Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Msgr. Horst
Michael Rauter, Bischofsvikar in Klagenfurt
Sonntag, 23. September 2007
Erster Tag der Woche, Tag des Herrn
– das sind für Christen Bezeichnungen für den Sonntag.
Dieser so besondere Tag ist heute
vielfach „verkommen“ zu einem Tag, der zum „letzten“ des Wochenendes
geworden ist. Einsame Leute fürchten diesen Tag, weil sie nicht
wissen, wie und mit wem sie ihn verbringen sollen und für viele
berufstätige Frauen ist der Sonntag die letzte Möglichkeit zu
erledigen, wozu unter der Arbeitswoche keine Zeit geblieben ist.
Die Sonntagsmesse ist nicht mehr
Mittelpunkt dieses Tages, man sucht etwas zu erleben, etwas zu
kaufen und auf diese Weise auch den Sonntag zu konsumieren.
Papst Benedikt XVI. hat im
Stephansdom in seiner Predigt darauf hingewiesen, wie sehr sich doch
der Sonntag in unserer westlichen Gesellschaft vom wichtigsten Tag
der Woche gewandelt hat zum Tag der „freien Zeit“. Freie Zeit ist
etwas, das gerade in unserer Leistungsgesellschaft schön und
notwendig ist, fehlt dieser freien Zeit aber die „Orientierung“ für
die ganze Woche, dann wird sie schließlich zur „leeren“ Zeit.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie heute
keinen „leeren“ Sonntag haben, sondern einen, der sie stärkt und
dessen Feier Ihnen hilft, auch den Alltag zu leben.
Montag, 24. September 2007
Wenn dein Alltag dir arm erscheint,
klage ihn nicht an,
klage dich an,
daß du nicht stark genug bist,
seine Reichtümer zu rufen
Rainer Maria Rilke fordert in diesen
Versen dazu auf, die Reichtümer des Alltags zu rufen und ich möchte
Sie mit „Alltagsgedanken“ durch diese Woche begleiten.
Der Alltag ist für die meisten von
uns ein Arbeitsalltag. Die Fragen, welche Reichtümer so ein banaler
Tag für uns habe oder haben soll, darf gestellt werden.
Die Antwort hängt davon ab, was wir
selbst als etwas betrachten, das unser Leben reicher macht. Jeder
Morgen und jeder Tag ist „Anfang“, dem, wie es in einem Gedicht
Hermann Hesses heißt, „ein Zauber inne wohnt“. Der Zauber des
Alltags ist das „Beginnen“, der täglich neue Anfang, der uns
geschenkt ist. Ob die tägliche Arbeit, der Weg zur Schule, das
Zusammentreffen mit Menschen, die man schon lange kennt und die zu
„Alltagsmenschen“ geworden sind, immer kann alles das zu „Neuem“
werden, seien wir bereit, in jeden Alltag hineinzugehen und ihn als
einen Anfang des Neuen zu erleben.
Dienstag, 25. September 2007
Der große Theologe Karl Rahner hat
von der „Gnade des Alltags“ gesprochen – und da regt sich bei dem
einen oder anderen von Ihnen jetzt Widerspruch. Die Arbeit ist in
vielen Fällen nicht eine, die man als „gnadenvoll“ bezeichnen kann.
Arbeit und Beruf zwingen immer dazu, dass man sich einfügen muss in
Strukturen. Eingeengt fühlt sich da mancher, hineingezwängt. Noch
etwas kommt dazu: Das „Werkstück“, das man geschaffen hat, ist nicht
mehr sichtbar, untergetaucht in den Dateien der Computer, kaum mehr
nachvollziehbar, was man am heutigen Tag geleistet hat.
Früher war das anders: Das
aufgeladene Fuder am Bauernhof, der neu gedoppelte Schuh, ja selbst
das noch gemeinsam eingenommene Mittagessen haben die geleistete
Arbeit „hergezeigt“.
Und trotzdem! Auch unter den
geänderten Bedingungen der modernen Arbeitswelt kann Arbeit
erfüllend sein, ganz gleich, ob das nun Arbeit in einer Fabrik, an
der Kasse des Supermarktes oder im Büro eines weltumspannenden
Konzerns ist. Wenn wir jede Arbeit sehen als Teilstück eines Ganzen,
dann ist jede Arbeit auch eine „schöpferische“ und wir können das
Wort Karl Rahners von der „Gnade des Alltags“ annehmen, erkennend,
dass wir selbst ein Teil der Schöpfung sind.
Mittwoch, 26. September 2007
Ihr erstes Wort an einem neuen Tag
ist das noch halb verschlafene „Guten Morgen“, ihr letztes am Abend
ein gemurmeltes „Gute Nacht“. Und dazwischen den Tag über und oft
recht gedankenlos der eine oder andere ganze Satz.
Alltagssprache ist heute oft Sprache
in Kürzeln, alte Leute, die das „Simsen“ nicht beherrschen, erleben
„sprachlose“ Tage, sie möchten gerne angesprochen werden, aber
niemand spricht mit ihnen.
Welches Wort aber möchte jeder
Mensch am liebsten hören? Es ist kurz und heißt JA! „Ja“ sagt man im
Deutschen, „oui“ auf französisch, „si“ in Italien und das polnische
„tak“ ist leicht zu merken. Ein Ja erwarten wir auf eine Bitte, ein
Ja drückt die erhoffte Zustimmung aus und das ernste Ja, das Mann
und Frau einander im Sakrament der Ehe zusprechen, ist eines, das
für das ganze Leben aneinander bindet.
Und dann ist da noch das Wort LIEBE
– tausende Male besungen in den Versen der Dichter und hemmungslos
verschludert in Schlagern und Songs - und wohl auch, ohne dass man
den Gehalt seiner fünf Buchstaben bedacht hätte, im Alltag
verwendet.
„Deus Caritas est – Gott ist die
Liebe“, schrieb Papst Benedikt XVI. Wer an diese göttliche Liebe
denkt, der ist sparsam im Umgang mit diesem großen Wort „Liebe“.
Donnerstag, 27. September
Alltagsgerede – zuhören kann, wer in
einem Cafehaus sitzt, am Markt einkauft oder in einem öffentlichen
Verkehrsmittel einfach nur die Ohren offen hält. Was da so
mitgeteilt wird, wirkt wie eine zerknitterte Eintrittskarte, die
Veranstaltung ist vorüber, man spricht nicht mehr darüber, man
spricht auch nicht miteinander, sondern man redet meistens
„übereinander“.
Alltagsgerede – da wird gelästert,
da werden Geheimnisse ausgeplaudert, da wird Gehörtes wiedergegeben
– und nichts davon ist nachgeprüft. Und meist sind solche
Alltagsreden auch noch beleidigend für die, die nicht anwesend sind,
über die geratscht wird. Umweltverschmutzung ist solches Gerede und
der Einbau von „Filtern“ wäre angebracht, damit Gespräche keinen
Giftstoff mehr enthalten können.
Es gibt, so steht es im Buch „Kohelet“
des Ersten Testaments, eine Zeit des Redens und eine Zeit des
Schweigens.
Anstatt übereinander zu reden, wäre
eine Zeit des Schweigens heilsam.
Freitag, 28. September 2007
Alltagslärm – er umgibt uns immer
und überall! Es gibt den Lärm, der gar nicht vermeidbar ist –
Mistkübel können nicht lautlos entleert werden, Autos haben
Motorengeräusche, alle Arten von Bauarbeiten sind Lärm erzeugende
Tätigkeiten – die absolute Stille kann es da nicht geben, wo
Menschen leben.
Daneben gibt es die
Alltagsgeräusche: Das Lachen spielender Kinder, das Öffnen der Tür
des Nachbarn, das Stimmengewirr vor den Schultüren, und - wenn man
Glück hat, dann kommt man an einer offenen Kirchentür vorbei, ein
Organist übt gerade und plötzlich trägt uns Musik weit hinaus über
den Alltag.
Nicht alles, was uns ungebeten im
Alltag „zu Ohren kommt“, ist bloßer Lärm – vieles ist, wenn man
genau hinhört, Geräusch oder Ton, die anzeigen, dass wir in
Gemeinschaft leben. Für das Glück, nicht ganz allein auf der Welt zu
sein, sollte man auch Alltagslärm in allen seinen Formen aushalten
können.
Samstag, 29. September 2007
Alltagsbilder sind es, die jedem von
uns zuerst vor Augen kommen, wenn wir Haus und Wohnung verlassen.
Was sich am Alltagsbild ändert, hängt ab von der Uhrzeit.
Um 6 Uhr früh schaut die Stadt noch
recht verschlafen aus, nur die Geschäfte der Bäcker sind schon
geöffnet, wenige Leute sind unterwegs.
Zwischen 7 und 8 Uhr drängen sich in
den Straßen die Autos, Fußgänger hasten zur Arbeit, Schulkinder sind
unterwegs, vor den Kindergärten werden die ganz Kleinen abgegeben
und auch die Türen der Geschäfte öffnen sich.
Mein eigener morgendlicher Weg führt
stets in die Domkirche zum täglichen Gebet mit meinen Mitbrüdern.
Mein erster Blick dort geht zum Hochaltar – dieser Blick ist zwar
einer, den ich täglich dorthin wende und doch viel mehr als ein
Alltagsbild. Das von Daniel Gran geschaffene Gemälde zeigt die
Apostel Petrus und Paulus in Rom, der Stadt, in der sie beide den
Märtyrertod erlitten haben. Und doch zeigen die Gesichter der
Apostel eine fast heitere Gelassenheit.
Diese Gelassenheit, die sich nährt
aus der Sicherheit, aufgehoben zu sein in Gottes Hand, die wünsche
ich allen – auf Ihrem Weg durch den Alltag.
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