Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Mag. Helmuth Hausner, Pfarrer aus Edlach an der Rax / NÖ

 

 

Sonntag, 22.7.2007 
Zeichen des Festes

Als Letzter in einer sehr langsamen Autokolonne. Ich schaue nach vor, um zu sehen, was uns einbremst. Es ist ein großer, dunkler Personenwagen. Nach und nach überholen die Autos vor mir, dann bin ich hinter dem Langsamen.

Und da geschieht es: eine Blume fliegt über das Dach des Wagens vor mir. Und dann sehe ich es: auf der Motorhaube des Wagens ein großes, buntes Blumengesteck. Ein Hochzeitswagen, vermutlich vom Blumengeschäft kommend auf der Fahrt zum Brautpaar.

Das schon etwas ungeduldige Fragen, warum so langsam, erhält eine Antwort:

Höheres Tempo und alle Blumen fliegen weg.

Das Erlebnis ist für mich ein schönes Sinnbild: Aus Eilen und Hasten zur Ruhe kommen, denn ich habe die Zeichen des Festes gesehen. Der Dichter Hans Carossa schreibt: Auch Rast ist Reise. Die schönste Rast auf unserem Weg: ein Fest.

Durch das Innehalten verlieren wir nichts, das Leben gewinnt an Tiefe und Schönheit. Ein ganzer Tag kann zu einem Fest werden, aber jeder Tag braucht Momente der Freude. übersehen wir nicht die Zeichen des Festes, die uns dazu einladen.

 

 

Montag, 23.7.2007
JOY

Ich beginne buchstabierend: J 0 Y. Joy, das englische Wort in unserer Sprache:

Freude. Vor einiger Zeit wurde das Wort zum Namen. Ich taufte das Mädchen Joy. Es gibt kaum eine andere Gelegenheit, wo auf kleinem Raum so viel Freude zu erleben ist, wie bei einer Taufe. Eltern, Pate, Verwandte, sie schauen auf das Kind.

Ein Kind, in ihm noch verborgene Begabungen, Gaben für das Leben. Eine der Gaben heißt: Zukunft. Wie wird sie sein, diese kommende Zeit, für das Kind, für seine Generation?

Wir alle haben Zukunft. Zeit dieses Tages, der Jahre, des Lebens. Von den Kindern sollten wir wieder die Freude der Erwartung lernen, mit Staunen hineingehen in unsere kommende Zeit.

Freude ist ein Vitamin unseres Lebens. Unzählige Male wird das Mädchen Joy bei seinem Namen gerufen werden. Auch uns tut dieser Zuruf, diese Erinnerung gut.

Ich wünsche Ihnen Freude!

 

 

Dienstag, 24.7.2007
Schwyzerdütsch

Im Jahr 1947, also vor 60 Jahren, fuhr ich mit vielen anderen Kindern in die Schweiz. Wir folgten einer Einladung, aus dem vielfach noch bombenzerstörten Wien in eine heile Welt zu kommen.

Mit Freude und Dankbarkeit denke ich heute an die überwältigende Gastfreundschaft der Familie, die mich aufgenommen hat.

Nach 60 Jahren sind die Menschen unseres Landes vielfach bereit zu helfen. Große Aktionen, weltweit, um in Armut und Katastrophen beizustehen. Aber auch Hilfe in unserem Land, oft unbemerkt. In dieser Hilfsbereitschaft werden Grenzen über­schritten, nicht nur Grenzen unseres Landes, auch Grenzen in unserem Innern, die vielleicht zunächst durch Vorurteil entstanden sind.

Für die Menschen, denen geholfen wird, tut sich eine neue Welt auf, ein Ausweg aus Hoffnungslosigkeit.

Nach drei Monaten Schweiz bin ich damals nach Hause gekommen, für meine Eltern und Geschwister kaum zu erkennen: Aus dem mageren Bub war ein sehr rundlicher geworden. Gelernt habe ich damals Schwyzerdütsch und: was helfen bedeutet.

Beides kann ich noch heute.

 

 

Mittwoch, 25.7.2007
Ein bisschen verrückter

Eine liebe Nachbarin, schon hochbetagt, hat gesagt: "Wenn man nicht arbeitet, kann man zwei Dinge haben, entweder das eine oder das andere: Man hat Urlaub oder ein schlechtes Gewissen."

Der argentinische Dichter Jorge Luis Borges beschreibt sich als einen Menschen, der jede Minute seines Lebens fruchtbar verbracht hat. Dann aber schreibt er:

"Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, .. würde ich nicht so perfekt sein wollen. Ich wäre ein bisschen verrückter .. würde mehr reisen, mehr Sonnen­untergänge betrachten, mehr bergsteigen, mehr in Flüssen schwimmen .. Ich würde von Frühlingsbeginn an bis in den Herbst barfuss gehen. Und ich würde mehr mit Kindern spielen.

Also: Arbeit ist nicht alles. Da ist die Sehnsucht nach mehr Nähe zur Natur, zur Schöpfung, der Wunsch das Lachen der Kinder zu hören, den Boden unter den Füßen zu spüren.Ein Tag beginnt für uns. Wir könnten versuchen ein bisschen verrückter zu leben, manches verrücken, zurecht-rücken. Damit alles, was neben unserer Arbeit für uns wichtig ist, Zeit und Platz hat.

 

 

Donnerstag, 26.7.07
Durst

"Durst kann man lernen" Dieser Satz steht auf einem medizinischen Plakat und meint: Ihr trinkt zu wenig! Schaut dazu, dass ihr nicht austrocknet!" Das Durst-Gefühl geht uns tatsächlich manchmal ab.

Im übertragenen Sinn sagen wir auch: Durst nach Wissen, nach Liebe, Geborgenheit, Durst nach Anerkennung, nach einem glücklichen Leben. Es kann sein, dass Menschen die Hoffnung aufgegeben haben, diesen Durst zu stillen. Sie meinen, dass die Quellen versiegt, die Brunnen zugeschüttet sind.

Enttäuschung, schlimme Erfahrungen, Misserfolge, lassen ihr Leben mehr und mehr vertrocknen.

Durst kann man lernen. Das bedeutet zunächst, dass wir überhaupt bemerken, was uns abgeht. Und wenn wir es wissen, ist dieses Wort ein Wort der Hoffnung. Schauen Sie sich doch um, es gibt viele Quellen neuer Freude am Leben.

 

 

Freitag, 27.7.2007
Du

In einem Text zur Feier der Trauung schlägt der Autor vor, dem Brautpaar bei der Ansprache ein Wörterbuch zu zeigen und es als Sinnbild für ein gemeinsames Leben zu deuten.

Auf dem Einband meines Wörterbuches steht: 120.000 Stichwörter. Unser Sprachschatz. Ein Schatz, denn in diesem Buch sind Worte, die, aneinandergefügt, Freude, Dankbar­keit, Lob, Trost, Ermutigung schenken. Eine Apotheke gegen Trauer, Depression, Müdigkeit und Angst.

Das Buch ist aber auch ein Sprengsatz. Da sind Worte, die Leben zerstören, Worte die entmutigen, verzweifeln lassen. Es liegt an uns, sehr sorgfältig mit unseren Worten umzugehen. Eines der kostbarsten Worte ist das Wort: DU.

Als ich jemandem das Du-Wort angetragen habe, hat er geantwortet: "Ja, aber " Ich dachte mir: Was kommt jetzt? Und dann sagte er etwas sehr Schönes: "Ja, aber: Freundschaft muss gepflegt werden"

Wem werden Sie heute, vielleicht nach längerer Zeit, ein gutes Wort sagen? Vielleicht auch in einem Morgengebet ?

 

 

Samstag, 28.7.2007
Wende

Einen "Spruch des Monats" habe ich in einem Spital gelesen, er heißt: "Wir wollen uns bemühen, unseren Patienten zu einer Wende in ihrem Leben zu verhelfen"

Viele von uns sind krank, mit Sehnsucht, vielleicht auch mit Ungeduld erwarten sie einen neuen Morgen. Die schönste Wende in ihrem Leben wäre die Wende von der Krankheit zur Gesundheit.

Aber da ist noch etwas zu erwarten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass eine Krankheit das Leben neu sehen lässt. Da ist die Chance da, zu einer Wende. Neue Einstellungen zu der Frage, was ist wichtig, was ist eher weniger bedeutend. Eine neue Dankbarkeit für sonst als selbstverständlich hingenommene Dinge. Eine Wende in unseren Beziehungen durch die tröstende Erfahrung der Zuwendung, der Freund­schaft, der Liebe vieler Menschen, durch die Geborgenheit in Gott.

Ein Wort der Dichterin Christine Busta kann uns in schweren Stunden begleiten. Sie sagt: "Lass meine Unruhe ausruhn in deiner Atemwiege, dass ich vom Fieber des Lebens genese."

Dieses Wort lädt uns ein, den Atem der Liebe zu spüren, wie das Kind, das den Atem der Mutter spürt.