuem.

 

Wenn Ihnen der Montagmorgen gerade Mühe macht - der Salzburger Theologe und Schriftsteller Gottfried Bachl hat ein schönes Bild:

 

„ Irgendwann

aus allem Heulen

und Stöhnen heraus

wirst du uns helfen,

das Lachen anzustimmen,

das hüpfende

restlose,

goldene Lachen.“

 

Wir kennen ja verschiedenes Lachen, jemanden anlachen, auslachen, über jemanden lachen, mit jemandem lachen und und und..... Gottfried Bachl spricht von einem „hüpfenden, restlosen, goldenen Lachen“, irgendwann wirst du uns helfen, dieses goldene Lachen anzustimmen“:

 

Gerade am Montagmorgen wünsche ich Ihnen, dass Sie schon jetzt manchmal lachen können, richtig herzhaft und gelöst lachen können.

 

 

Dienstag, 8. Mai 2007

Bei Petrus Ceelen, Seelsorger im Großraum Stuttgart habe ich den Text gefunden:

 

Wenn es dir schlecht geht,

mach dir keine Sorgen -

das geht vorüber.

 

Wenn es dir gut geht,

mach dir keine Sorgen -

das geht vorüber

 

Eigenartig - dieser Text.

Es stimmt, ich weiß es auch, dass schwere Zeiten vorbeigehen. Aber ich weiß auch, dass die schönen Stunden enden, dass glückliche Momente vorüber gehen. Was uns bleibt, sind die inneren Bilder, die Erinnerung daran. Diese inneren Bilder können wir herholen, wir können in sie eintauchen.

 

Aber dieser Text von Petrus Ceelen erinnert mich vor allem daran, in der Gegenwart zu leben. Vielleicht gelingt es mir heute, nur für Momente nach rückwärts und vorne zu schauen. Vielleicht gelingt es mir heute, in der Gegenwart zu leben. Vielleicht muss ich mir dann weniger Sorgen machen.


 

Mittwoch 9. Mai 2007 

Es gibt manchmal Tage, die sind eher stumm, als gingen Worte verloren. Nicht, dass ich nicht schwätzen kann, plaudern, mich unterhalten. Wahrscheinlich merkt gar niemand, dass es ein stummer Tag ist. Die Schweizer Autorin Birgit Keller bringt in ganz knappen Worten diese Erfahrung auf den Punkt.

 

Karger Tag

will nicht

stumm sein

die Haut ist

stumm

was vermag da

der Mund

 

Manchmal macht uns ein karger Tag dünnhäutiger, manchmal macht uns ein karger Tag aufmerksamer auf die Momente, an denen wir selbst verstummen. Und sensibler für Menschen rund um uns, die verstummt sind, die zwar noch schwätzen und plaudern, aber im Blick auf ihre eigenen Gedanken und Gefühle verstummt sind.

 
 

Donnerstag, 10. Mai 2007

In einem frühen Wörterbuch der französischen Sprache heißt es: „EMOTION: Außergewöhnliche Bewegung, die Körper und Geist aufrührt und das Temperament oder das Gleichgewicht des Gemütes stört.“ Eine Emotion ist also eine Bewegung, eine plötzliche Reaktion des gesamten Organismus, die unseren Körper, unseren Geist und unser Handeln betrifft.

 

Emotionen, so habe ich gelesen, werden durch körperliche Empfindungen ausgelöst, der Körper reagiert z. B. auf ein Erschrecken. Sekunden später erst empfinden wir die Angst. Ich spüre die körperliche Bewegung, die körperliche Veränderung - und ich merke, dass ich Ärger spüre, Freude, Ekel.

Und ich dachte bei mir, ich möchte heute die Gefühle, die in mir sind, nicht übergehen, sondern spüren, ich möchte achtsam sein, welche bei mir heute auftauchen.....

 
 

Freitag, 11. Mai 2007

Es ist nicht einfach,  zwischen Emotionen, Gefühlen und Affekten zu unterscheiden. Das muss uns heute am frühen Morgen auch nicht weiter interessieren. Aber wussten Sie, dass umstritten ist, welche und wie viele Gefühle es genau gibt? Haben Sie sich schon überlegt, wie viele Gefühle Sie kennen?

 

Lange Zeit wurden die Gefühle in vier Hauptgruppen eingeteilt: Angst (auch Verzweiflung), Ärger (auch Wut), Freude und Trauer. Charles Darwin nannte 1872 sechs Basis-Emotionen: Freude, Überraschung, Traurigkeit, Angst, Ekel, Zorn. Andere nennen auch Vergnügen, Verachtung, Neid, Sympathie, Mitleid, Zufriedenheit, Liebe, Verlegenheit, Stolz, Genugtuung, Enttäuschung, Überraschung, Scham, Eifersucht, Minderwertigkeitsgefühl, Verachtung, Schuldgefühl und und und......

 

So oder so - ich wollte Sie heute Morgen ein wenig hellhörig machen auf die Vielfalt der Gefühle. Denn es ist ja spannend, welche verschiedenen Gefühle im eigenen Alltag vorkommen. Vielleicht gibt es auch in Ihrem Alltag, etwas von dieser Vielfalt?

 

 

Samstag, 12. Mai 2007

Wenn der Muttertag näher rückte, waren wir als Kinder immer beschäftigt, die Bastelarbeiten fertig zu stellen, uns vor allem für das Frühstück am Muttertag zu organisieren. Aus heutiger Sicht etwas eigenartig, einmal im Jahr - Muttertag.

 

Heute wird mir rund um den Muttertag vielmehr deutlich, wie viel ich in meinem Leben nicht selber gemacht habe, wie viel mir einfach geschenkt wurde - von Eltern und Großeltern, Geschwistern, Verwandten, später auch von Freundinnen und Freunden, vom Partner - und vielen anderen. Es tauchen Menschen vor meinem inneren Auge auf, Bilder, Szenen, die ich erlebt habe. Das heißt nicht, dass alles nur einfach, nur angenehm, nur schön gewesen wäre. Und es gibt auch negative Erfahrungen, die belasten und das Leben einschränken. Und doch - der nahende Muttertag erinnert mich daran, dass ich nicht geworden wäre, was ich bin, ohne all das, was mir mitgegeben wurde.

 

Es macht mich dankbar - zu wissen, wie viel ich anderen verdanke.