Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrer Dr. Adolf Karlinger (Innsbruck)

 

 

Sonntag, 2.12.2007

Das verschlossene Tor    

 Heute am 1. Adventsonntag singt man in allen Kirchen: „Tauet Himmel den Gerechten, Wolken regnet ihn herab! rief das Volk in bangen Nächten, dem Gott die Verheißung gab, einst den Mittler selbst zu sehen und zum Himmel einzugehen; denn verschlossen war das Tor bis der Heiland trat hervor“. Das Tor war verschlossen, hoffnungslos verschlossen bis einer kam, der als einziger das Himmelstor öffnen kann.
Aber was ist mit denen, die vor Jesus Christus gelebt haben? Für die hat der Erlöser das Tor nachträglich aufgemacht, so sagt man. Und  was ist mit den Menschen, die nicht Christen sind, die Buddhisten und die Hinduisten und die Muslime und die Juden? Vertreter anderer Religionen haben in ihrem Leben meist nur ihre Religion kennen und leben gelernt. Ist für sie auch das Tor des Himmels verschlossen? Ist für diese auch nur der Jesus von Nazareth zuständig, um das Tor aufzumachen? Was ist mit denen, die aus der Kirche ausgetreten sind und die vom christlichen Glauben abgefallenen, weil sie irregeworden sind, weil sie die Botschaft nie richtig verstanden haben, ist für diese alle das Himmelstor verschlossen? Für immer verschlossen? Oder gibt es vielleicht doch einen Spalt, durch den man zumindest wie durch eine Hintertür hineinschlüpfen kann? Will Gott nicht doch das Heil aller Menschen?

 

 

Montag, 3.12.2007

Wir haben die Sünde geerbt
Früher wurden Kinder gleich nach der Geburt getauft, meist war die Mutter noch im Wochenbett. Der Vater, die Paten, die Hebamme und der Pfarrer waren bei der Taufe anwesend. Heute wartet man mit der Taufe oft Wochen- ja Monate lang und die Tauffeier ist ein richtiges Fest mit 20, 30, 40 Leuten. Manche jüngere Eltern bekommen zwar gelegentlich von einem Großvater oder einer besorgten Großmutter den Hinweis: Es wäre doch höchste Zeit das Kind zu taufen, wir wollen doch keinen Heiden im Haus haben? Das hängt damit zusammen, dass Adam der erste Mensch im Paradies durch Ungehorsam gesündigt hat und damit eine Lawine losgetreten wurde, die alle Menschen erfasst. Der hl. Augustinus sagt sogar, dass wir alle eine „massa damnata“ sind, fern von Gott und hoffnungslos verloren. Die Erbsünde steckt wie ein vergifteter Wurm in allen Menschen. Diese geerbte Sünde, verdunkelt den Verstand und schwächt den Willen und was ganz tragisch, sie schließt von Gottes Gnade, von Gottes Liebe aus. Und nur die Taufe kann da Abhilfe schaffen. Hat die Sünde des Adam wirklich eine solche Macht, dass die ganze Menschheit seinetwegen verloren ist, wenn es nicht die Erlösung durch Christus gibt.

 

 

Dienstag, 4.12.2007

Nun ist das Lamm geschlachtet
Es gibt ein Kirchenlied, das ich gar nicht mag. Es wird zum Agnus Dei, zum Lamm Gottes gesungen und heißt: „Nun ist das Lamm geschlachtet, das Opfer ist vollbracht, wir haben jetzt betrachtet, Gott deine Güt’ und Macht“. Mich erinnert dieses Lied an die vielen heidnischen Opfer der Menschen, die meinten, dass man Unheil und Unglück abwenden kann, indem man Tiere oder irgendwelche Opfergaben den Göttern darbringt. Es wurden sogar Menschen geopfert, Kinder wurden geopfert, um so durch das große Opfer die Gunst der Götter zu erkaufen. Ein König in Jerusalem hat in einer aussichtslosen Belagerungssituation seinen Sohn geopfert, buchstäblich geschlachtet, damit die Stadt vor der grauenvollen Zerstörung und einem schrecklichen Blutbad verschont bleibt.
Wollte der Vater im Himmel so ein Opfer? Warum der Tod am Kreuz? Hätte sich Gott nicht eine andere Form der Erlösung ausdenken können? Petrus wehrt sich mit Recht gegen die Ankündigungen von Jesus, dass er nach Jerusalem hinaufgehen muss, um dort zu sterben. Ein großer Theologe des Mittelalters hat eine Erklärung gefunden, warum Gott Mensch wurde: Gott ist durch die Sünde des Adam unendlich beleidigt und braucht einen, der eine unendliche Genugtuung leistet. Und diese Genugtuung geschieht durch das Kreuzesopfer Jesu. Ist Gott wirklich beleidigt, wollte Gott wirklich so ein Opfer, damit die Welt wieder in Ordnung kommt?

 

Mittwoch, 5.12.2007

Ein Jammertal
„Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm tröst uns hier im Jammertal.“ So heißt es in einem Adventlied: Auch unsere heutige moderne aufgeklärte Welt ist trotz des Fortschritts ein Jammertal. Krieg, Terror, Hungersnot, Frust und Verzweiflung. Wir brauchen heute nur die Nachrichten in Radio und Fernsehen auf uns wirken lassen. Wir in unserer Fun- und Spaßgesellschaft sind schon in Gefahr, selbst die schlimmsten Katastrophen unverbindlich und teilnahmslos anzuschauen, so als wären sie für unsere Unterhaltung bestimmt. Christus ist am Kreuz für uns gestorben, und dennoch ist die Welt ein Jammertal. Wo also ist die Erlösung, wo ist sie spürbar und erfahrbar? Albert Camus schildert in seinem Roman die „Pest“, wie die Ratten ausgeschickt werden, um den Pestbazillus bis in den letzten Winkel zu bringen, damit alle einen grauenvollen Tod sterben. Selbst, die, die Pest überlebt haben, selbst die tragen den Bazillus noch in ihren Gewändern. Der Pfarrer predigt zuerst vom Strafgericht Gottes, das die Menschen wegen ihrer Bosheit verdienen. Wie er dann unschuldiger Kinder sterben sieht, sagt er nur mehr: Es ist ein „schwierige Liebe“, die Liebe Gottes. Unsere Welt ist nicht erlöst, sie ist Welt ein Jammertal. Wo ist dann aber die viel gepriesene Erlösung?

 

Donnerstag, 6.12.2007

Erlösendes Wirken
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr, der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt, derhalben jauchzt, mit Freude singt“. Gern und mit Freude wird dieses Lied im Advent gesungen. Der Himmel öffnet sich also von innen und neigt sich dem Menschen zu, damit ein Stück Himmel auf die Erde kommt. Die Welt ist voll von Gewalttätigkeit, heißt es auf den ersten Seiten der Bibel, im theologischen Chargon heißt das: sie ist voll Sünde. Wie hilflos stehen wir heute dem Terror und der Gewalttätigkeit ausgeliefert, oft in einem irregeleiteten Verständnis von Glauben im Namen Gottes betrieben. Gewalt in der Familie, in der Ehe, in Beziehungen, in Wünschen, in Forderungen. Das muss ich haben, das musst du sein. Das „Kreuz“ ist Zeichen der Solidarität Gottes mit den Geplagten, Leidenden und Sterbenden. Wenn sich ein Mensch für Recht und Gerechtigkeit einsetzt, wenn er sich den Schwachen und Ausgegrenzten zuneigt, wenn er die Ängste, ja die Todesängste der Menschen mit trägt, dann hat das mit Erlösung zu tun, denn da ist einer, der mitgeht und Kraft gibt.

 

Freitag, 7.12.2007

 Die „Kraft der Liebe“
„Stark wie der Tod ist die Liebe, sie können die Wasser nicht löschen, noch
die Ströme sie überfluten“, heißt es in einem bekannten Lied: Die Welt erscheint so unerlöst wie eh und je. Und dennoch gibt es die Kraft der Liebe, Durch Jesus Christus ist mehr Hoffnung, mehr Licht, mehr Vertrauen, mit einem Wort mehr Liebe in die Welt gekommen. Jesus hat die Macht des Bösen nicht ein für allemal aufgehoben, er hat aber durch sein Leben und Wirken die Lawine des Bösen unterbrochen und Widerstand geleistet, indem er z.B. dem Zachäus vergeben hat, dem Schächer am Kreuz verzieh, Jesus ist das herausragende Zeichen der erlösenden Gegenwart Gottes in einer nicht erlösten Welt. Die erlösende Kraft der Liebe ist nicht eine „All-Macht“, die das Böse einfach ausmerzt, oft reden wir davon, wie Gott denn das alles zulassen kann. Er respektiert  unsere Freiheit, setzt sich selbst dem Bösen in der Welt aus bis hin zur völligen Ohnmacht. Wie ohnmächtig sind oft Menschen, die lieben, ohnmächtig dem Geliebten gegenüber, der leidet. Woher aber hat die Liebe die Kraft? Sie ist die göttliche Gabe, eine erlösende Kraft, ein reines Geschenk.

 

Samstag, 8.12.2007

Die „unbefleckt „Empfangene“  Immaculata
Der heutige Feiertag wurde im Jahre 1955 offiziell auch als Staatsfeiertag wieder eingeführt worden. Heute scheint dieser Feiertag mehr und mehr im vorweihnachtlichen Einkaufsrummel zu verkommen. Man erwartet einen Umsatz in Milliardenhöhe. Man horcht auf, wenn ein großer Einkaufskonzern verkündet, dem Personal zuliebe die Geschäfte an diesem Tag geschlossen zu halten.
Dazu kommt die Verlegenheit, dass man kaum versteht, was denn da gefeiert wird.
Ich erinnere mich gut als ich einmal durch die Altstadt von Jerusalem schlenderte und wie zufällig in einen Ikonenladen hineingeriet. Wie der Ikonenhändler bemerkte, dass ich mich ernsthaft für eine Ikone interessiere, holt er von ganz hinten eine alte völlig verstaubte Ikone hervor, mit einem Wolltuch, das er in Olivenöl getaucht hat, wischte er sie sorgfältig ab. Für ihn war dies wie ein Gebet. Und dann leuchtete ein farbenkräftiges, helles, glänzendes Marienbild auf der Ikone:
Das heutige Fest erinnert mich an diese Ikone, die eine „Wunderschön prächtige“ ist wie wir auch im Lied von Maria singen. Erlösung hebt das Böse nicht auf. Maria ist die „Unbefleckte“, die leuchtende Ikone, dies ist wahrhaftig ein Grund ein Fest zu feiern.