Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Elisabeth Rathgeb, Seelsorgeamtsleiterin aus Innsbruck

 

 

Sonntag, 17. Juni 2007

Gesucht: Menschen mit Herz

Geh, wohin dein Herz dich trägt...

So lautet ein Buchtitel von Susanna Tamaro.

Wohin trägt uns unser Herz?

Ein Herz für andere haben: Für Kinder, für Tiere, für die Umwelt.

Menschen mit Herz sind gefragt. Beherzte Menschen, die sich einsetzen für andere, die sich nicht kaltherzig abwenden. Wer sich ein Herz fasst, kann herzhaft zupacken: Er kann andere aufwerten statt abwerten, aufrichten statt abstempeln. Warmherzige Menschen haben es nicht nötig, andere zu Sündenböcken zu machen. Sie nehmen sich ihre eigenen Schwächen zu Herzen und hängen sie nicht anderen an.

Beherzte Menschen sind lebendige und leidenschaftliche Kämpfer für eine bessere Welt. Auch, wenn ihnen manchmal das Herz bricht, sind sie deswegen nicht herzlos. 

"Gib mir ein hörendes Herz", heißt es in der Bibel. Ein Herz, das hellhörig ist - ein Herz, das nicht taub und stumm ist. Menschen mit hörenden Herzen sind gefragt.

"Gib mir ein Herz aus Fleisch, nicht aus Stein" - auch das ist eine Bitte aus der Bibel. Wer ein Herz aus Stein in der Brust hat, wird zwar nicht an Herz-Schmerz leiden, er kann aber auch nicht lieben.

Wer hingegen sein Herz verschenkt, gewinnt die Liebe.

Viele Bergfeuer auf Tiroler Gipfeln haben letzte Nacht brennende Herzen gezeigt:

Ein "brennendes Herz" als Symbol für die Liebe Gottes zu den Menschen.

 

 

Montag, 18. Juni 2007

Auge um Auge: Vom Risiko der Blindheit

"Kurz vor seiner Ermordung am 30. Jänner 1948 wandte sich Mahatma Gandhi ein letztes Mal an eine riesige Menschenmenge. Massaker zwischen Hindi und Muslimen hatten in Kalkutta mehr als 5000 Menschen das Leben gekostet. Die aufgebrachte Menge schrie nach Rache. Gandhi sagte zu ihnen: "Ihr wollt euch rächen? Auge um Auge? Tut das, und bald wird die ganze Menschheit blind sein ..." (Zitiert nach Jean Ziegler, Das Imperium der Schande, S. 45).

Auge um Auge, Zahn um Zahn: Nach dieser Devise funktionieren noch heute Kriege im Irak, in Israel und Palästina und vielen anderen Krisenherden der Welt.

Die Spirale der Gewalt dreht sich aber auch in alltäglichen Beziehungsstreitigkeiten nach diesem Muster: Aug um Auge, Zahn um Zahn.

Wie entkommt man dem Kreislauf der Gewalttätigkeiten?

Schon vor 2000 Jahren hat Jesus ein Alternativ-Programm in 2 Stufen propagiert:

1. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

2. Liebe deine Feinde.

Schon Stufe 1 "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ist eine ziemliche Herausforderung. Stufe 2 "Liebe deine Feinde" ist zumindest für mich meistens eine Überforderung. Aber die Richtung ist klar: Der Weg aus der Gewalt führt nicht über Rache und Gegengewalt.

Karl Heinrich Waggerl formuliert es alltagstauglich: "Wer verurteilt, kann irren. Wer verzeiht, irrt nie."

 

 

Dienstag, 19. Juni 2007

Tag der Dankbarkeit

Die Unicef hat folgende Berechnung angestellt: Allen Kindern auf der Welt zwischen 6 und 15 Jahren eine Schulbildung zu ermöglichen, würde zusätzlich ungefähr 7 Milliarden Dollar pro Jahr in den nächsten 10 Jahren kosten.

Dieser Betrag ist geringer als das, was die Einwohner der USA jährlich für Kosmetikprodukte ausgeben. Und: Er ist geringer als das, was die Europäer jährlich für Eiscreme ausgeben. (Zitiert nach Jean Ziegler, Imperium der Schande, S. 84)

Mein Kosmetikprodukt-Verschleiß ist ziemlich gering, dafür der Eiscreme-Verbrauch umso höher: Soll ich jetzt auf beides verzichten?

Undankbarkeit ist die Wurzel alles Bösen. Sagt Ignatius von Loyola, der Gründer

der Jesuiten, vor 500 Jahren. Dankbarkeit hingegen nimmt nichts für

selbstverständlich. Dankbarkeit weiß den Wert der Dinge zu schätzen.

Dankbarkeit weiß auch, dass vieles ein Geschenk ist und nicht unser Verdienst.

Dankbarkeit ist die Wurzel alles Guten und damit die Voraussetzung für

Gerechtigkeit: Wer erkennt, dass es ein großer Glücksfall ist, in Österreich

geboren zu sein, und nicht in der Sahelzone, wird bereitwilliger teilen.

Wer erkennt, dass es ein Privileg und kein Verdienst ist, in einem der reichsten

Länder der Welt zu leben, wird hellhöriger für die Nöte der anderen.

Daher mache ich den heutigen Tag zum Tag der Dankbarkeit, genieße mein Eis und helfe der Caritas so gut es geht beim Helfen.

 

 

Mittwoch, 20. Juni 2007

Sein statt Design

Stefan, Anfang 50, hat eine steile Karriere gemacht. Jetzt, am Ziel seiner Wünsche, merkt er plötzlich, dass ihm das alles nicht mehr viel bedeutet:

"Ich war ein Haben-Mensch. Karriere, Erfolg, Geld - das waren meine Ziele. Jetzt entdecke ich, dass ich darüber das Sein vergessen habe. Das will ich jetzt nachholen. Und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass ich nicht nur funktioniere, sondern wirklich lebe. Es ist wie eine Abenteuer-Reise zu mir selbst." Stefan ist selber im Marketing tätig. Sein Job ist es, Dinge gut zu verkaufen: Wichtig ist die perfekte Verpackung, das neue Design, der schöne Schein. Der Inhalt ist Nebensache. Design statt Sein.

Für Stefan ist inzwischen klar, dass es in eine Sackgasse führt, wenn er diese Grundsätze aus dem Marketing auch zu seinen Lebens-Leitlinien macht: "In mir war nur noch Leere."

Jetzt will er mehr auf innere Stärke und Sicherheit und weniger auf Selbstmarketing wert legen: Sein statt Design, ist sein neues Lebens-Motto.

Dabei orientiert er sich auch wieder neu an biblischen Leitlinien:

Dort findet er die Ermutigung zum Sein, zur inneren Freiheit - vor jeder Leistung und trotz jeder Schuld. Ansehen bei Gott haben - das macht unabhängig und frei.

Wer sich von Gott geliebt weiß, muss nicht um jeden Preis um äußere Anerkennung kämpfen.

Sein statt Design, vielleicht auch ihr Markenzeichen?

 
 

Donnerstag, 21. Juni 2007

Wir trauen uns

"Wir trauen uns." So steht es derzeit auf vielen Hochzeits-Anzeigen.

Wir trauen uns, bedeutet in den allermeisten Fällen: "Wir heiraten".

Man könnte aber auch heraus lesen: "Wir wagen es" - wir sind mutig und gehen das Risiko ein. Oder: "Wir vertrauen uns".

Sich jemandem anvertrauen und zu jemandem Vertrauen haben ist ein Wagnis. "Sagen Sie Ja" ist nicht nur in der Werbung ein Joker.

Aber wer wagt, gewinnt. Denn Beziehungen, die mit einem Mißtrauens-Vorschuss starten, können nicht wachsen.

Sogar im Straßenverkehr gibt es den "Vertrauens-Grundsatz": Ich kann darauf vertrauen, dass die anderen VerkehrsteilnehmerInnen ihren Beitrag zu einer gelungenen Straßenverkehrs-Beziehung leisten.

Wenn dem nicht so wäre, müßte ich an jeder grünen Ampel stoppen und abwarten, ob die anderen auch wissen, dass sie Rot haben: Stellen Sie sich das Verkehrs-Chaos vor!

Was im Straßenverkehr logisch ist, gilt auch für menschliche Beziehungen.

Und was im Straßenverkehr gut ist, ist auch für die Beziehung zu Gott eine hilfreiche Verkehrsregel: Vertrauensgrundsatz statt Mißtrauensvorschuss.

Wir alle können darauf vertrauen, dass Gott seinen Beitrag leistet, noch bevor wir selber einen Finger gerührt haben.

Sagen Sie einfach Ja!

 

 

Freitag, 22. Juni 2007

Glücklich leben

"Seid allzeit bereit, glücklich zu leben und glücklich zu sterben. Das eigentliche Glück findet ihr, wenn ihr andere glücklich macht. Versucht die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als ihr sie vorgefunden habt. Führt andere zum Glück und werdet selbst glücklich dabei." Das schreibt Robert Baden-Powell, der Gründer der Pfadfinder, in seinem Abschiedsbrief.

Ein glückliches Leben - das wünschen wir uns wohl alle. Und zahlreiche

Ratgeber-Bücher sagen uns, wie's geht: Vom Glücks-Stein bis zum Glücks-Käfer, vom Glücks-Klee über den Glücks-Keks verheißen alle möglichen Dinge Glück wie durch Zauberhand.

Da ist es bei den Pfadfindern schon anstrengender: "Jeden Tag eine gute Tat!" Damit ist klar, dass es keinen einsamen Weg zum Glück gibt: Der Weg zum Glücklichsein führt vom Ich zum Du. "Alles Leben ist Begegnung", sagt Martin Buber.

Der Weg zum Glück nimmt Mitmensch und Umwelt in den Blick. Er führt nach unten, in die Tiefe - zu den Wurzeln und nach oben, in die Höhe - zu einem größeren Du.

Jeden Tag eine gute Tat: Damit sammelt man Schätze von der Art, wie sie das heutige Tages-Evangelium meint.

Schätze, die nicht gestohlen oder zerstört werden können.

Schätze, die nicht unfrei und eng machen, die fesseln und festhalten: Schätze, die frei und glücklich machen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

 

 

Samstag, 23. Juni 2007

Nicht sorglos, aber sorgenfrei leben

"Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: Entweder so, als wäre nichts ein Wunder oder so, als wäre alles eines. Ich glaube an Letzteres."

Das sagt kein geringerer als Albert Einstein.

Einstein, der große Naturwissenschaftler, rechnet also mit Gott. Denn wo es Wunder gibt, muss es auch jemanden geben, der für sie zuständig ist und das ist für Einstein nicht "Mister Zufall".

Alles ist ein Wunder - nichts ist selbstverständlich. Gott sorgt sogar für die kleinsten Dinge, sagt der Evangelist Matthäus - für das Gras auf dem Feld, die Farbenpracht der Lilien und den freien Flug der Vögel am Himmel. Deshalb ist auch klar, dass er sich um den Menschen sorgt.

Sorgt euch nicht um morgen!

Wer das trotzdem tut, ist ein Kleingläubiger, einer oder eine, die keinen Glauben hat. Nach dieser Definition muss ich mich da wohl ziemlich oft selber dazu zählen...

Macht euch keine Sorgen! Sorgt euch nicht um morgen!

Wer sich auf Gott verlassen kann, ist seine Sorgen los.

Sollen wir also sorg-los leben? Nein, verantwortungsvolles Handeln ist weiterhin gefragt.

Aber wir können mit Gott rechnen: Menschen, die das tun, zeichnen sich durch eine große innere Freiheit und Gelassenheit aus.

Denn "wo der Geist ist, ist Freiheit". Gott sorgt für uns. Deshalb können wir sorgen -frei leben - jeden Tag ein bisschen mehr.