Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Roland Trentinaglia aus Hörbranz

 

 

Sonntag, 29.7.2007 
 

Es ist schon viele Jahre her, da hat eine Sängerin aus Vorarlberg, Elfi Graf mit Namen, einen sogenannten „Hit“ gelandet. Vielleicht erinnern Sie noch an diesen Titel: „Herzen haben keine Fenster, nur eine Tür hinein“.

 

Da habe ich ein kleines Gedicht gefunden, das uns Menschen auffordert, in unsere Herzen auch Fenster einzubauen:

 

Bau deinem Herzen Fenster ein für helles Licht und Sonnenschein.

Dein Herz will strahlen, lachen, fröhlich sein, um dir Schwung und Kraft zu schenken.

 

Bau deinem Herzen Fenster ein und öffne sie ganz weit – für Geräusche des Erwachens

Und der Lebendigkeit, um Unlust und Verdrießlichkeit aus dir zu vertreiben.

 

Bau deinem Herzen Fenster ein – mit Blumen auf dem Fensterbett, die freundlich jeden Morgen dich begrüßen und dich mit Dank erfüllen an den Schöpfer allen Lebens.

 

Bau deinem Herzen Fenster ein, durch die du schaust bei Krankheit und Alter, damit du auch in diesen Tagen Anteil nimmst an der Vielfalt des Lebens.

 

Bau deinem Herzen Fenster ein – ohne Vorhang und Gardinen, damit alle schauen können in dein Herz, um Freude, Trauer und auch Schmerz mit dir zu teilen.

 

Und dazu würde ich noch sagen:

Bau deinem Herzen Fenster ein, damit der sonntägliche Sonnenstrahl der Liebe Gottes dich stärke und wärme und du so Kraft und Mut für die vielfältigen und oft mühsamen Dinge des Alltags  bekommst.

 

 

Montag, 230.7.2007
 

Eines Tages kam ein Bekannter zum griechischen Philosophen Sokrates gelaufen.

 

„Höre, Sokrates, ich muß dir etwas ganz ganz wichtiges berichten. Stell dir vor, dein Freund hat gestern…“

 

„Halt ein“, unterbrach in der Philosoph. „Hast du denn das, was du mir jetzt erzählen willst, durch drei Siebe gesiebt?“

 

„Durch drei Siebe?“ fragte der andere ganz erstaunt und etwas entrüstet. „Ja welche drei Siebe meinst du denn?“

 

„Nun ja, drei Siebe! Also: Das erste ist das Sieb der Wahrheit. Hast du das, was du mir so dringend berichten willst, geprüft ob es auch wahr ist?“

 

„Nein, ich hörte es von anderen erzählen, und…“

 

„Nun denn, so hast du sicher alles mit dem zweiten Sieb, dem Sieb der Güte, geprüft.

 

Ist also das, was du mir erzählen willst – wenn es schon nicht wahr ist – wenigstens gut?

 

Der andere zögerte: „Gut? Nein, das eigentlich nicht. Ganz im Gegenteil…“

 

„Nun“, unterbrach ihn Sokrates. „So wollen wir noch das dritte Sieb nehmen und uns fragen ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich jetzt gar so zu erregen scheint!“

 

„Notwendig? Das eigentlich auch nicht…“

 

„Also“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir eben sagen wolltest, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste weder dich noch mich damit!“

 

 

Dienstag, 31.7.2007
 

Für das Christ_sein im Alltag braucht es auch – meiner Meinung nach – drei Dinge.

 

Erstens: ein offenes Herz. Dieses offene Herz brauche ich in erster Linie dafür, um Gott und den Menschen überhaupt bei mir hereinzulassen. Ich brauche es dafür, um zu spüren, was von mir gefordert ist, was man von mir will. Diese Haltung des offenen Herzens ist nicht immer leicht. Denn zu viele Dinge, die sich in meinem Innern austoben, rauben mir diese Offenheit.

 

Zweitens: ein dankbares Herz. Dank macht uns hellhörig und hellsichtig. Undank macht blind, hart und selbstgerecht.  Wer aber versucht, ein dankbarer Mensch zu sein, weiß sich immer getragen von der Güte Gottes. Diese Dankbarkeit Gott zu zeigen, heißt aber auch dem Menschen gegenüber dankbar sein, weil auch sie mir sehr viel Gutes schenken. Ich werde immer mehr beschenkt sein, als ich selber letztlich von mir geben kann.

 

Drittens: ein fröhliches Herz. Der Christ ist immer Optimist, ohne die bisweilen harte Realität des Lebens zu vergessen. Die Fröhlichkeit bewahrt den Menschen davor, sich selbst zum Maßstab aller Dinge zu machen, und nur um sich und seinen eigenen Bauchnabel zu kreisen. Das fröhliche Herz ist in einer anderen Zukunft beheimatet Und der fröhliche Mensch gibt von dieser Zukunft immer wieder Auskunft: Er weiß sich nämlich von der Erlösungstat Jesu Christ getragen.

 

 

Mittwoch, 1.8.2007
 

Gesegnet seien jetzt alle, die mir nicht ausweichen. Dankbar bin ich für jeden Menschen, der mir wenigstens einmal zulächelt und mir seine Hand reicht, wenn ich mich einsam und verlassen fühle.

 

Gesegnet seinen diejenigen, die mich immer noch besuchen und zu mir kommen, obwohl sie Angst haben, etwas Falsches zu sagen.

 

Gesegnet seien alle, die mir auch erlauben, von dem Verstorbenen zu sprechen. Denn ich möchte meine Erinnerungen nicht totschweigen. Ich suche vielmehr Menschen, denen ich ohne Scheu und Angst mitteilen kann, was mich zutiefst bewegt, was mir selber Sorge oder auch Freude bereitet.

 

Gesegnet seien alle, die mir zuhören, auch wenn das, was ich zu sagen habe, schwer zu ertragen ist.

 

Gesegnet seien alle, die mich nicht ändern wollen, sondern mich vielmehr - gerade jetzt - so annehmen, wie ich bin und die meine Traurigkeit auch aushalten.

 

Gesegnet seien alle, die mir ihre Nähe schenken und dadurch deutlich machen, dass ich noch einen Wert habe.

 

Gesegnet seien alle, die mich trösten und mir zusichern, dass Gott mich nicht verlassen hat.

 

Herr, birg uns alle in deiner Hand: nimm du dich unser an. Denn ich glaube, dass wir in Dir geborgen sind, ganz gleich, ob wir noch leben oder schon gestorben sind.

 

 

Donnerstag, 2.8.07
 

Wie wir einen Tag beginnen, ist nicht egal. Zugegeben, niemand kann das, was er erlebt hat, was ihm selber Freude oder Sorge macht, einfach ablegen wie einen Regenschirm.  Alles, was wir sind und was wir erleben, prägt uns, jeden Tag neu.

 

Ich will aber diesen Morgen ganz bewusst mit einem Dank beginnen:

 

Danke für das Wasser, das mich wach gemacht hat, für die Seife, die so gut riecht und für die erfrischende Zahnpasta. Danke dafür, dass ich mich beim Rasieren nicht schon wieder geschnitten habe und danke für mein Lieblingshemd und meine Lieblingshose.

 

Danke für die zugestellte Zeitung, für das Radio, das meine Lieblingsmusikstücke spielt und Dank für die Sonnenstrahlen, die auf dem Frühstückstisch tanzen.

 

Danke für den Müllabfuhrwagen und die Männer, die ihn begleiten, für ihr Lachen, ihre morgendlichen Rufe und für die Geräusche der erwachenden Strasse.

 

Danke für den Duft der noch warmen Semmel, der Marmelade, der Butter und den Kaffee.  Danke, dass ich überhaupt aufstehen konnte und jetzt schon Danke für die Menschen, die mir heute begegnen und mit mir ein stückweit das Leben teilen. Danke für jeden Gruß, den ich heute bekomme, für jeden Händedruck, den ich geben darf und für jedes Lächeln, das mir geschenkt wird.

 

Eines will und darf ich natürlich nicht vergessen: Danke für den ruhigen Schlaf und die geruhsame Nacht. Danke für das Leben, Gott! Danke, dass du mich ernst nimmst und dass ich mein Leben heute wieder wagen darf, im Wissen darum, dass du es mit mir lebst! Einfach: Danke!

 

 

Freitag, 3.8.2007
 

In den letzten Wochen und Monaten war das so genannte „Koma-Saufen“ von Jugendlichen ein Thema in Fernsehen und Zeitungen. Die Gründe, warum sich

Heranwachsende wegsaufen (wie das so schön heißt), sind vielfältig. Da ist sicher

einmal die Vorbildwirkung von Erwachsenen, aber auf der anderen Seite, so denke ich mir, ganz etwas anderes. Jeder Mensch möchte etwas besonderes sein, anerkannt und geliebt sein.  Der Erwachsene hat in vielen Fällen seinen Wert schon entdeckt. Er hat eine feste Position in Beruf, Arbeit, Freundeskreis und sogar innerhalb einer

funktionierenden Familie. Der Jugendliche sucht sich noch selbst. Und was so richtig männlich oder weiblich ist und was den Menschen wertvoll macht -  nun ja, da gehen die Meinungen sowieso auseinander.

 

Der Wert eines Menschen wird – meiner Meinung nach – von zwei Seiten bestimmt:

 

Erstens ist der Mensch ein so genanntes Kind Gottes. Dadurch erhält jeder Mensch eine ungeheure Würde; er ist einmalig und nicht ersetzbar.

 

Und Zweitens: Wer in seinem Leben Verantwortung tragen kann, für sich selbst, für Mitmenschen, sich einsetzt für Friede, Gerechtigkeit, Glaube, Solidarität und Freundschaft und so anderen Menschen beim Leben hilft, wird nie auf die Frage kommen: „Wozu lebe ich  eigentlich?“

 

Denn er weiß um den Wert des Lebens, des eigenen und des der anderen.

 

 

Samstag, 4.8.2007
 

Öfters schon habe ich es erleben dürfen, wie mir erwachsene Menschen im Gespräch folgendes sagen: „Manchesmal möchte ich nochmals mit meinem Leben neu beginnen können. Ich möchte ein anderes Leben führen, ein Leben, das diejenigen Dinge, über die ich so oft stolpere, nicht kennt. Am liebsten hätte ich ein Leben, in dem mir meine Fehler und Schwächen nicht nachhängen, also einfach neu beginnen!“

 

Gibt es so etwas überhaupt?  Unsere Lebenserfahrung sagt hier ganz klar und deutlich:

 

„Nein!“ Und doch bleibt in jedem von uns diese gewaltige Sehnsucht nach einem

erfüllten und geglückten Leben in uns wach. Das ist gut so. Denn in diesem Suchen nach Glück finden viele Menschen ein Angenommensein durch andere. Man kann dies auch Liebe und Geborgenheit nennen.  Deshalb Dank an alle, die es verstehen, Liebe und Geborgenheit zu schenken und dadurch das Leben anderer reicher machen. Denn liebende Menschen tragen einander Fehler und Schwächen nicht nach und somit ist eine große Belastung, die es geben kann,  schon weggefallen.

 

In seinem Suchen nach dem geglückten Leben kommen Menschen aber auch immer wieder auf Gott. Nicht als billige Vertröstung, sondern vielmehr als Lebenskraft und Lebensfreude, die es möglich machen, trotz aller gegenteiliger Erfahrung, liebende Menschen zu sein und zu werden. Denn wir alle leben aus eben dieser Glaubenserfahrung,  die einen heiligen Augustinus im vierten Jahrhundert nach Christus bereits sagen ließ: „Unruhig ist unser Herz, bis es in Dir, Gott, Ruhe findet!“

 

Und genau diese Erfahrung wünsche ich Ihnen heute von ganzem Herzen.