Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Msgr. Ernst Pöschl (Eisenstadt)
Sonntag, 24.6.2007
Wenn
ich am frühen Morgen durch den Garten meines Elternhauses gehe, kann
ich manchmal den Tau bewundern, der sich auf den Blumen angesammelt
hat – ist die Sonne bereits aufgegangen, dann glitzern die
Tautropfen in bunten Farben. Der Tau ist ein Geschenk, das die
Blumen leben lässt. Das habe ich immer wieder auf der Insel Patmos
in Griechenland erlebt. Es gibt dort kaum Niederschläge. Bedingt
durch die Nähe des Meeres gibt es auf dieser kleinen Insel am Morgen
sehr viel Tau, der die Blumen aufleben lässt.
Woran mich ein solcher
Tau erinnert? Wenn ich alles, was mir begegnet, so annehmen kann,
dass es vom Vater im Himmel kommt, dann kann jedes Ereignis sein wie
ein solcher Tau, der mich erfrischt und leben lässt.
Wenn es sich um ein
erfreuliches Ereignis handelt, wird mein Herz mit Freude erfüllt und
blüht gleichsam auf. Ich danke Gott dann für seine Güte. Oft kommt
mir dabei der Satz aus dem Psalm 103 in den Sinn: Lobe den Herrn,
meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
GETAN HAT.
Und wenn es etwas ist,
das sehr unerfreulich ist und mich traurig stimmt, dann sage ich
mir: Es ist trotzdem ein Geschenk Gottes, auch wenn ich es im
Augenblick nicht erkennen kann. Wenn ich bereit bin, auch dieses
Erlebnis anzunehmen, dann kann ich darin auch meine eigenen
Verletzungen und Irrtümer erkennen. Ist es nicht erstaunlich, woran
ein solcher Tau am Morgen erinnern kann?
Montag, 25.6.2007
Anna ist fünf Jahre alt.
Wenn ich nach Hause komme, fragt sie mich immer wieder: „Onkel
Ernst, hast du etwas für mich zum Auspacken?“ Mit großer Sorgfalt
packt sie alles aus und verteilt es an alle, denen es gehört. Dabei
denkt sie nicht nur an sich selbst.
Wenn ich in einer stillen
Stunde nachdenke, stehen alle diese Dinge vor mir, die mir Gott
schon geschenkt hat. Begegnungen mit Menschen, Aufgaben, an die ich
nie gedacht hätte. So ist mir bewusst, dass mir Gott schon viele
Geschenke gemacht hat, die ich nur nach und nach auszupacken
brauchte. Im Matthäusevangelium spricht Jesus vom Vater im Himmel,
der uns reich beschenkt: Wenn schon ihr, die ihr böse seid, euren
Kindern gute Gaben zu geben wisst, um so mehr wird es euer
himmlischer Vater tun. (Mt. 7, 11)
Wenn wir es lernen, Gott
für die kleinen Dinge zu danken, die er uns geschenkt hat, dann
werden wir auch lernen, ihm für die großen Dinge, die er uns immer
wieder schenkt zu danken. Ist es nicht schade, wenn wir in der Eile,
in der wir im Alltag dahinlaufen, das alles nicht bemerken?
Vielleicht gibt es in den Urlaubstagen eine stille Stunde, in der
wir uns an all das erinnern.
Das Lieblingslied der
kleinen Anna ist „Danke Jesus, danke Jesus“. Sie hat es verstanden,
dass wir alles Jesus verdanken und dass wir uns über seine Geschenke
freuen dürfen.
Dienstag, 26.6.2007
Seit ich zum ersten Mal
Gelegenheit hatte, ans Meer zu fahren, fasziniert mich dieser
Anblick. Nicht das Wasser an sich ist es, damit habe ich als
12Jähriger keine guten Erfahrungen gemacht. Ich wäre nämlich in
einem Teich, in einem Bombentrichter beinahe ertrunken. Warum ich
stundenlang das Meer betrachten kann? Das ist die fast unendliche
Weite, die sich mir bietet. Kein Ufer ist am Horizont zu erblicken,
nur das Meer. Dazu die verschiedenen Blautöne des Meeres. Sie lassen
seine Tiefe erahnen. Das Meer kann aber verschiedene Gesichter
haben. Heute ist es still, wenn sich kein Wind regt, wie ein weiter
See, in dem sich die Sonne spiegelt. Ein anderes Mal ist es ganz
stürmisch, wenn die Wellen von einem Orkan aufgepeitscht werden. Die
weißen Wipfel der Wellen waren schon einen Tag vorher für mich das
Zeichen, dass das Meer stürmen wird. Wenn ich die Augen schließe,
höre ich das rhythmische Anschlagen der Wellen am Ufer, unermüdlich,
in ständig gleichen Abständen. Ein anderes Mal wieder brechen sich
mit großem Getöse die hohen Wellen am felsigen Ufer. Das Meer trägt
die Schiffe – vom kleinen Segelboot bis zum gewaltigen Ozeanriesen.
Das Meer ist auch der Lebensraum zahlloser Fische. Wenn sie aber ans
Ufer geschleudert werden, gehen sie zugrunde.
So ist für mich das Meer
ein eindrucksstarkes Bild für die Unendlichkeit Gottes, für seine
Güte, seine Geduld mit uns Menschen.
Mittwoch, 27.6.2007
Einer, der sich immer
schon gewünscht hat, reich zu werden, hat einen Traum. Er träumt von
einem Schatz, verborgen im Kamin eines Wohnhauses. Er ist überzeugt,
dass er ihn weit weg von zu Hause – in der Ferne – finden wird. Er
macht sich auf die Suche. Spät abends, in einer fremden Stadt, wird
er von einem Polizisten angehalten. Weil er keinen Ausweis bei sich
hat und somit verdächtigt wird, beschließt er, ihm seine Geschichte
zu erzählen. Der Polizist hört ihm aufmerksam zu, und sagt dann:
„Merkwürdig, ich habe auch so einen Traum gehabt und habe mir sogar
den Namen des Besitzers des Hauses gemerkt. Aber wie ich es finden
kann, wenn so viele diesen Namen tragen und ich nicht den Ort
kenne.“ Der Mann, der sich auf die Suche gemacht hatte, erkennt
seinen eigenen Namen. Er fährt nach Hause und findet im Kamin des
Wohnzimmers verborgen den geträumten Schatz. Was diese schlichte
Geschichte sagen will?
Viele sind auf der Suche
nach dem Glück, nach einem solchen Schatz. Sie hoffen immer wieder,
dass sie ihn finden werden. Vielleicht im Lotto oder bei irgendeiner
anderen Chance. Haben diese Mitmenschen schon einmal daran gedacht,
dass sie überall dort nicht suchen müssen? Das echte Glück können
wir gerade dort finden, wo wir leben, in unserer nächsten Umgebung.
Es geht nur darum: wir müssen überzeugt sein, dass es dort wirklich
zu finden ist.
Donnerstag, 28.6.2007
Solange ich in die Schule
gegangen bin, hatte ich immer wieder den Eindruck, die Zeit will
einfach nicht vergehen. Jetzt, da ich den Siebziger bereits
überschritten habe, merke ich, wie rasch die Zeit vergeht. Dabei ist
mir bewusst, dass mein irdisches Leben im Vergleich zur Ewigkeit
sehr kurz ist. Wie lange die Ewigkeit ist? Sie hat kein Ende. Das
können wir uns gar nicht vorstellen.
Beim Anblick des weiten
Meeres ist mir im Urlaub ein Gedanke gekommen:
Wie viele Tropfen hat
dieses Meer, das vor mir liegt, dessen Tiefe ich gar nicht kenne?
Ein Liter davon hat etwa 25.000 Tropfen. In Gedanken sind alle Meere
und Ozeane der ganzen Welt eine schier unendliche Anzahl von
Tropfen. Jeder Tropfen bedeutet, sagen wir – ein Jahr der Ewigkeit,
so habe ich es mir vorgestellt. Jesus hat einmal gesagt: „Wer an
mich glaubt, hat das ewige Leben.“ Somit hat das ewige Leben des
Himmels schon für uns begonnen, wenn wir an Jesus glauben. Himmel
bedeutet Freude – und diese Freude kann bereits auf Erden beginnen.
Bei der Betrachtung des
weiten Meeres ist in mir dieser Gedanke aufgestiegen: Wenn mein
Leben hundert Jahre dauern sollte, das wären 100 Tropfen, die in
einer kleinen Welle ans Ufer gespült werden. Aber alle Tropfen der
weiten Ozeane und Meere wären erst die erste Sekunde der Ewigkeit.
Freitag, 29.6.2007
Wenn ich am frühen Morgen
mit meinem Auto unterwegs bin, begegnen mir auf Seitenstraßen immer
wieder Jogger, Radfahrer oder andere Mitmenschen, die sich einfach
bewegen wollen, weil es gut für ihre Gesundheit ist. Ich habe
Respekt vor dieser Konsequenz, mit der manche etwas für ihre
Gesundheit tun. Dann frage ich mich manchmal, ob diese Mitmenschen
auch an ihre Seele denken. Braucht nicht auch die Seele eine
bestimmte Zeit?
Ich finde, es wäre ganz
wichtig, wenn man auch sagen würde: Das ist die Zeit für meine
Seele! Der Mensch besteht aus Leib und Seele.
So wie wir beim Gehen
jeweils einen Schritt nach dem anderen setzen, sollte es nicht auch
da so sein? Einen Schritt für den Leib, einen Schritt für die Seele.
Immer wieder sehe ich,
dass Menschen gemeinsam laufen oder Rad fahren. Ich kenne manche,
die zusammengefunden haben, um miteinander zu beten. Manche treffen
sich regelmäßig zu einem Gebetskreis.
Ich persönlich finde die
Zeit am Morgen am besten dafür geeignet, um etwas für meine Seele zu
tun. Das Gebet erlebe ich immer wieder als eine froh machende
Begegnung mit Gott. Zugleich ist dies für mich so etwas wie eine
Erholung. Daher mache ich auch die Erfahrung, dass mir diese Zeit
nicht für die Arbeit abgeht, wenn ich früher aufstehe. Ganz im
Gegenteil: eine solche Erholung für die Seele hilft mir sehr für die
Aufgaben an diesem Tag.
Samstag, 30.6.2007
Vor 47 Jahren kam ich als
Kaplan in die Bergkirche in Eisenstadt-Oberberg. Auf dem Altarbild
der Kirche wird der Besuch von Maria bei ihrer Tante Elisabeth
dargestellt. In diesen Tagen noch vor dem Fest Maria Heimsuchung,
das wir in der nächsten Woche feiern werden, habe ich mich in die
Betrachtung dieses Bildes vertieft. Maria war voll Freude darüber,
dass ihr der Engel berichtete, dass ihre Tante Elisabeth noch in
ihrem hohen Alter einen Sohn zur Welt bringen wird. Maria reiste
eilends, das heißt wohl, sobald sie sich einer Karawane anschließen
konnte, zu ihrer Verwandten Elisabeth. Die Reise von Nazareth in die
Nähe von Jerusalem, die drei bis vier Tage dauerte, konnte sie
damals als Mädchen kaum alleine unternehmen. Als Wohnort von
Elisabeth wird in der Überlieferung Ain Karim, das heißt Quelle der
Weinberge, etwa sechs Kilometer von Jerusalem genannt. Beim Gruß
Marias spürt Elisabeth eine Lebensregung des Kindes in ihrem Leib.
Sie deutet diesen Vorgang als Wirken des nahenden Messias, den Maria
unter ihrem Herzen trägt. Elisabeth erkennt in Maria die Mutter des
Messias und preist sie selig, weil sie den Worten des Engels
geglaubt hat. Maria antwortet mit einem Lobpreis Gottes. Maria lenkt
das Lob von sich ab auf ihn hin. Ihm allein gebührt die Ehre. Er hat
sich als Retter erwiesen. Drei Monate bleibt Maria im Haus des
Zacharias. Sie ist also auch deshalb gekommen, um ihrer
hochschwangeren Verwandten behilflich zu sein. So wird sie wohl erst
nach der Geburt des Johannes heimgekehrt sein.
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