Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Hans Peter Premur (Krumpendorf, Kärnten)

 

 

Sonntag, 1.7.2007

Ich möchte in diesen Tagen über das Element Wasser mit ihnen gemeinsam nachdenken. Heute, wie jeden Sonntag, spielt Wasser in der Kirche eine besondere Rolle. Denn wer zu einem Gottesdienst geht, und damit einen Kirchenraum betritt, greift nach altem Brauch mit den Fingerspitzen ins Weihwasserbecken. Mit dem gesegneten Nass an den Finger bekreuzigen wir uns. Die Katholische Kirche sieht in diesem, fast zur automatischen Handlung gewordenen Griff, eine große Chance. Jedes Mal wenn Weihwasser unsere Stirn benetzt und wir Christen dabei den Namen des Dreifaltigen Gottes anrufen, können und sollen wir uns daran erinnern, dass wir Getaufte sind. Im Taufritual ruft der Priester aus: „aus Wasser und Geist wird dir neues Leben geschenkt.“ Ein Leben, das reingewaschen ist von Angst und Frustration. Ein Leben, das nicht nur den Kampf um das stärker als andere sein kennt, sondern ein Leben, das im Innersten um die Kraft Gottes weiß, die die Welt im neuen und morgendlichen Glanz erstrahlen lassen kann. Jedes Mal wenn ich bei einem Gottesdienst die Menschen mit dem Weihwasser besprenge, sehe ich eine instinktive Scheu vor dem benetzt werden. Manche ducken sich sogar weg, so als ob eine gefährliche Säure zu befürchten wäre. Doch gerade heute, an diesem Sonntag lade ich sie ein, die Kraft dieses Wassers bewusste aufzunehmen. Es hat die Kraft uns an unser Christ sein zu erinnern.

 

 

Montag, 2.7.2007

Was würden wir tun, wenn wir heute kein Wasser für die Morgentoilette hätten. Wenn die Leitungsrohre aus irgendeinem Grund trocken bleiben. Wahrscheinlich würden wir an der Sicherheit unserer zivilisatorischen Errungenschaften zweifeln, wir würden vielleicht Aggressionen auf die öffentliche Wasserversorgung bekommen, auf jeden Fall würden wir das Trockenbleiben unserer Leitungen als höchst problematisch empfinden. Wir könnten uns nicht den Schlaf aus den Augen wischen, das Gesicht nicht erfrischen und die bleiernen Glieder durch keine Kneippanwendung aufmuntern.

In so einem Moment würde uns die Kostbarkeit und die Bedeutung des alltäglichen fließenden Wassers erst recht bewusst werden. Hoffentlich tritt diese Notsituation heute für sie nicht ein. Trotzdem dürfen wir uns aber die Wichtigkeit des kühlenden Nass vor Augen führen. Nur wer sich dieser Kostbarkeit bewusst ist, wird dem Wunder Wasser gerecht. Schon Franz von Assisi hat dieses bedeutungsvolle Wunder gespürt und in seinem Sonnengesang von der Schwester Wasser gesungen. Als erfrischender und köstlicher Quell lobt sie in ihrer Bewegung den Schöpfer. Seien auch wir Gott gegenüber für das Wasser dankbar und gehen wir bewusst und fröhlich mit unserer kostbaren Schwester um.

 

 

Dienstag, 3.7.2007

Sie kennen wahrscheinlich den Spruch: „Wer zur Quelle kommen will, muss gegen den Strom schwimmen!“ Eine Quelle zu erreichen ist also nicht leicht. Ja wann waren sie das letzte Mal ganz bewusst an einer Quelle? Diesen Anblick vergisst man nicht so leicht. Sie ist wie ein archetypisches Urereignis, das die Menschen zu aller Zeit beflügelt und positiv berührt hat. Manche Religionen kennen etwa gute Geister, die an Quellgründen wohnen und die wie Wächter dieses heiligen Ortes erachtet werden. Auf jeden Fall sind dies Plätze, die einen im Innersten berühren.

In vergangenem Juni konnte ich die Quelle der Soča oder des Isonzo, wie der Fluss auf italienisch heißt, sehen. Dieser Fluss ist uns Österreichern aus den Geschichtsbüchern her bekannt und ist trotz der Tragödien, die im Ersten Weltkrieg dort stattgefunden haben, eines der schönsten Gewässer der Welt. Mit Farben, die der Karibik um nichts nachstehen, schlängelt er sich abwechselnd sanft oder urgewaltig durch die Karstlandschaft.  Er ist wahrhaftig ein Wasser des Staunens. Doch wer seine Quelle sieht, wird regelrecht andächtig. Aus einem Felsspalt, wie durch ein großes Tor, bricht aus einem unterirdischen tiefblauen See sich der Fluss aus der Bergwand. Dieses Erlebnis bestätigt den alten Spruch: Suchen wir nach den Quellen.

 

 

Mittwoch, 4.7.2007

Lange Zeit hat man gedacht, der Planet Mars sei ein Wüstenplanet. Rot und heiß und von Stürmen durchweht galt er als staubtrocken. Nun aber haben neueste Erkenntnisse aus der unbemannten Raumfahrt uns eines Besseren belehrt. Man hat Spuren von Wasser gefunden und dort wo Wasser ist, ist auch Leben. Damit ist nun, was den Mars betrifft, das Tor für viele Spekulationen offen. Eines aber scheint sicher, dass unsere Vorstellung von Leben ohne das kostbare Nass nicht auskommt. In der Bibel lesen wir immer wieder von seiner lebenspendenden Kraft – aber auch von seiner Kraft zu vernichten. So wird in der Offenbarung des Johannes vom alles heilenden Wasser gesprochen und Moses berichtet uns von der vernichtenden Gewalt der Sinnflut. Diese Ambivalenz des Wassers erlebt der Mensch, seit es ihn gibt, täglich. Auch heute noch. Manchmal ist zuviel davon da und ganze Landstriche erleben Überschwemmungskatastrophen. Ein anderes Mal wieder sind die Tage so trocken, dass von einer Dürre gesprochen wird. Dann sind die Lebenskräfte der Pflanzen gefährdet und wenn die Ernten bedroht sind, ist auch unser Leben in Gefahr. Extreme und Harmonie im Wasserhaushalt der Erde können wir Menschen nicht direkt beeinflussen. Das Wasser mit seinen Kräften hat aber eine Wirkung auf uns. Es kann uns ehrfürchtig machen vor dem Geheimnis der Schöpfung und uns den Schöpfer des Lebens ahnen lassen.

 

 

Donnerstag, 5.7.2007

Wenn es heute Winter wäre, würde ich mich nicht aufs Eis freuen. So aber, weil es sicher heiß werden wird, werde ich heute meine Eiswürfel in meine Saftmischungen geben. Ich werde ein mit Eis gekühltes Getränk genießen. Seitdem wir Menschen in der Lage sind, die Aggregatzustände des Wassers auch zum Kühlen zu benutzen, erfreuen sich Millionen von durstigen Genießern, ich bin auch einer davon, an dem Geklimper der gefrorenen Wasserwürfel in unseren Gläsern. Doch wie jeder weiß, hat das Eis die Tendenz zu schmelzen. Was in den Trinkgläsern kein Grund zur Aufregung ist, wird im globalen Zusammenhang betrachtet, immer mehr zum Problempunkt. Das Schmelzen der Eiskappen an beiden Polen, das Zurückgehen unseres Gletschereises und des Permafrostes machen nun nicht mehr nur Experten Kopfzerbrechen, sondern verunsichern in zunehmendem Ausmaß breite Bevölkerungsschichten. Erderwärmung von Menschenhand gemacht, scheint der Grund dafür. – Vielleicht kann uns das Klimpern der Eiswürfel in unseren Gläsern wach läuten. Wir Menschen haben nicht nur die Verantwortung darüber, ob unser Kühlschrank zu Hause funktioniert, sondern das Weiterbestehen der ganzen Welt ist mehr in unsere Hand gelegt denn je. Die Bewahrung der Schöpfung auch für die nächsten Generationen, ist uns Christen aufgetragen. Unser Umgang mit Wasser spielt dabei eine große Rolle.

 

 

Freitag, 6.7.2007

Immer wieder höre ich die Aussage, dass die Kriege der Zukunft, sich nicht mehr ums Erdöl oder andere Ressourcen drehen werden, sondern das Wasser der Grund für kämpferische Auseinandersetzungen sein wird. Als Österreicher, der von einer natürlichen Wasserfülle umgeben ist, konnte ich zuerst mit dieser Aussage nichts anfangen. Es hat ein wenig Zeit gekostet, bis ich verstanden habe, was hier gemeint ist. Denn wenn Wasser, vor allem Trinkwasser, zum Besitz eines Landes wird, das anderen bedürftigen Menschen und Regionen dieses Lebenselixier verwehrt, dann können durchaus gröbste Spannungen entstehen. Besonders gilt dies für wasserärmere Regionen der Welt.

Hierzulande ist das Problem ein wenig diffiziler. Wenn zum Beispiel Wasser – ein öffentlich allgemeines Gut – von cleveren Geschäftemachern und von kurzsichtigen politischen Entscheidungen, in den Ausverkauf getrieben wird. In manchen europäischen Städten hat diese „Privatisierung“ im Wasserversorgungsbereich schon stattgefunden. Der Film „Wasser unterm Hammer“ dokumentiert die Probleme einer deutschen Stadt, die diesen Weg gegangen ist: Wasser wurde teurer und die Versorgung klappte nicht mehr wie in früheren Zeiten.

Wasser regelrecht verkaufen, es drängt sich mir die Frage auf, darf man denn das?! Das Wort des Propheten Jesaja kommt mir in Erinnerung, wo Gott spricht, „auf ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser und trinkt umsonst.“ Dies klingt nicht nach Kampf, sondern nach Friedenswasser.

 

 

Samstag, 7.7.2007

Man soll nicht Wasser predigen und Wein trinken, heißt ein allgemein gültiges Sprichwort. Wahrscheinlich kennen sie es. Instinktiv denken wir dabei an Kirche und Pfarrer. Zwar sollten wir Priester intensiv auf die Weisheit dieses Spruches hören, dennoch habe ich mich entschlossen, in meinen Morgengedanken für sie vom Wasser zu predigen. Ich wurde dazu von umweltbewussten Menschen mehrfach aufgefordert. Wohl deshalb, weil wir in der alltäglichen Selbstverständlichkeit unseres Ressourcenkonsums vieles gar nicht bemerken. Und gerade die Kostbarkeit des Wassers ist auf so vielen Ebenen ökologisch und sozial unter Spannung geraten. Gleichzeitig predige ich auch deshalb über Wasser, weil ich damit eine alte Lehre der Kirche wieder beleben will. Diese besagt, dass Gott nicht nur aus dem Buch der Heiligen Schrift zu erkennen ist, sondern auch aus dem Buch der Natur, der Schöpfung. So wie aus einem echten Kunstwerk der Künstler erkannt wird, so können wir Menschen auch in der Schöpfung die Handschrift Gottes, des Schöpfers erahnen. Und Wasser ist eines der vier Elemente, auf die unsere lebendige Welt gebaut ist. Ebenso ist es auch ein Symbol für das spirituelle Leben. Wenn die Bibel von der Kraft des heiligen Geistes spricht, dann heißt es dort, auch in uns Menschen sind Quellen des lebendigen Wassers.