Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
"Paul Gerhardt"
von
Pfr. Wolfgang Olschbaur, Bregenz
Sonntag, 10. Juni 2007
Paul
Gerhardt hat Kirchenlieder geschrieben.
Na
denn! Aber man sollte ihn nicht
unterschätzen. Jetzt erst kommt heraus, dass
ihn
eigentlich recht viele kennen. Seine Lieder
haben
die Kirchenmauern längst übersprungen.
"Geh
aus mein Herz und suche Freud", ist fast
zu
einem Sommer-Hit geworden. "Nun ruhen
alle
Wälder ...", damit sind Generationen von
Kindern behutsam in den Schlaf gewiegt
worden.
"Die
güldne Sonne, voll Freud und Wonne"
ist
ein wahrer Muntermacher.
Mit
"O Haupt voll Blut und Wunden, voll
Schmerz und voller Hohn" kann man tiefste
Stunden seines Lebens durchstehen.
Unglaublich, wie seine Liedtexte wirken! Sie
sind
zwar nicht spektakulär, dafür aber
nachhaltig. Wenn man bedenkt, dass sie
vor
350 Jahren entstanden sind! Mit ihnen
kann
man leben. Heute noch.
Dieter Falk, der Popmusiker, hat unlängst
eine
CD produziert "A Tribut to Paul
Gerhardt". "Aufs erste kommen seine
Texte
altertümlich daher", schreibt er im
Booklet, "aber dann bleiben an einem
unglaublich kernige Aussagen kleben".
Die
Jazzinterpretin Sarah Kaiser ist mit
Hip-Hop
und Soul aufgewachsen.
Der
Text eines Paul-Gerhardt-Liedes hat
sie
eines Tages getroffen und getröstet,
ganz
persönlich und poetisch!
"Befiehl du deine Wege
und
was dein Herze kränkt,
der
allerbesten Pflege
des,
der den Himmel lenkt.
Der
Wolken, Luft und Winden
gibt
Wege, Lauf und Bahn,
der
wird auch Wege finden,
da
dein Fuß gehen kann."
Jetzt
tourt sie mit Paul-Gerhardt-Songs
durch
Deutschland.
Montag, 11. Juni 2007
Bei
Gerhardts, daheim in Gräfenhainichen,
wurde
viel gebetet.
Aber
gerochen hat es nach Landwirtschaft
und
Bier. Der Vater betrieb einen Hof und
eine
Gastwirtschaft. Er braute und war
zeitweise Bürgermeister. Die Mutter
stammte aus einer Pfarrersfamilie.
Zu
schnuppern gab es für den jungen Paul
und
seine Geschwister noch anderes. Da
roch
es nach frisch gebackenem Brot,
nach
Kuchen und eingelagerten Früchten.
Das
alles hat etwas mit Vertrautheit zu tun,
mit
Verlässlichkeit.
Aber
dann zerbrach die Idylle. Der Vater
starb. Zwei Jahre später auch die Mutter.
Der
12jährige kam ins Internat, studierte
dann
Theologie und Poesie in Wittenberg,
wurde
ewig nicht fertig, war Hauslehrer
und
heiratete die Tochter seines Vermieters.
Als
dichtender Pfarrer in Berlin machte er
sich
einen Namen. Er lebte während des
30jährigen Krieges. Das bedeutet Verwüstung,
Krankheit und Tod. Seine Frau starb nach
13
Jahren Ehe. Nur eines von fünf Kindern
hat
ihn überlebt.
In
einem seiner Texte heißt es:
"Mich
hat auf meinen Wegen
manch
harter Sturm erschreckt;
Blitz, Donner, Wind und Regen
hat
mir manch Angst erweckt."
Trotzdem hat sich Paul Gerhardt seinen
Glauben, seine Hoffnung, seine Liebe
bewahrt. Sein Leben steht für Trost und
Trotz, für beides.
"Ist
Gott für mich so trete
gleich alles wider mich;
sooft
ich ruf und bete,
weicht alles hinter sich."
Paul
Gerhardts Balladen vom guten Ausgang
sind
ein kräftiger Einspruch gegen alle
Resignation.
Dienstag, 12. Juni 2007
"Das
Leben ist kein Schokki!", sagen die
Kinder unserer Schweizer Nachbarn. Sie
meinen damit, dass das Leben ganz schön
schwer sein kann. Nicht nur für Kinder. Ein
Blindgänger, der meint, keine Probleme zu
haben!
Paul
Gerhardt hat zur Zeit des 30jährigen
Krieges gelebt. Er kennt Zerstörung, Hunger,
Tod
und Pest. Bis auf einen Sohn, sind ihm
alle
gestorben. Seine Frau, sein Bruder, die
Kinder. Das Leben beißt wie ein Hund!
Wie
konnte dieser Mensch mit seinen
Extremerfahrungen zum großen Tröster
werden für so viele - bis in unsere Tage hinein?
Die
Menschen bestehen auf ihrem Glück. Sie
fordern es ein - und das möglichst sofort. Aber
gibt
es ein Recht auf Glück? Für Paul Gerhardt
keine
Frage. Zum Menschsein gehört auch der
Mangel an Glück. Leid und Schmerzerfahrungen
machen den Menschen erst zum Menschen.
"Solang ich denken kann,
hab
ich so manchen Morgen,
so
manche liebe Nacht
mit
Kummer und mit Sorgen
des
Herzens zugebracht."
Gott
ist für ihn nicht einfach der "liebe" Gott, der
jedes
Leid verhindert, sondern der, der hilft, es zu
tragen.
"Ich
wandre meine Straße,
die
zu der Heimat führt,
da
mich ohn alle Maße
mein
Vater trösten wird."
Keine
Flucht ist das in ein besseres Jenseits,
sondern eine Hoffnung,
die
stark macht für das Leben hier und heute, für
ein
Leben mit Defiziten, aber liebenswert.
Mittwoch, 13. Juni 2007
Kann
man Zahnschmerzen mit einem Nasenspray
bekämpfen?
So
läppisch klingt es, wenn man hört, was Ärzte
im
30jährigen Krieg gegen die Pest verschrieben
haben. Von magischen Räucherstäbchen über
zerriebene Arnikawurzeln bis hin zum Schlangengift.
Auch
das Singen gegen den Tod wurde als Arznei
empfohlen!
Tatsächlich ist der Bedarf an Liederbüchern in der
Pestzeit gestiegen.
Paul
Gerhardt hatte einen Musiker zum Freund.
Johann Crüger. Wäre er nicht gewesen, hätten
sich
die Texte des Dichterpfarrers nicht so schnell
verbreitet. Man sang Paul Gerhardt mit Crügers
Melodien gegen die Angst und gegen den Tod. Seine
Lieder konnten das Elend zwar nicht verhindern, aber
sie
konnten es erträglicher machen.
Noch
heute wissen sich Menschen angesichts des
Todes
aufgehoben in Gott. Und die Gerhardtschen
Texte
erweisen sich als behutsame Begleiter:
"Ich
bin ein Gast auf Erden
und
hab hier keinen Stand,
der
Himmel soll mir werden,
da
ist mein Vaterland.
Hier
reis ich bis zum Grabe,
dort,
in der ewgen Ruh,
ist
Gottes Gnadengabe,
die
schließt all Arbeit zu."
"Ich
bin ein Gast auf Erden", das ist an einem Tag
voller Pläne ein sachtes Anklopfen und die
Erinnerung daran, dass alles einmal enden wird.
Wer
die Kunst des Abschiednehmens erlernt hat,
wer
Vergänglichkeit einbedenkt, darf fröhlich und
frei
- ja gelassen - seinen Weg gehen.
Den
Himmel muss er nicht erzwingen, er kommt
ganz
einfach auf ihn zu!
Donnerstag, 14. Juni 2007
Der
30jährige Krieg hat seine Spuren hinterlassen.
Geblieben ist dem Pfarrer und Poeten nur ein
einziger Sohn, Andreas. Der war noch ein Kind.
Ihm
hat er ein Testament gewidmet. Es sind
eigentlich zusammengefasste Lebenseinsichten
und
Regeln, die auch heute noch eine gewisse
Bedeutung haben könnten.
"Meinem ... Sohne überlasse ich von irdischen
Gütern wenig, dabei aber einen ehrlichen Namen,
dessen er sich sonderlich nicht wird zu schämen
haben."
-
Folge nicht böser Gesellschaft, sondern dem
Willen Gottes!
- Tue
nichts Böses, in der Hoffnung, es werde
nicht
bemerkt!
- Sei
nicht zornig, schweige lieber oder bete!
-
Wenn du einmal heiratest, heirate mit Gott und
gutem
Rat, frommer,
treuer und verständiger Leute!
- Tue
den Menschen Gutes, auch wenn sie dir
nichts Gutes tun!
-
Fliehe den Geiz wie die Hölle, sei zufrieden mit
dem,
was du mit gutem
Gewissen erworben hast!
"Daneben bitte ich von Grund meines Herzens,
Gott
wolle mir, wenn mein Stündlein kommt, eine
fröhliche Abfahrt verleihen, meine Seele in seine
väterlichen Hände nehmen, - und dem Leibe eine
sanfte Ruhe in der Erde bis zu dem lieben
jüngsten Tage bescheren ..."
Dann
ist er gestorben, hat sich vorher noch
getröstet mit einem Gedicht und ist begraben
worden. Auf einer Inschrift ist zu lesen: "Paulus
Gerhardt, der Theologe, erprobt im Sieb Satans,
hernach fromm gestorben zu Lübben ..., im 70.
Lebensjahr."
Freitag, 15. Juni 2007
"Morgenstund
hat Gold im Mund", dieses
Sprichwort unserer Großeltern hat heute kaum
Konjunktur. Und das Buch "Vom Glück des
Erwachens" bleibt auch meistens liegen in der
Bibliothek.
Aber
stellen Sie sich bitte vor, Sie wären heute
Morgen nicht erwacht. Ich krame in Erinnerungen.
Gab
es da nicht Tage, wo ich mich wie ein "Kind
zur
Weihnachtsgabe" gefreut habe, aufzuwachen?
Erwachen heißt zum Leben erwachen. Und Glück
ist
es nur, wenn es einen freundlich anlacht, wenn
man
es liebt, das Leben.
Der
Wecker als Todfeind. So fängt der Tag ja
meistens an. Und dann der Spiegel im
Badezimmer. Das soll ich sein? So liebt mich
Gott,
mit meinen verdrückten Augen, Bartstoppeln
oder
Haarstränen im Gesicht?
Paul
Gerhardt hat ein Lied geschrieben für den
Morgen. Einen wahren Muntermacher. Nicht
jeder
wird gleich am Morgen singen können
oder
wollen. Aber vom Sinn her, wäre das ein
guter
Start in den neuen Tag:
"Die
güldne Sonne, voll Freud und Wonne
bringt unsern Grenzen mit ihrem Glänzen
ein
herzerquickendes, liebliches Licht".
Paul
Gerhardt hat viele "Sonnenlieder"
geschrieben. Die Sonne als Lebensspender,
als
Quelle der Freude, als Gnade der Natur,
als
Symbol für das Licht, das Jesus in die Welt
gebracht hat.
"Es
ist mir immer, als ginge mir die Sonne auf,
wenn
der Name Paul Gerhardt in mein
Gedächtnis tritt", schreibt der Dichter Rudolf
Alexander Schröder.
Für
wen geht heute eigentlich die Sonne auf,
wenn
er an Sie denkt?
Samstag, 16. Juni 2007
Paul
Gerhardt, der Dichterpfarrer, der die Gabe
hatte, Gott mit dem Alltagsleben zusammen zu
bringen, ist weniger bekannt als sein berühmter
Sommergesang:
"Geh
aus, mein Herz, und suche Freud
in
dieser schönen Sommerzeit
an
deines Gottes Gaben;
schau
an der schönen Gärten Zier
und
siehe, wie sie mir und dir
sich
ausgeschmücket haben!"
Da
schickt er also sein Herz auf Reisen. Der
Sommer macht es leicht.
Und
was es da alles zu sehen gibt! Bäume
voller Laub, bunte Gärten, Blütenpracht, Tiere,
groß
und klein, Bäche, Wiesen ... Das Herz
geht
ihm auf und der Mund über. Es sprudelt
nur
so heraus. Weil aber das Herz bekanntlich
mehr
sehen kann als das Auge, erkennt er
hinter allem Gottes gute Gabe, das Wunder
der
Schöpfung.
Schau
an! - fordert er sein Herz auf. Man muss
schon
genau hinschauen,
denn
die Freude kann sich auch verstecken.
Beim
Anblick der bedrohten Natur z.B.,
ausgebeutet, vermarktet, entstellt. Man fragt
sich,
ob Paul Gerhardt nicht einfach ein zu
sonniges Gemüt gehabt hat.
Aber
er schreibt knapp nach dem 30jährigen
Krieg. Die Erde war noch verbrannt. Ein Kind
ist
ihnen gerade gestorben. Für seine Frau
schreibt er dieses Sommerlied! Es soll ihr
gehen
wie dem Noah, der nach der Sintflut
aus
der Arche steigt, den Regenbogen über
sich
sieht und weiß: Das Leben kann noch
einmal beginnen!
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