Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Gilbert Schandera (Schwanenstadt, OÖ)

 

  

 

Sonntag, 26.8.2007

Schneckenhaus

An meinem letzten Geburtstag war einem Geschenk ein großes SCHNECKENHAUS beigelegt, - „zur persönlichen Interpretation“.

Ich vermute den Wunsch eines Freundes, dass ich mein eigenes Schneckenhaus erkenne, in das ich mich wieder einmal zurückziehen kann. Es soll wohl eine Mahnung sein, immer wieder einmal zu unterbrechen. Es ist manchmal höchst notwendig. Besonders symbolkräftig ist es, dass die Schnecke ihr Haus mit sich trägt. Sie verkriecht sich nicht irgendwohin, sondern in das, was sie selber ist.

Besondere äußere Orte des Rückzugs können hilfreich sein, entscheidend ist aber, dass wir eine innere Behausung haben, dass wir bei uns selbst „zu Hause“ sind. Die Geborgenheit im Erkennen des Sinns und im Erfassen größerer Zusammenhänge gibt Kraft und Gelassenheit. Auch „Religion ist Unterbrechung“, sagt ein großer Theologe unserer Zeit. (J. B. Metz)

Wir brauchen ein Schneckenhaus, das uns hilft zu unterbrechen und immer wieder zu fragen: Was soll das alles, was ich da treibe? Manchmal müssen wir schauen, ob wir das Schneckenhaus nicht schon verloren haben. Höchste Zeit vielleicht, ehestens ein neues zu bauen.

 

 

Montag, 27.8.2007

Gutes Benehmen

Kürzlich fiel mir in einem Café, gerade als eine junge Kellnerin die Bestellung aufnehmen wollte, ein Stoß von Büchern und Zeitungen auf den Boden. Während ich mühsam alles auflas, stand die junge Dame einfach da und rührte nicht den kleinsten Muskel.

In der Eisenbahn, die ich oft benutze, erlebe ich oft Jugendliche, aber auch den einen oder anderen Erwachsenen, die ihre Straßenschuhe einfach auf den gegenüberliegenden Sitz stellen. Redet man sie darauf an, ob sie nicht auch selber auf einem reinen Sitz Platz nehmen wollen, bekommt man so manche freche Bemerkung zurück.

Anstandsregeln werden heute abgewertet, wie wenn sie ein unnötiger Ballast wären. Gutes Benehmen ist aber ein Zeichen der Achtung vor dem Anderen. Gutes Benehmen zeigt, dass man den Mitmenschen ernst nimmt. Grüße ich jemanden, auch wenn ich ihn nicht kenne, sage ich: es ist schön, dass ich nicht allein an diesem Ort lebe.

Gutes Benehmen ist Ausdruck von Ordnungen, die im Wesen des Menschen liegen. Diese Ordnungen nehmen Rücksicht auf das Befinden eines Menschen. So werden gute Beziehungen aufgebaut und Menschen kommen einander näher. Ohne Hinführung zu gutem Benehmen verkommt eine Gesellschaft.

 

 

Dienstag, 28.8.2007

Ein Lebenshemmer ist der viele Ramsch, der uns überall umgibt.

Mein Beichtvater hat mich einmal aufgefordert, nur ganz Weniges anzuschaffen, dafür aber Wertvolles: z.B. statt vieler Plastikkugelschreiber ein wertvoller aus Metall, der Freude macht beim Anschauen und beim Schreiben. Weg mit allem Tand in der Wohnung, der herumsteht und an der Wand hängt, dafür ein wertvolles Bild, das einen anspricht und berührt. Das darf schon einiges kosten. Die äußere Konzentration auf Wertvolles und Wesentliches schafft Konzentration auch im Inneren.

Vielleicht schlägt in diese Kerbe das biblische Gleichnis vom Schatz im Acker und von der Perle. Der Mann verkauft alles, gibt alles weg, um das Eine, Wertvolle, den Schatz oder die Perle zu bekommen. Religiöser Glaube hat ja überhaupt die Absicht, vom geistigen Ramsch zur „Perle“, zum „Schatz“ zu führen.

Es zahlt sich aus, in der Wohnung auszumisten und das Viele durch wenig Wertvolles zu ersetzen. Das könnte eine Ahnung erwecken von einem einfacheren, aber wertvolleren Leben.

In der Kürze des Lebens unabhängig zu sein vom „Tand“, weil man das Entscheidende erkennt und auf Gott bezogen ist, ist schon eine gewaltige FREIHEIT und LEBENDIGKEIT.

 

 

Mittwoch, 29.8.2007

Theorie und Praxis

Immer wieder höre ich als Pfarrer Bemerkungen wie etwa: „Reden wir nicht viel, diskutieren wir nicht – wir müssen etwas tun!“ Das ist gut gemeint. Das Ziel muss sicher ein konkreter Schritt sein. Aber was hilft das Tun, wenn es in die falsche Richtung geht? (Oder wenn das große Mühen am Nebenschauplatz stattfindet und das Wichtige noch gar nicht entdeckt ist?)

 

Immanuel Kant hat wohl zu Recht darauf bestanden, dass erst eine gute Theorie zu einer guten Praxis führt.

Ich denke da auch an den großen Philosophen Plato mit folgendem Gedanken: „Nur der Philosoph (also der gründlich denkende Mensch) ist in der Lage zu regieren. Denn er allein kennt die idealen Wahrheiten, aus denen das Bewusstsein der Verantwortung erwächst.“

 

 

Donnerstag, 30.8.2007

Das Leben begreifen – das Leben nehmen

Eine sprachliche Eigenheit ist es, dass wir Selbstmord mit dem Begriff „Sich das Leben nehmen“ umschreiben. Man meint „Das Leben wegnehmen“. „Das Leben nehmen“ könnte aber auch eine positive Bedeutung haben: „Das Leben ergreifen“, es nicht verrinnen lassen, sondern es gestalten.

Zum Leben kommt, wer nicht auf eine Erlaubnis wartet, sondern sie sich selber gibt. Auch wenn wir noch so betroffen sind vom Schicksal unserer Vorfahren, - wir können keinen Ausgleich schaffen, wenn wir ihre Situation nachahmen. Religiös gesehen: Unsere Vorfahren freuen sich in der Ewigkeit, wenn wir es anders und besser haben, das war wohl immer ihr Wunsch. Andernfalls besteht „Todesgefahr“, - dass wir dahinleben, ohne wirklich lebendig zu sein.

Das Evangelium zeigt uns Christen, der uns aus dieser „Todesgefahr“ erlösen will: Das Leben „nehmen“ in Verantwortung und Liebe. Die großen Zusammenhänge erspüren, den Größeren sehen und das Leben dankbar gestalten zur eigenen und der anderen Freude.

„Ich bin gekommen“, sagt Christus, „damit sie das Leben in Fülle haben.“ (Joh 10,10)

 

 

Freitag, 31.8.2007

Kundschafter

Das Alte Testament berichtet von Kundschaftern, die Mose aussendet, um das Land zu erforschen, in das man ziehen wollte. Nach 40 Tagen kommen sie zurück und loben das Land in höchsten Tönen. Es fließe „von Milch und Honig“, was für uns sprichwörtlich geworden ist. Doch dann kommt das berühmte „ABER“. Der Weg sei weit und schwierig, es gebe tiefe Täler und hohe Mauern. Es werde nicht leicht sein, dorthin zu kommen. Das Volk bekommt Angst und möchte daher dort bleiben, wo es ist. Auf einmal werden die Kundschafter verdächtigt, es stimme gar nicht, was sie da an Gutem von diesem Land berichtet haben. Auch konkrete äußere Zeichen nützen nichts. Etwa, dass die Botschafter eine so große Weintraube mitgebracht haben, dass sie zwei Männer an einer Stange tragen mussten.

Menschen, die den religiösen Glauben verkünden, sind diesen Kundschaftern ähnlich. Sie haben Erfahrungen gemacht, sie haben auf ihr Inneres gehört und haben Visionen von dem, was hinter den Dingen dieser Welt steht. Ein neues, erfülltes Leben kommt ins Spiel, der Himmel. Gläubige Menschen sind Kundschafter, Grenzgänger zwischen Himmel und Erde.

 

 

Samstag, 1.9.2007

Gott seinen Platz einräumen

Als Christen werden wir den Menschen wenig hilfreich sein, wenn wir die Religion immer mehr verschweigen und uns nur auf „Gemeinschaft“ und Caritas beschränken.

Natürlich ist Gott auch dort, wo wir nicht ausdrücklich von ihm sprechen. Aber die Menschen werden nur glauben können, wenn wir auch ausdrücklich Zeugnis geben von unsrer Hoffnung. Wir müssen die Wörter Christus oder Gott wieder in den Mund nehmen, so problematisch das Wort „Gott“ auch ist.

Wahrscheinlich wenden sich so manche von unsrer Glaubensgemeinschaft deswegen ab, weil wir uns zu wenig mit der Religion beschäftigen und zu viel mit Verwaltung und „äußerem Betrieb“. Und weil wir uns zu sehr der Umgebung angepasst haben – und dadurch uninteressant geworden sind. (Den Glauben meinen daher viele eher bei Freikirchen und Sekten und auch bei pseudoreligiösen Gruppen zu finden.) Auch wenn sich Religion immer im Dienst am Menschen zeigen wird (und zeigen muss!), so steht wesentlich Gott im Mittelpunkt der Religion. Immer ist Gefahr, dass der Mensch an Gottes Stelle rutscht. Gott seinen Platz zurückzugeben, - es wäre den Versuch wert, mit ihm lässt sich gut leben.