Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

„Das Licht Christi scheint auf alle. Hoffnung für Erneuerung und Einheit in Europa“

von Oberkirchenrätin Dr. Hannelore Rainer

 

 

Sonntag, 13.5.2007

Das Licht Christi über Hermannstadt

Das Bild begleitet mich seit geraumer Zeit: Ein weit geöffnetes Tor, das den Blick frei gibt auf Hermannstadt in Siebenbürgen. Schmucke Barockfassaden an stattlichen Bürgerhäusern sind zu erkennen. Kirchturm reiht sich an Kirchturm und lässt eine bunte Vielfalt an christlichem Leben in der Stadt erahnen. Alles ist in ein warmes, freundliches Licht getaucht, das die Spuren von längst fälligen Renovierungsmaßnahmen gnädig zudeckt.

Hier wird vom 4. bis zum 9. September dieses Jahres die Dritte Europäische Ökumenische Versammlung stattfinden unter dem Leitwort: Das Licht Christi scheint auf alle. Über 2000 Delegierte aus allen Teilen Europas werden die Stadt fast aus allen Nähten platzen lassen.

Ich aber schaue durch das offene Tor und denke an Elfriede, eine junge Mutter, die im Schatten der mächtigen Stadtpfarrkirche wohnt. An verschiedenen Universitäten Europas hatte sie studiert, hochbegabt und gewandt in vier Sprachen. Sie aber entschied sich, in Hermannstadt zu bleiben, bei ihrer Familie, bei ihren Wurzeln. Menschen wie Elfriede sind es, die ein kleines Stück unserer Welt in ein warmes Licht tauchen, weil sie selbst unter Christi Licht leben.

 

 

Montag, 14.5.2007

Das Licht Christi über den Kirchen Europas

Die Versammlung europäischer Kirchen in Hermannstadt im September dieses Jahres ist nicht die erste ihrer Art. Bereits im Mai des denkwürdigen Jahres 1989 haben sich die Kirchen Europas zum ersten Mal zu einer ökumenischen Versammlung in Basel getroffen. Ein Prozess wurde damals angestoßen, der bis heute nicht abgeschlossen ist – die Besinnung auf Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung in dieser Welt.

1997 kam es zu einer zweiten Ökumenischen Versammlung in Graz, nahe der Grenze zum Balkan. Das Thema „Versöhnung – Gabe Gottes und Quelle des Lebens“ drängte sich fast von selber auf, angesichts der offenen Wunden des gerade zu Ende gegangenen Kriegs in Ex-Jugoslawien.

Es sind also keine speziellen Glaubensthemen, die bei diesen ökumenischen Versammlungen primär behandelt werden. Christen ganz unterschiedlicher Herkunft erklären sich solidarisch mit ihren Menschengeschwistern, die unter Unfrieden und Ungerechtigkeit zu leiden haben. Mit ihnen gemeinsam suchen sie nach menschenfreundlichen Lebensbedingungen. Das Osterlicht, das Jesus Christus in dieser Welt aufleuchten ließ, gibt dabei die Richtung vor.

 

 

Dienstag, 15.5.2007

Das Licht Christi über der Begegnung mit Menschen aus anderen Religionen

Am Friedhof einer österreichischen Kleinstadt sollte ein Gedenkstein für tot geborene Kinder errichtet werden. Alle christlichen Kirchen wurden dazu eingeladen. Plötzlich wurde die Frage laut: Und was ist mit den Kindern von muslimischen Eltern? Deren Schmerz ist doch ebenso groß! So wurde auch die muslimische Gemeinde vor Ort zur Feier am Gedenkstein geladen. Aber: „Bei uns ist gerade der Fastenmonat Ramadan, da können wir leider nicht mitmachen“, so die schlichte Antwort. „Erst nach dem Sonnenuntergang wäre es möglich …“ Zwei religiöse Welten stießen aufeinander. Kurzerhand wurde die Feier auf 18 Uhr verlegt. Christen und Muslime der Stadt gedachten gemeinsam vor dem Stein der nicht zum Leben gekommenen Kinder und deren Eltern und anschließend luden die Muslime zu einem Imbiss in ihre Gemeinde ein.

Die dritte Europäische Ökumenische Versammlung in Hermannstadt wird solche Beispiele von gelungenen Begegnungen zwischen Juden, Muslimen und Christen aufzeigen. Nicht die allgegenwärtige Gewalt soll das letzte Wort behalten. Unter dem Licht Christi kann eine gemeinsame Sprache gefunden werden, die hilft, die jeweiligen kulturellen Brüche und Hindernisse zu überwinden.

 

 

Mittwoch, 16.5.2007

Das Licht Christi über den Armen Europas

Fast jeden zweiten Tag steht er da am Straßenrand, der kleine freundliche Bub von etwa 8 Jahren. Seine Finger sind nicht gerade sauber, aber sein Lächeln lockt etliche Käufer und Käuferinnen herbei. Im Hintergrund steht eine Frau, schon an ihrem Äußeren als Roma zu erkennen. Ihr Sohn sollte eigentlich um diese Zeit in der Schule sein, aber die Mutter ist angewiesen auf das Geld, denn da sind noch vier weitere Kinder im Haus zu versorgen. Ihr Mann hat schon lang keine Arbeit mehr. Seinen Frust ertränkt er im Alkohol mit einem Teil jenes Geldes, das Frau und Sohn vom Markt heimbringen.

Romaelend in Rumänien, ganz ähnlich auch in Ungarn und erst recht in der Slowakei. Romafamilien zählen zu den ärmsten Menschen in Europa. Die Delegierten in Hermannstadt werden mit der Not dieses Volkes konfrontiert werden. Sie werden nach Mitteln und Wegen suchen, um dem 8jährigen Dan und vielen anderen Romakindern eine Schulbildung zu ermöglichen und ein menschenwürdiges Leben für ihre Familien.

Denn das Licht Christi leuchtet gerade in die dunklen Winkel unseres Kontinents hinein um zu helfen und zu erneuern.

 

 

Donnerstag, 17.5.2007

Das Licht Christi über der Jugend Europas

Wenn es bei der dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung um Hoffnung für Europa gehen soll, darf die Jugend nicht fehlen. Nahezu alle Kirchen spüren, dass die Jugendlichen mit der überkommenen Frömmigkeit und den tradierten Ritualen nur mehr wenig anfangen können. Viele scheinen sich von den Kirchen auch nichts mehr zu erwarten. Sogar jene, die mit Überzeugung und Engagement Christ sein wollen, stellen fest, dass sich ihre Lebenswelt kaum in den kirchlichen Angeboten widerspiegelt. Unter Christi Licht aber werden die Nöte der heutigen Jugend kreuz und quer durch Europa sichtbar. Die unbegleiteten jungen Flüchtlinge, die bei uns und in anderen Teilen Westeuropas ein neues Zuhause suchen; die vielen arbeitslosen jungen Menschen, die am Sinn ihres Daseins zu zweifeln beginnen und auch jene, die schon als Kinder keinerlei Geborgenheit erfahren haben und Vergessen in Alkohol und anderen Drogen suchen. Dies alles zu sehen, ist schon ein erster, wichtiger Schritt.

Der heutige Himmelfahrtstag erinnert Christen jeder Generation daran, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist, den Glauben lebensnah zu bezeugen unter der tröstlichen Verheißung der Gegenwart Christi bis ans Ende der Welt.

 

 

Freitag, 18.5.2007

Das Licht Christi über der ganzen Schöpfung

Das Leitwort der dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung von dem Licht Christi, das auf alle scheint, ist abgeleitet von einem Wort aus dem Johannesevangelium, wo Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Die Welt aber ist größer als unser Kontinent. Darum dürfen die Christen Europas nicht bloß auf den eigenen Erdteil schauen. Internationale Verflechtungen im Wirtschafts- und Finanzbereich sind längst an der Tagesordnung. Die drohende Klimaveränderung betrifft die ganze Welt. Es wird darauf ankommen, dass Kirchen und Gemeinden vor Ort beginnen, das zu leben, was Christus ihnen zutraut, nämlich: Licht der Welt zu sein. Das kann in vielerlei Weise geschehen. Ein kleines Beispiel dafür entsteht in Hermannstadt. Jene Delegierten, die per Flugzeug kommen, werden freiwillig einen höheren Flugpreis zahlen. Aus diesem Geld wird in einem öden Stadtteil ein kleiner Wald gepflanzt, eine lebendige Erinnerung an die dritte Europäische Ökumenische Versammlung.

Gewiss, nur ein kleines Zeichen, aber viele solcher Zeichen können das Gesicht der Welt verändern.

 

 

Samstag, 19.5.2007

Das Licht Christi strahlt auf in der Liturgie

Mit Rumänien haben sich Europas Kirchen für ihre dritte Ökumenische Versammlung bewusst für ein überwiegend orthodoxes Land entschieden.

In Österreich sind in den letzten Jahrzehnten orthodoxe Christen aus ganz unterschiedlichen Herkunftskirchen heimisch geworden. Wer einen Gottesdienst in orthodoxer Liturgie mitfeiert, ist angezogen von den Gesängen und beeindruckt von der Spiritualität. Die fremde Sprache, Griechisch oder Russisch, lässt einen anderen Frömmigkeitsstrom erahnen, der vielleicht uns Christen und Christinnen aus dem westlichen Teil Europas neue Impulse zu schenken vermag. Umgekehrt werden auch die orthodoxen Kirchen durch die Begegnung mit jenen des Westens mehr Offenheit und Verständnis für deren Anliegen und Nöte gewinnen müssen.

Das Thema der dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung vom Licht Christi, das auf alle scheint, ist ein Satz der orthodoxen Osternachtsliturgie. Die Hoffnung auf die Kraft der Auferstehung Christi verbindet alle christlichen Kirchen in ökumenischer Weite und drängt auf ein würdiges Leben für alle.