Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Bischof Herwig Sturm

 

 

Sonntag, 28. Oktober 2007

Ich hoffe Sie haben gut geschlafen, draußen ist es noch finster, aber Sie haben das Licht eingeschaltet und gestalten nun den neuen Tag. In der kommenden Woche erinnern und feiern wir den Thesenanschlag Martin Luthers, mit dem er 1517 die Reformation eingeleitet hat. Zu seiner Zeit gab es kein elektrisches Licht, nicht einmal eine Petroleumlampe, offenes Feuer, das gehütet werden musste, ein Kienspan den man daran entzünden konnte, Rauch, Schmutz und immer Gefahr eines Brandes. Da waren die Menschen dankbar, wenn die Nacht vorüber war und sie wieder Licht hatten und etwas sehen konnten.

 

Von Martin Luther ist ein Morgengebet überliefert, das auch ich gerne bete; es lautet:

Das walte Gott Vater Sohn und Heiliger Geist!

Ich danke dir, mein himmlischer Vater,

durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn,

dass du mich diese Nacht

vor allem Schaden und Gefahr behütet hast,

und bitte dich,

du wollest mich diesen Tag auch behüten

vor Sünden und allem Übel,

dass dir all mein Tun und Leben gefalle.

Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele

Und alles in deine Hände.

Dein heiliger Engel sei mit mir,

dass der böse Feind keine Macht an mir finde.

Auch wenn wir die Dunkelheit nicht mehr fürchten, so ist es doch schön, den neuen Tag in die Hände Gottes zu legen.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.


 

Montag, 29. Oktober 2007

Wissen Sie schon, was Sie heute anziehen werden, damit ihre Persönlichkeit auch gut zur Wirkung kommt?

Zur Zeit Martin Luthers, dessen berühmter Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517 in diesen Tagen wieder erinnert und gefeiert wird, konnte man an den Kleidern gut erkennen, mit wem man es zu tun hatte: Bauer, Bürger, Edelmann. Auch in der römischen Kirche waren und sind die Amtsträger durch ihre Kleidung klar unterschieden, Diakon und Priester, Bischof und Kardinal.

Auch Martin Luther war erkennbar durch seine Kutte als Mönch; mager vom

nächtelangen Beten und Fasten, getrieben von der Frage nach dem Heil. Luther hat dieses Heil gefunden in dem Heiland Jesus Christus. Wie die Tür zum Paradies ist ihm die Erkenntnis aufgegangen, nicht an mir, nicht an meiner Leistung entscheidet sich wer ich bin, sondern Gott hat sich für mich entschieden, ich bin angesehen von ihm, er erlöst mich durch Jesus Christus. Das wird mir zugesagt, ja durch das Wasser spürbar auf den Leib geschrieben in der Taufe, so sagt Luther: „Was aus der Taufe gekrochen ist, das ist Bischof, Priester und Papst.“

Diese Überzeugung schenkt eine Zuversicht und Freiheit, die sie mit keinem Kleidungsstück erwerben können. Ich wünsche Ihnen, dass sie in dieser fröhlichen christlichen Freiheit in den heutigen Tag hineingehen; sie sind angesehen von Gott, egal was sie anhaben.

 

 

Dienstag, 30. Oktober 2007

Das Verlangen nach viel Geld hat die Reformation ausgelöst; die 95 Thesen, die Martin Luther am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen hat, richten sich gegen den Ablass. Papst Leo X. wollte den Petersdom bauen, Kurfürst Albrecht von Mainz hatte hohe Schulden bei den Fuggern. Beide teilten sich den Erlös. Verkauft wurde der Schatz der guten Werke, über den die Kirche angeblich verfügt, aufgeteilt in viele Tausende Ablassbriefe. Mit diesen Briefen konnte man sich selbst oder auch Verstorbene von Sündenstrafen loskaufen, die man sonst im Fegefeuer abbüßen müsste. Ich muss gestehen, eine geniale Konstruktion, sie hat nur einen großen Fehler: Sie missbraucht die Sorge der Menschen um ihr Heil und verdirbt das Evangelium. So schreibt Luther in der These 45: „Man soll die Christen lehren, wer einen Bedürftigen sieht und ihm nicht hilft und statt dessen sein Geld für Ablass gibt, der hat sich nicht des Papstes Ablass, sondern Gottes Zorn erworben.“

Und in der These 49: „Man soll die Christen lehren, dass des Papstes Ablass nützlich ist, wenn man auf ihn nicht sein Vertrauen setzt, dass er aber mehr als schädlich ist, wenn man seinetwegen aufhört, Gott zu fürchten.“

 

Auch heute erleben wir in vielerlei Formen den Versuch, menschliche Hoffnungen und Bedürfnisse zu Geld zu machen. Es mag hilfreich sein, sich hier an der Reformation zu orientieren: Die Würde des Menschen ist ein Gottesgeschenk und unbezahlbar, das Heil hat Christus für uns erworben, umsonst.

 

 

Mittwoch, 31. Oktober 2007

Heute vor 490 Jahren hat Dr. Martin Luther seine 95 Thesen zum Thema Ablass an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen und damit die Welt verändert.

Herzstück seiner Botschaft war die neue Erkenntnis von der Gerechtigkeit Gottes.

Im Mittelalter wurde das Verständnis dieser Gerechtigkeit ausgedrückt mit dem Symbol der Waage: Jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat wird gewogen, kommt in die Schale der guten oder schlechten Taten. Der Mensch weiß nie, wie es um ihn wirklich steht; der Zeiger geht ständig hin und her. Auch Gott reagiert nur auf das, was wir Menschen tun; er zieht den Schlussstrich und spricht sein Urteil.

 

Für Luther war es die größte Befreiung, als er erkannte, dass dieses Gottesbild falsch ist. Aus der Bibel hat er erkannt, dass das Zeichen Gottes nicht die Waage ist, sondern das Kreuz. Jesus Christus breitet da die Hände aus für uns alle, diese Liebe steht nicht in Frage, was immer wir ihm auch anhängen, links oder rechts, er hält uns die Treue, wie der Apostel Paulus schreibt: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein“, oder Luther in seiner 62. These: „Der wahre Schatz der Kirche ist das allerheiligste Evangelium von der Herrlichkeit und Gnade Gottes.“

Dieser Schatz ist unvergänglich. Er kann auch heute das Leben reich machen.

Ich wünsche Ihnen einen guten gesegneten Tag.

 

 

Donnerstag 1. November 2007

Am heutigen Tag Allerheiligen gehen unsere Gedanken oder auch wir selbst zu den Gräbern unserer Lieben. „Der Tod ist der letzte Feind“, so sagt Paulus, „er vernichtet, was wir lieben und keiner kann ihm entrinnen.“

Aber diese Macht des Todes ist zerbrochen durch das Leiden Sterben und die Auferstehung Jesu Christi.

Martin Luther, der vor 490 Jahren die Reformation ausgelöst hat, hat 1519 ein Büchlein geschrieben von der Bereitung zum Sterben. Hier schreibt er: „Man muss im Sterben sich in die Angst hineinwagen und wissen, dass danach ein großer Raum und Freude sein wird.“ Und an seinem Totenbett, fast 30 Jahre später betet er: „Mein Herr Jesus Christus, lasst dir meine Seele befohlen sein, oh himmlischer Vater, ich weiß, ob ich schon von diesem Leib hinweg gerissen werde, dass ich bei dir ewig leben werde.“ Und er schließt mit einem Bibelwort: „Wir haben einen Gott, der da hilft und einen Herrn, der vom Tode errettet.“

Das Totenbildnis von Luther zeigt einen Menschen, der im Frieden gestorben ist. Die Zuversicht, dass unsere Toten in Gott leben, möge auch den heutigen Tag erfüllen mit Trost und Frieden.

 

 

Freitag, 2. November 2007

Heute, am Allerseelentag, gehen wieder viele Menschen zu den Gräbern ihrer Lieben. Sie schmücken sie und zünden Kerzen an als Zeichen des Gedenkens an die Verstorbenen und der Hoffnung auf das Licht des ewigen Lebens. Darin unterscheiden wir uns nicht, evangelische, katholische, orthodoxe Christen. Doch die katholische Kirche macht Unterschiede, ein Vatikanisches Dokument hat erklärt, dass die Kirchen aus der Reformation nicht Kirchen im eigentlichen Sinn seien, weil ihnen die apostolische Sukzession und die Priesterweihe zur gültigen Feier der Eucharistie fehlen. Martin Luther, dessen Thesenanschlag sich vor zwei Tagen zum 490. Mal gejährt hat, hat dazu gesagt: „Was Kirche ist, das weiß ein Kind von sieben Jahren: Die Versammlung aller Gläubigen, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden.“

Das ist unser Verständnis von Kirche: Der Grund ist Jesus Christus, der uns durch sein Leben und Sterben und Auferstehen gerettet hat zu einem Leben in Hoffnung und Liebe. Auf diesem Grund und Fundament sind unterschiedliche Gestalten von Kirche entstanden. Für alle gilt aber was Luther sagt: „Die ganze Welt soll und kann kein anderes Licht haben, durch das sie erleuchtet werden könne, als Christus allein. Dieser Glaube und Bekenntnis ist der rechte Grund, auf dem christliche Kirche gebaut ist. Dies ist auch der Kirche einziges Merkmal und Wahrzeichen an den man sie erkennen soll.“
 

 

Samstag, 3. November 2007

Als Dr. Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablass und die herrschende Bußpraxis veröffentlichte, hat wohl niemand geahnt, dass damit eine Erneuerung der Kirche und eine Veränderung der Welt beginnen würde, die bis heute ihre Auswirkungen hat: Die Übersetzung der Bibel ins Deutsche, damit Jeder und Jede Gottes Wort selber lesen und zu dieser Quelle des Lebens kommen kann. Die mündige Gemeinde, weil Christen keinen Vormund brauchen, sondern ihren Glauben aus der Predigt und aus dem Wort Gottes gewinnen und im Gespräch miteinander prüfen. Die Wertschätzung der weltlichen Arbeit als eine Berufung, Verantwortung zu übernehmen für die von Gott uns anvertraute Welt.

Die Reformation hat uns das Evangelium wieder erschlossen, nämlich dass wir den Himmel nicht verdienen müssen, er ist uns unverdient, darum aber gewiss von Gott aus Liebe aufgetan. Wer den Himmel nicht verdienen muss, hat die Hände frei für die Erde. Wer um sein Seelenheil nicht sorgen muss, kann sich um Arme und Kranke kümmern. Wer eingeladen wird an den Tisch der Versöhnung, der kann diesen Platz teilen mit anderen, ohne Unterschied der Rasse, der Sprache und des Geschlechtes.

So schreibt der Apostel Paulus: „So besteht nun in der Freiheit zu der Euch Christus befreit hat.“