Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Zisterzienserpater Justin Minkowitsch, Kaplan in der Pfarre
Wilhelmsburg, NÖ
Sonntag, 14.10.2007
Das erste Wort der
Regel des Hl. Benedikt ist programmatisch fürs Ganze: Benedikt
beginnt mit dem Wort „höre“. Es ist die Aufforderung zum
aufmerksamen Hinhören, zum Hören mit dem Herzen.
Geistliche Betätigung,
sei es das Gebet, die Kontemplation oder auch das Lesen in der
Heiligen Schrift, ist immer ein Antwortgeschehen. Die Größe Gottes –
vor allem jenes biblischen Gottes im jüdisch-christlichen
Verständnis – zeigt sich vor allem darin, dass er herabschaut, ja
sogar herabsteigt. Der unendlich Ferne und Unfassbare wird zum Du,
zum Vater. Und der lädt zur Begegnung mit ihm ein, zum Dialog.
Beim Gebet geht es
somit vor allem um Vertrauen. Und selbst das winzig kleine Vertrauen
– so groß wie das sprichwörtliche Senfkorn – reicht aus, um von Gott
Großes zu erhalten. In der Sprache einer Hl. Theresa von Avila hört
es sich so an: Gott gibt schon in diesem Leben hundert für eins. Wir
brauchen nur den anfänglichen Mut zu haben, eins zu geben.
Nehmen Sie zum
Beispiel einen Satz der Bibel als Programm für den Tag. Wer einen
Satz lebt, sagt man ja auch, der lebt das Ganze.
Montag, 15.10.2007
Was zeichnet die
berühmte Regel des Hl. Benedikt eigentlich aus? Und warum hat gerade
sie so weite Verbreitung gefunden und ist bis heute Grundlage des
klassischen Mönchtums?
Es ist die
Ausgewogenheit der Regel. Der Schlüsselbegriff zum berühmten ora et
labora – bete und arbeite – führt zum Begriff des rechten Maßes.
Allerdings - das richtige Maß sieht für jeden anders aus.
Mein Pfarrer
beispielsweise – auch ein Zisterzienser im niederösterreichischen
Kloster Lilienfeld - praktiziert dazu eine recht originelle
Lebenspraxis im Bezug auf die Maßhaltung. Er berechnet sein Maß
grundsätzlich über eine ganze Woche. Und wenn, so wie heuer im
Frühjahr und Sommer jedes Wochenende Hochzeits- und Taufessen auf
seiner Tagesordnung standen, mahnt er regelmäßig halblaut, aber
unüberhörbar für seine Umgebung seinen Hund: „Gell, die Tog homa
jetzt wieder über die Schnur g´haut…“ Und seine Haushälterin
versteht immer die Botschaft - bis Freitag gibt es dann täglich
fleischlose und fettarme Küche.
Sein Maß zu finden und
zu halten, zählt zur hohen Lebenskunst. Und erst recht im
zwischenmenschlichen Zusammenleben: jedem soviel zuzugestehen und
abzuverlangen, wie es für ihn gut und passend ist.
Ich wünsche Ihnen viel
Erfolg dabei, das richtige Maß für sich zu finden und dabei
vielleicht auch ihren inneren Mönch zu entdecken.
Dienstag,
16.10.2007
Seit unserem letzten
Fußballspiel geht mir eine Szene nicht aus dem Kopf. Ich sehe einen
unserer Jugendlichen vor mir, einen aus Serbien stammenden Schüler,
wie er am Spielfeld den Fußball küsst, ihn danach zur Mittelauflage
trägt, hinlegt und sich schließlich bekreuzigt. Sicherlich nur eine
winzige Begebenheit, aber das Motto des Hl. Benedikt von Nursia
meint auch solche kleinen Gesten, wenn er sagt: „Auf dass in allem
Gott verherrlicht werde“!
Eine andere
Benediktinerregel wiederum bezieht sich auf die Achtsamkeit, sie
lautet: Alle Werkzeuge für die Arbeit seien so zu behandeln wie
heiliges Altargerät.
Insgesamt kommt es
eben tagtäglich immer auf unsere Achtsamkeit beim Handeln an - ob
mit einem Buch in der Hand, bei Tisch, im Garten oder auf Reisen –
jedes sorgsame Tun bietet Gelegenheit, Gott zu verherrlichen. Und
gerade der Herbst bietet jetzt reichlich Möglichkeit dazu. Gönnen
Sie Ihrer Seele Atempausen in der Natur, genießen sie – wann immer
es geht - kurze Augenblicke bewusster Wahrnehmung im Freien. Gott
hat sich verherrlicht in seiner Schöpfung - und wir können und
sollen Kraft daraus schöpfen. Stellen Sie sich dazu vor allem eines
vor: das alles ist für mich gemacht. Wer es sorgfältig mit der
Achtsamkeit des Herzens nutzt - für sich selbst und sein Wohlergehen
– der gebraucht es auch zur Verherrlichung Gottes.
Mittwoch,
17.10.2007
„Jedem seine Droge –
Doping in der Leistungsgesellschaft“ - sie war kaum zu übersehen -
die Schlagzeile in einer Zeitschrift, die mir kürzlich in die Hände
fiel.
Die ersten Sätze des
Leitartikels lauteten: „Die Anforderungen der heutigen
Leistungsgesellschaft steigen und steigen. Eine wachsende Zahl von
Menschen kommt damit nicht mehr zurecht. Hilfsmittel zur
Leistungssteigerung oder zur Betäubung müssen her.“
Unwillkürlich musste
ich an einen Satz des deutschen Medizinprofessors und
Psychotherapeuten Joachim Bauer denken, der in seinem Buch „Prinzip
Menschlichkeit“ schreibt: „Die beste Droge für den Menschen ist der
Mensch!“ Prof. Bauers Studien weisen nach, dass unser Gehirn auf ein
gelungenes Miteinander reagiert, und zwar durch Ausschüttung von so
genannten Botenstoffen, die gute Gefühle und Gesundheit erzeugen.
Wie verhält man sich
nun aber Menschen gegenüber, deren Nähe in einem selbst nicht so
leicht Glücksgefühle auslöst? „Lästige ertragen“ – gilt als eines
der Werke der Barmherzigkeit. Die Lästigen sind der Prüfstein für
die eigene Tugendhaftigkeit. Erst in der Nähe schwieriger Menschen
sieht man, ob und wie einer fähig ist, zu verzeihen – wie geduldig
er ist und ob seine Liebe so wie die Liebe Gottes allen gilt.
Gerade die Lästigen
brauchen wir, um nicht die Realität der Unvollkommenheit – vor allem
unsere eigene – aus den Augen zu verlieren.
Ich wünsche Ihnen,
dass heute möglichst viele Menschen von Ihrer Seite erfahren, was
damit wirklich gemeint ist: Die beste Droge für den Menschen ist der
Mensch!
Donnerstag,
18.10.2007
Wie gut gehen Sie
eigentlich mit sich selbst um? Haben Sie sich das volle Vertrauen in
das Leben bewahrt – trotz so mancher Enttäuschung und trotz eigener
Fehler? Der Benediktinerpater und Autor Anselm Grün lässt uns Mut
schöpfen: „Nicht die Fehlerlosigkeit bringt uns dem Herzen Gottes
näher“, meint er, „sondern unser Mitgefühl mit uns und unseren
Schwächen und mit den Menschen um uns herum“. Starke, ja stärkende
Worte. Wer mit sich selbst gut umgehen will, braucht Geduld und darf
vor allem die Auseinandersetzung mit sich selbst nicht scheuen, auch
nicht mit seinen negativen Gedanken. Aussöhnung mit sich selbst,
gelingt im Hinschauen empfiehlt der Hl. Benedikt. Gedanken, die in
mir hochsteigen anschauen, mit ihnen sprechen, sie womöglich vor
Gott anschauen – das ist damit gemeint. Mir hilft dabei z.B.
Bewegung, etwa das Schwimmen als bewusste Durchbrechung des Alltags.
Oder das Hören von klassischer Musik, die durch ihre Harmonie die
Tür der eigenen Begrenztheit aufstößt. Vor allem aber das vertraute
Gespräch. Wem es gelingt, an sein Inneres zu rühren, dem fällt es
leichter, sich mit sich selbst zu versöhnen.
Gehen Sie also zu
allererst gut mit sich selbst und ihren Fehlern um – durch
Hinschauen und Aussöhnen.
Freitag, 19.10.2007
Vielleicht tun Sie es
manchmal unbewusst oder Sie praktizieren es ohnehin schon regelmäßig
und mit Bedacht: das Rückschau halten auf Erlebnisse und Ereignisse
aus der unmittelbaren Vergangenheit. Sie vergegenwärtigen sich dabei
Personen, mit denen sie kürzlich zusammengetroffen sind und erinnern
sich dabei an Orte und Situationen.
Für den Hl. Ignatius
von Loyola war diese tägliche Rückschau, ohne sofortige Bewertung
der Geschehnisse, unverzichtbar. Er nannte dieses Vergegenwärtigen
sogar „Gebet liebender Aufmerksamkeit“ und schrieb diesem
Lebensenergie zu.
Denn Gott umarmt uns
durch die Wirklichkeit – und in der Wirklichkeit, die auf uns
einwirkt, wirkt er.
Das Gebet der
liebenden Aufmerksamkeit kann aber auch durch die Dunkelheiten eines
Tages helfen, indem ich alles das, was ich nicht verstehen kann oder
was mir zu schaffen macht, vor Gott bringe. Ein solches Gebet der
liebenden Aufmerksamkeit lässt sich übrigens auf drei Arten
anwenden: als Rückschau, als Vorausschau oder ganz einfach als
geistige Zwischenpause mitten im alltäglichen Tun und Begegnen.
Liebend aufmerksam zu
sein bedeutet zu ahnen, dass alles, was ist und geschieht, eben
nicht alles ist. Sondern, dass sich dahinter noch etwas verbirgt:
Die Erkenntnis, dass Gott unsere Herzen täglich durch seine
Wohltaten gewinnen möchte.
Samstag, 20.10.2007
Wir haben es oft und
oft gehört: das Entscheidende in der Erziehung ist das Vorbild.
Nichts motiviert so sehr zum Gutsein wie die Güte einer Person. Auch
im Kloster benediktinischer Prägung soll es einen geben, der die
Weisung Christi mehr durch die Taten als durch seine Worte lebendig
macht. Einen, der für die Gemeinschaft buchstäblich wie ein Vater
ist – im Wortsinn bedeutet ja Abt soviel wie „Vater“.
Und tatsächlich sind
die uralten Weisungen für den Abt in der Benediktinerregel geeignet,
uns alle, ob Vater, Mutter oder Manager zu inspirieren.
Zuallererst wird vom
Abt verlangt, dass seine erste Sorge dem Menschlichen gilt und nicht
etwa dem Klosterbesitz. Ernst und Milde möge der Abt in sich
vereinigen. Moderner könnte man hier auch sagen: Mut und Diskretion
– also eine Kombination, um beim anderen anzukommen, ohne diesen zu
verletzen.
Deshalb: Sparen auch
Sie in Beruf und Alltag nicht mit Worten der Ermunterung und
Motivation und schenken Sie ihren Mitmenschen Gehör. Kurzum: Mühen
Sie sich, das zu leben, was auch Sie von anderen erwarten. Worte
überzeugen – Taten reißen mit!
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