Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
„Die Botschaft
der Glocken“
von Pfarrer
Wilfried M. Blum (Rankweil, Vlbg.)
Sonntag, 21.
Oktober 07
Vielleicht hat
Sie der Wecker aus dem Schlaf geläutet oder die Glocken von einem
Kirchturm. Wahrscheinlich an keinem anderen Tag in der Woche läuten
so viele Glocken in Österreich und in vielen anderen Ländern wie an
einem Sonntag.
Glocken gehören
zur christlichen Tradition. In Österreich sind es mehr als 15.000.
Obwohl sie noch
häufig zu hören und daher fast selbstverständlich sind, werden sie
dennoch kaum mehr wahrgenommen.
Ich gestehe,
dass ich ein großes Faible für wohlklingende Glocken habe. Deshalb
möchte ich Sie auf diese wunderbaren und klangstarken Instrumente
wieder etwas mehr aufmerksam machen.
Bei einem
Glockenguss dabei zu sein und das Werden einer Glocke miterleben zu
dürfen, gehört zu den am meisten berührenden und ergreifenden
Augenblicken. Es gleicht einem gottesdienstlichen Ereignis: das
gespannte Warten, das Gebet der Glockengießer vor dem Anstich, dann
das Fließen der feurigen Masse in die eingemauerten Formen und
schließlich nach Tagen das bange Warten, ob der Guss wohl gelungen
ist.
Horchen Sie
heute einfach einmal auf das Läuten der Sonntagsglocken.
Montag, 22.
Oktober
Was in größeren
Städten immer weniger zu hören ist, das hat auf dem Land noch mehr
Bedeutung: das Läuten der Glocken.
Glocken zählen
zu den Musikinstrumenten und prägen bei uns noch hörbar den Rhythmus
der Tageszeiten. Die Uhrzeit durch den Glockenschlag zur Viertel-,
Halb- oder vollen Stunde gibt dem Tag einen Zeitrahmen. Das Läuten
der Glocke am Morgen, Mittag und Abend lädt zum Gebet ein. Das so
genannte Angelus-Läuten kommt aus einer alten Volksfrömmigkeit, die
zu den Eckzeiten des Tages mit dem Gebet des „Engel des Herrn“ an
die Menschwerdung Gottes erinnert. Es will bewusst machen, wie sehr
Gott in seiner Zuwendung zu uns und zu jeder Stunde des Tages
gegenwärtig ist. Wer das verinnerlicht, der lebt anders in den Tag
hin, nämlich: bewusster, dankbarer und zufriedener; aber auch in der
Gewissheit, in allen schönen und ebenso schweren Stunden von Gott
mitgetragen zu sein. So sind Glocken immer neu verlässlich hörbare
„Botschafter Gottes“.
Vielleicht
gelingt es Ihnen heute einmal, aufmerksam hinzuhören, wo und wie in
ihrem Umfeld Glocken zu hören sind. Manchmal kann es auch eine
klingende Einladung zu einem kleinen Stoßgebet des Dankens oder
Bittens sein.
Dienstag, 23.
Oktober 07
Wird in ihrer
Gemeinde geläutet, wenn ein Kind geboren wurde? Nur wenige
Pfarrgemeinden läuten deshalb. Und das finde ich schade! Etwas
zugespitzt formuliert: Das Leben gehört vorrangig eingeläutet, eher
als der Tod. In einer Gesellschaft, die immer ärmer an Kindern wird,
könnten christliche Kirchen so ein hörbares Zeichen der Freude über
ein neues Leben setzen.
Es zieht sich
wie ein roter Faden durch die Bibel, dass der jüdisch-christliche
Gott ein Gott des Lebens und nicht des Todes ist. Jesus spitzt es
provokant zu, wenn er fordert: Lass die Toten ihre Toten begraben;
du aber geh und verkünde das Reich Gottes! (Lk9,60)
Wir Christen
sind heute mehr denn je aufgerufen, Botschafter des Lebens zu sein –
in allen Bereichen. Eine Möglichkeit ist, dass nach der Meldung der
Geburt oder nach der Taufanmeldung geläutet wird. In größeren Orten
könnte man am Sonntag die Neugeborenen verkünden und dann für sie
gemeinsam läuten.
Eine solch
hörbare Botschaft des Lebens kann dann einladen, für den neuen
Erden-bürger ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken. Ich bin
überzeugt, dass so mit der Zeit eine neue Qualität der Wertschätzung
des Lebens spürbar wird.
Mittwoch, 24.
Oktober 07
In vielen
Pfarrgemeinden lebt noch der Brauch, dass bei Meldung eines
Sterbfalles die so genannte Totenglocke geläutet wird. Wenn für die
Feiern des Lebens die Glocken ertönen, dann macht es Sinn, dass auch
der Heimgang eines Menschen aus der Gemeinde verkündet wird. In
einigen Pfarren wird sogar durch unterschiedliches Läuten hörbar, ob
eine Frau, ein Mann oder ein Kind gestorben ist. Wie sinnvoll das
heutzutage noch ist, sei dahingestellt.
In einer Zeit,
die sehr durchgeplant und bis ins Detail nach Nutzen und Profit
durchgerechnet ist, kann die Totenglocke eine heilsame Unterbrechung
sein, die zum Nachdenken über den eigenen Lebensstil und über die
Vorläufigkeit des Lebens anregen will. Sie ruft zur Solidarität mit
den Hinterbliebenen, was heute nicht mehr so selbstverständlich ist.
Schließlich lädt
die Totenglocke auch ein, für den Verstorbenen und deren Familien
sowie für eine gute eigene Sterbestunde zu beten. Wer weiß denn
schon, für wen die Totenglocke als nächstes läuten wird? Nicht von
ungefähr wird häufig das Kirchenlied gesungen: Wir sind nur Gast auf
Erden...
Donnerstag, 25.
Oktober 07
Bei uns in
Rankweil wird bei herannahendem Unwetter die große Glocke geläutet.
Unsere Mesnerin Anni kennt dafür keine Tages- oder Nachtzeit. Denn
sie ist überzeugt, dass es hilft und so schon viel Unheil abgewendet
werden konnte.
Ob die Wirkung
des Wetterläutens nachweisbar ist oder ob alles nur Vermutung ist,
darüber lässt sich lange streiten. Ich selbst bin da eher skeptisch
– vor allem wenn sich dann das Unwetter womöglich in einer anderen
Gemeinde entlädt.
Abgesehen davon
- es lässt sich diesem uralten Brauch auch heute noch ein tiefer
Sinn abgewinnen. Nach Jahrzehnten der vermeintlichen Beherrschung
der Natur verspüren wir immer mehr, wie hilflos wir doch letztlich
den Urgewalten ausgeliefert sind. Die vermehrt auftretenden
Hochwasser- und Lawinenkatastrophen, Murenabgänge und Dürreperioden
sollten uns Menschen doch etwas demütiger werden lassen.
Die Wetterglocke
kann durch ihr Läuten in Erinnerung rufen, wie ausgeliefert wir der
Natur gegenüber sind und wie sehr wir unsere Verantwortung für die
Schöpfung ernst nehmen müssen. Glocken mahnen, die Schöpfung nicht
zu unterjochen, sondern mit ihr als Geschenk Gottes
verantwortungsvoll umzugehen.
Freitag, 26.
Oktober 07
Es war an einem
Freitag im Sommer. Ich gehe in die Innsbrucker Jesuitenkirche.
Traditionsgemäß zur Sterbestunde Jesu läutet die Herz-Jesu-Glocke
oder auch Schützenglocke genannt. Der tiefe Klang der über 9 Tonnen
schweren Glocke tönt über die Stadt. Ergriffen lass ich mich darauf
ein und erinnere mich an den Tod Jesu. Plötzlich fasziniert mich,
dass an tausenden Orten zur selben Zeit die Botschaft klangvoll
verkündet wird: Jesus Christus hat radikal geliebt, er hat
durchgehalten, wurde deshalb am Kreuz ermordet – entblößt und zur
Schau gestellt.
Mir wird
bewusst, was dieser Tod für mich und unsere Welt bedeutet. Der tiefe
Klang der Glocke berührt alle tragischen Schicksale und Tode dieser
Welt. Mir fallen die unzähligen Opfer der Kriege und die unschuldig
zu Tode gefolterten Menschen ein.
Aber ich
empfinde ich auch, dass der Klang der Herz-Jesu-Glocke in dieser
hektisch-betriebsamen Stadt verhallt. Die Botschaft, dass Gottes
Herz für das Gute und gegen das Böse in dieser Welt schlägt, läuft
Gefahr überhört zu werden.
Wenn sie können,
hören Sie heute einmal auf das Läuten zur Sterbestunde Jesu um 15
Uhr.
Samstag, 27.
Oktober 07
In Mösern im
Oberinntal hängt die größte Glocke Tirols. Sie läutet jeden Tag um
17 Uhr für den Frieden. Diese Friedensglocke wurde aus Anlass des
25jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer und deren
Gründungsväter aus Tirol, Südtirol und Bayern als Symbol für den
Frieden im Alpenraum errichtet.
Die Botschaft
dieser mehr als 10 Tonnen schweren Glocke ist unüberhörbar: Friede
ist ein kostbares Gut, das mit allen uns zur Verfügung stehenden
Kräften geschützt und bewahrt werden muss. Nach einem leidvollen 20.
Jahrhundert dürfen wir dankbar für die gute Nachbarschaft der
Länder, die offenen Grenzen in Europa und den Willen für eine
gemeinsame gute Zukunft sein.
Die
Friedensglocke mahnt auch, den schleichenden Anfängen zu wehren, die
in unserer Gesellschaft Unfrieden stiften und gegen die Fremden und
Asylanten Brunnenvergiftung betreiben.
Die Glocke steht
mitten in einer wunderbaren Alpenlandschaft und ist deshalb auch
eine tägliche Mahnerin, alles zu tun, was unserer geschundenen
Schöpfung hilft, damit auch die nächsten Generationen noch gesund
leben können.
Das tägliche
Läuten der Friedensglocke ist ein Glück für die, die sie hören
können.
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