Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Johannes Fenz, Präsident des Katholischen Familienverbandes
Österreichs
Sonntag, 16. September 2007
Auf
Christus schauen!
"Auf
Christus schauen" ist das Thema, das uns in den letzten Tagen beim
Besuch von Papst Benedikt XVI. in Österreich begleitet hat. Wenn ich
diesen Titel höre denke ich: "Was sehe ich, wenn ich auf Christus
schaue? Welches Bild mache ich mir von diesem Jesus Christus? Macht
sich jeder sein eigenes Bild oder gibt es ein einheitliches? Es tun
sich viele Fragen auf, die nach Antworten schreien.
Für
mich ist das Christusbild vielfältig. Christus war für mich ein
Vordenker, ein Revoluzzer. Er hat sich gegen die vermeintlich
Mächtigen aufgelehnt. Er hat sich mit Sündern abgegeben. Er war für
die Armen da. Er hat den Menschen die Füße gewaschen. Er hat Mut
gemacht, geheilt und nicht gerichtet. Ich sehe aber auch den
leidenden Jesus. Der sich stellvertretend für uns hingegeben hat.
Der alle Schuld auf sich geladen hat, um Gott Genugtuung zu leisten.
Ich sehe aber auch einen Jesus Christus, der nicht in der Dunkelheit
des Grabes liegt sondern auferstanden ist und in uns und mit uns
wirkt. Ich sehe einen Jesus Christus, in dem die menschliche und die
göttliche Dimension vereint sind. Die menschliche Dimension ist für
uns zu verstehen, weil sie uns gleich ist. Die göttliche Dimension
hingegen müssen wir spüren, erleben und zulassen.
Montag, 17. September 2007
Auf
Christus schauen - in der Familie!
Stellen Sie sich vor: Jesus Christus will meine Familie besuchen.
Ich weiß nicht wie er aussieht, ich kenne ihn gar nicht. Gott sei
Dank hat er sich mit einer SMS angemeldet, damit ich mich
vorbereiten kann. Ich putze schnell alles, besorge Kreuze und hänge
sie auf. In den Kinderzimmern hänge ich kleine Weihwasserkesseln
auf. Die Bibel und das Gotteslob lege ich auf den Tisch, Kerzen
stehen bereit und der Rosenkranz darf auch nicht fehlen. Wer weiß,
was er von mir alles will. Ich will mich ja nicht blamieren. Ich
koche ein Festmahl und backe Mehlspeisen. Schließlich ist alles
weggeräumt. Ich bin total geschafft und etwas müde als es an der
Haustür klingelt. Zu den Kindern sage ich noch, dass sie sich
ordentlich benehmen sollen. Ich eile zur Tür, öffne und: es steht
ein Mann vor mir, mit dem ich schon seit Jahren streite. Auch das
noch, denke ich. Er fragt mich, ob er hereinkommen kann. Zuerst
wehre ich ab, letztendlich lasse ich ihn aber eintreten. „Wissen sie
eigentlich, warum wir schon seit Jahren streiten?" fragt er mich.
Ich weiß es nicht. Dann wird es Zeit, uns zu versöhnen, sagt der
Mann. Wir taten es und die ganze Familie war erleichtert. Wir setzen
uns alle zum Tisch, um gemeinsam mit unserem Gast zu essen. Ich
hatte ganz vergessen, dass sich Jesus angemeldet hat. Er kam auch
nicht mehr, er war schon da. Denn: dort wo Versöhnung ist, ist Jesus
Christus.
Dienstag, 18. September 2007
Auf
Christus schauen - in der Schule!
"Geht's ihnen gut, oder ist ihr Kind auch schon in der Schule?"
fragt eine Mutter die andere. Dieses Zitat beweist: Schule bedeutet
auch Stress für die Eltern. Die Kinder sollen es einmal besser
haben. Und mit einer möglichst hohen Schulbildung geht das, glauben
wir. Die Folge: Viele Kinder sitzen in der falschen Schule, der
Druck und die Erwartungen der Eltern sind groß. Auch wenn die
schulischen Leistungen nicht den Erwartungen der Erwachsenen
entsprechen – jedes Kinder hat bestimmte Stärken und Fähigkeiten.
Schule bedeutet in erster Linie immer noch: Frontalunterricht und
theoretisches Wissen aneignen. Dabei ist in der heutigen
Gesellschaft vor allem praktische und soziale Intelligenz gefragt.
Wie verhalte ich mich gegenüber Migranten? Unterstütze und helfe ich
den Schwächeren? Wie lerne ich, meine Meinung und meine Bedürfnisse
zu artikulieren? Praktische und soziale Intelligenz ist bei vielen
Kindern vorhanden; sie muss nur gefördert und zugelassen werden. Was
hat das mit Jesus Christus zu tun? Ich meine sehr viel. Wenn wir
Verständnis haben, die Neigungen und Begabungen der Kinder fördern -
aber sie nicht überfordern - dann sehen wir Jesus Christus. Er hat
seine Begabungen ausleben können. Er hat - geleitet von Gott -
gepredigt, geheilt, motiviert, begeistert, den Schwächeren geholfen.
Alles Tätigkeiten, die in der Schule von heute wenig vermittelt
werden. Daher sollen wir auch im Schulleben Jesus Christus sehen,
Geduld und Verständnis zeigen, denn: "Gott stellt jeden dahin, wo er
ihn braucht!"
Mittwoch, 19. September 2007
Auf
Christus schauen - in der Arbeitswelt!
Der
Kolpingverein in Karl hat anlässlich des letzten Papstbesuches ein
Apostelkreuz aufgestellt. Nach Jahren fallen langsam
Ausbesserungsarbeiten an. Die Pflastersteine beim Kreuz sind zum
Teil gebrochen, zum Teil fehlen sie überhaupt. Die Holzsteher des
Kreuzes werden auch langsam morsch. Plötzlich ist der Platz beim
Apostelkreuz neu gepflastert. Eine Woche später sind die Holzsteher
ausgetauscht. Die Arbeiten sind selbstverständlich und ohne Aufsehen
passiert. Niemand hat dazu einen Auftrag gegeben. Die Freude
darüber, dass das geschehen ist war allseits groß.
Arbeit
ist notwendig. Sie ist sinnstiftend, wir bekommen dafür Lob und
Anerkennung. Neben bezahlter Arbeit gibt es noch die unbezahlte -
meist unbedankte - Arbeit, die genauso wichtig und notwendig ist.
Familie funktioniert nur, weil Erziehungsarbeit und Hausarbeit
selbstverständlich geleistet werden. Eine aktive Dorfgemeinschaft,
ein lebendiges Pfarrleben oder engagierte Vereinsarbeit gibt es nur
dann, wenn sich genug Leute finden, die unentgeltlich und
selbstverständlich mitarbeiten, so wie es beim Karler Apostelkreuz
geschehen ist.
Das
Schöne an der Arbeit ist, dass sie eigentlich das Schöpfungswerk
Gottes fortsetzt. Schöpfung ist aber nicht nur etwas Materielles
sondern auch etwas Ideelles. Wenn wir auf Jesus Christus, den
Handwerker von Nazaret schauen, sehen wir, dass er die Mühen der
Arbeit auf sich genommen hat, um Leben zu können. Neben seiner
handwerklichen Arbeit hat er aber auch Heilsarbeit geleistet, die
dem Menschen diente. Daraus ergibt sich für uns Christen der
Auftrag, im Dienst der Gemeinschaft auch unbezahlte Arbeit zu
leisten!
Donnerstag, 20. September 2007
Auf
Christus schauen - junger Mensch!
Als
Mutter oder Vater sind wir besorgt, wenn wir die Meldungen über die
Alkoholexzesse junger Menschen hören. Kein Elternteil will, dass
sein Kind als Alkoholleiche im Krankenhaus landet. Dabei sind es wir
Eltern, die die Erstverantwortung haben. "Je mehr Probleme, desto
mehr Suff!" hat mir ein Experte in Sachen Alkohol einmal gesagt.
Probleme junger Menschen sind vielfältig. Eines davon ist wohl die
fehlende Verantwortung und eine sinnstiftende Aufgabe, die junge
Menschen zweifellos brauchen. Freiwillige Feuerwehr, Musikvereine
oder Sportvereine haben keine Nachwuchsprobleme. Die jungen Menschen
sagen sich: "Das hat Sinn, da mach ich mit!" Wenn dann bei solchen
Vereinen das organisierte Betrinken im Mittelpunkt steht, wird aus
dem Sinn ein Unsinn. Hätten wir hier nicht eine Aufgabe im
christlichen Sinn? Müssten wir da nicht gegenzusteuern, indem wir
solche Vereine zu alkoholfreien Vereinen machen?
Beim
25-jährigen Bestandsjubiläum vom christlich sozialen Kolping-Verein
in Karl gab es nur alkoholfreie Getränke. Es war trotzdem gesellig,
es waren nicht weniger Besucher als sonst und der Alkohol ging
niemandem ab. Ein Beweis dafür, dass Feiern auch ohne Alkohol
möglich ist. Wenn wir auf Jesus Christus schauen, hat er Menschen
mit Problemen nicht verurteilt, er hat nicht zugesehen wie sich
seine Mitmenschen selbst zu Grunde richteten, sondern er hat
Lösungen angeboten und gehandelt.
Freitag, 21. September 2007
Auf
Christus schauen - alter Mensch!
In
letzter Zeit ist es wieder etwas ruhiger geworden um den
Generationenvertrag. Was heißt Vertrag zwischen den Generation,
zwischen alt und jung? In erster Linie denken wir an Geld. Wir
denken daran, dass die jüngere Generation mit ihren
Pensionsbeiträgen die Pensionen der Alten zahlt. Dass sie jemals
eine Pension bekommen und wie hoch die sein wird, ist nicht gewiss.
Aber
gibt es nicht noch einen anderen, einen ideellen
Generationenvertrag. Einen Generationenvertrag bezüglich
Wertevermittlung und Glaubensvermittlung. Hier können die Alten den
Jungen noch viel Wissen weitergeben, viel Erfahrung vermitteln. Das
hat nichts mit Besserwisserei oder moralisieren zu tun.
Ich
beobachte immer wieder, wie interessiert und gespannt junge Menschen
zuhören, wenn Ältere Ihr Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben und
Geschichten aus der Vergangenheit erzählen. Wenn wir auf Jesus
Christus schauen, sehen wir, dass auch er erzählt, berichtet, Werte
darlegt oder in Gleichnissen Beispiele gibt. Die Nebensätze und die
scheinbaren Nebensächlichkeiten sind es, die junge Menschen
aufnehmen und ihr Handeln danach ausrichten. Bleiben die Alten
stumm, geht ihr Wertekapital verloren ohne dass es die Jungen
aufgenommen haben.
Samstag,
22. September 2007
Auf
Christus schauen - schau auf Christus!
Wenn
wir das Motto des Papstbesuches von Benedikt XVI. "Auf Christus
schauen" umdrehen heißt es: "Schau auf Christus!" Das erinnert mich
daran, als ich als Kind auf meine kleine Schwester aufpassen musste:
"Schau auf Lisi!" befahl mir meine Mutter. Das hieß: übernimm
Verantwortung, schau, dass ihr nichts passiert, dass sie sich nicht
verletzt oder davonläuft! Ist es notwendig, dass wir auf Jesus
Christus aufpassen? Kann er auch davon laufen oder sich verletzen?
Ich denke, wir müssen nicht auf ihn aufpassen, aber wir müssen
aufpassen, dass wir ihn nicht allzu sehr verklären. Wir müssen ihn
als Menschen sehen, der bei uns ist, der unsere Sorgen sieht und uns
leitet und begleitet. Dazu müssen wir ihn aber mitnehmen, ihn zu
Wort kommen lassen, mit ihm reden. Vieles in unserem Leben ist
automatisiert. Es gibt eine Frage, eine Situation, ein Problem und
sofort haben wir die Lösungen parat. Es gibt auch Probleme und
Situationen, die ausweglos erscheinen. In solchen Situationen ist
uns Jesus Christus näher, weil wir ihn suchen, um eine Lösung zu
finden. Wenn wir dann so handeln, wie Jesus gehandelt hätte, ist das
Ergebnis zufriedenstellend. Also passen wir auf, damit uns Jesus
Christus nicht davonläuft.
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