von Mag.
Helmuth Hausner, Pfarrer aus Edlach an der Rax / NÖ
Sonntag,
22.7.2007
Zeichen des Festes
Als Letzter in
einer sehr langsamen Autokolonne. Ich schaue nach vor, um zu
sehen, was uns einbremst. Es ist ein großer, dunkler
Personenwagen. Nach und nach überholen die Autos vor mir, dann
bin ich hinter dem Langsamen.
Und da geschieht
es: eine Blume fliegt über das Dach des Wagens vor mir. Und dann
sehe ich es: auf der Motorhaube des Wagens ein großes, buntes
Blumengesteck. Ein Hochzeitswagen, vermutlich vom Blumengeschäft
kommend auf der Fahrt zum Brautpaar.
Das schon etwas
ungeduldige Fragen, warum so langsam, erhält eine Antwort:
Höheres Tempo und
alle Blumen fliegen weg.
Das Erlebnis ist
für mich ein schönes Sinnbild: Aus Eilen und Hasten zur Ruhe
kommen, denn ich habe die Zeichen des Festes gesehen. Der
Dichter Hans Carossa schreibt: Auch Rast ist Reise. Die schönste
Rast auf unserem Weg: ein Fest.
Durch das
Innehalten verlieren wir nichts, das Leben gewinnt an Tiefe und
Schönheit. Ein ganzer Tag kann zu einem Fest werden, aber jeder
Tag braucht Momente der Freude. übersehen wir nicht die Zeichen
des Festes, die uns dazu einladen.
Montag,
23.7.2007
JOY
Ich beginne
buchstabierend: J 0 Y. Joy, das englische Wort in unserer
Sprache:
Freude. Vor
einiger Zeit wurde das Wort zum Namen. Ich taufte das Mädchen
Joy. Es gibt kaum eine andere Gelegenheit, wo auf kleinem Raum
so viel Freude zu erleben ist, wie bei einer Taufe. Eltern,
Pate, Verwandte, sie schauen auf das Kind.
Ein Kind, in ihm
noch verborgene Begabungen, Gaben für das Leben. Eine der Gaben
heißt: Zukunft. Wie wird sie sein, diese kommende Zeit, für das
Kind, für seine Generation?
Wir alle haben
Zukunft. Zeit dieses Tages, der Jahre, des Lebens. Von den
Kindern sollten wir wieder die Freude der Erwartung lernen, mit
Staunen hineingehen in unsere kommende Zeit.
Freude ist ein
Vitamin unseres Lebens. Unzählige Male wird das Mädchen Joy bei
seinem Namen gerufen werden. Auch uns tut dieser Zuruf, diese
Erinnerung gut.
Ich wünsche Ihnen
Freude!
Dienstag,
24.7.2007
Schwyzerdütsch
Im Jahr 1947, also
vor 60 Jahren, fuhr ich mit vielen anderen Kindern in die
Schweiz. Wir folgten einer Einladung, aus dem vielfach noch
bombenzerstörten Wien in eine heile Welt zu kommen.
Mit Freude und
Dankbarkeit denke ich heute an die überwältigende
Gastfreundschaft der Familie, die mich aufgenommen hat.
Nach 60 Jahren
sind die Menschen unseres Landes vielfach bereit zu helfen.
Große Aktionen, weltweit, um in Armut und Katastrophen
beizustehen. Aber auch Hilfe in unserem Land, oft unbemerkt. In
dieser Hilfsbereitschaft werden Grenzen überschritten, nicht
nur Grenzen unseres Landes, auch Grenzen in unserem Innern, die
vielleicht zunächst durch Vorurteil entstanden sind.
Für die Menschen,
denen geholfen wird, tut sich eine neue Welt auf, ein Ausweg aus
Hoffnungslosigkeit.
Nach drei Monaten
Schweiz bin ich damals nach Hause gekommen, für meine Eltern und
Geschwister kaum zu erkennen: Aus dem mageren Bub war ein sehr
rundlicher geworden. Gelernt habe ich damals Schwyzerdütsch und:
was helfen bedeutet.
Beides kann ich
noch heute.
Mittwoch,
25.7.2007
Ein bisschen verrückter
Eine liebe
Nachbarin, schon hochbetagt, hat gesagt: "Wenn man nicht
arbeitet, kann man zwei Dinge haben, entweder das eine oder das
andere: Man hat Urlaub oder ein schlechtes Gewissen."
Der argentinische
Dichter Jorge Luis Borges beschreibt sich als einen Menschen,
der jede Minute seines Lebens fruchtbar verbracht hat. Dann aber
schreibt er:
"Wenn ich mein
Leben noch einmal leben könnte, .. würde ich nicht so perfekt
sein wollen. Ich wäre ein bisschen verrückter .. würde mehr
reisen, mehr Sonnenuntergänge betrachten, mehr bergsteigen,
mehr in Flüssen schwimmen .. Ich würde von Frühlingsbeginn an
bis in den Herbst barfuss gehen. Und ich würde mehr mit Kindern
spielen.
Also: Arbeit ist
nicht alles. Da ist die Sehnsucht nach mehr Nähe zur Natur, zur
Schöpfung, der Wunsch das Lachen der Kinder zu hören, den Boden
unter den Füßen zu spüren.Ein Tag beginnt für uns. Wir könnten
versuchen ein bisschen verrückter zu leben, manches verrücken,
zurecht-rücken. Damit alles, was neben unserer Arbeit für uns
wichtig ist, Zeit und Platz hat.
Donnerstag,
26.7.07
Durst
"Durst kann man
lernen" Dieser Satz steht auf einem medizinischen Plakat und
meint: Ihr trinkt zu wenig! Schaut dazu, dass ihr nicht
austrocknet!" Das Durst-Gefühl geht uns tatsächlich manchmal ab.
Im übertragenen
Sinn sagen wir auch: Durst nach Wissen, nach Liebe,
Geborgenheit, Durst nach Anerkennung, nach einem glücklichen
Leben. Es kann sein, dass Menschen die Hoffnung aufgegeben
haben, diesen Durst zu stillen. Sie meinen, dass die Quellen
versiegt, die Brunnen zugeschüttet sind.
Enttäuschung,
schlimme Erfahrungen, Misserfolge, lassen ihr Leben mehr und
mehr vertrocknen.
Durst kann man
lernen. Das bedeutet zunächst, dass wir überhaupt bemerken, was
uns abgeht. Und wenn wir es wissen, ist dieses Wort ein Wort der
Hoffnung. Schauen Sie sich doch um, es gibt viele Quellen neuer
Freude am Leben.
Freitag,
27.7.2007
Du
In einem Text zur
Feier der Trauung schlägt der Autor vor, dem Brautpaar bei der
Ansprache ein Wörterbuch zu zeigen und es als Sinnbild für ein
gemeinsames Leben zu deuten.
Auf dem Einband
meines Wörterbuches steht: 120.000 Stichwörter. Unser
Sprachschatz. Ein Schatz, denn in diesem Buch sind Worte, die,
aneinandergefügt, Freude, Dankbarkeit, Lob, Trost, Ermutigung
schenken. Eine Apotheke gegen Trauer, Depression, Müdigkeit und
Angst.
Das Buch ist aber
auch ein Sprengsatz. Da sind Worte, die Leben zerstören, Worte
die entmutigen, verzweifeln lassen. Es liegt an uns, sehr
sorgfältig mit unseren Worten umzugehen. Eines der kostbarsten
Worte ist das Wort: DU.
Als ich jemandem
das Du-Wort angetragen habe, hat er geantwortet: "Ja, aber " Ich
dachte mir: Was kommt jetzt? Und dann sagte er etwas sehr
Schönes: "Ja, aber: Freundschaft muss gepflegt werden"
Wem werden Sie
heute, vielleicht nach längerer Zeit, ein gutes Wort sagen?
Vielleicht auch in einem Morgengebet ?
Einen "Spruch des
Monats" habe ich in einem Spital gelesen, er heißt: "Wir wollen uns
bemühen, unseren Patienten zu einer Wende in ihrem Leben zu
verhelfen"
Viele von uns sind
krank, mit Sehnsucht, vielleicht auch mit Ungeduld erwarten sie
einen neuen Morgen. Die schönste Wende in ihrem Leben wäre die Wende
von der Krankheit zur Gesundheit.
Aber da ist noch etwas
zu erwarten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass eine Krankheit das
Leben neu sehen lässt. Da ist die Chance da, zu einer Wende. Neue
Einstellungen zu der Frage, was ist wichtig, was ist eher weniger
bedeutend. Eine neue Dankbarkeit für sonst als selbstverständlich
hingenommene Dinge. Eine Wende in unseren Beziehungen durch die
tröstende Erfahrung der Zuwendung, der Freundschaft, der Liebe
vieler Menschen, durch die Geborgenheit in Gott.
Ein Wort der Dichterin
Christine Busta kann uns in schweren Stunden begleiten. Sie sagt:
"Lass meine Unruhe ausruhn in deiner Atemwiege, dass ich vom Fieber
des Lebens genese."
Dieses Wort lädt uns
ein, den Atem der Liebe zu spüren, wie das Kind, das den Atem der
Mutter spürt.