Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Pfarrer Roland Trentinaglia aus Hörbranz in Vorarlberg
SONNTAG, 13.01.2008
Manche kommen allein oder in Gruppen zur Trainingsstunde. Die meisten
kommen nicht zu Fuß, sondern fahren mit ihrem Auto möglichst nahe an
das Trainingsgelände heran. Im Unterschied zu den aktiven Sportlern,
die meist im Trainingsanzug zur Übungsstunde auftauchen, sind diese
Leute, die da kommen, manches Mal ganz anders gekleidet wie unter
der Woche. Auch besteht der Inhalt ihrer Taschen, falls sie eine
mitbringen, meist aus Taschentuch, Schlüssel, Geldbörse, Handy,
einigen Pfefferminzbonbons und fallweise hat sich auch ein Gebetbuch
dazu hineinverirrt. Die Trainingsstunde des Glaubens wird durch
Glockengeläute eröffnet und alle, die sich im „Stadion des
Glaubens“, in der Kirche, eingefunden haben, warten gespannt darauf,
bis der Trainer mit seinen Assistentinnen und Assistenten auftaucht.
Manchmal ist das Programm dieser Stunde recht ansprechend; manches
Mal denken sich aber auch die Teilnehmenden, dass es vielleicht
klüger gewesen wäre, zu Hause, im warmen Bett geblieben zu sein.
Natürlich gibt es auch außerhalb des Stadions Zuseher, die über so viel
sonntäglichen Trainingseifer nur den Kopf schütteln und kaum
verstehen, dass so etwas auch noch Spaß machen könnte. Interessant
ist dabei die Tatsache, dass selbst diese Menschen, die dem
sonntäglichen Treiben der Glaubensportler nur zusehen, einmal selbst
in die Lage kommen, dieses Stadion des Glaubens zu besuchen – tot
oder lebendig.
Eines ist auf alle Fälle ganz sicher: Sowohl der aktive Sportler, wie
auch der Mensch, der versucht, zu glauben, braucht in seinem Leben
Trainingseinheiten. Ohne diese vertrocknet alles und geht der Sinn
dafür verloren.
MONTAG, 14.01.2008
Freunde, so denke ich, können ein großes Glück sein. Sie geben uns
Gelegenheit, uns gedanklich auszutauschen und so einander deutlich
machend, nicht allein auf dieser Welt zu sein. Freunde können Trost,
Hilfe und Freude sein. Wer kennt uns besser und wer kann uns mehr
Rückhalt geben als ein guter Freund? Interessant mag sein, dass die
Wahl unserer Freunde oft die Probleme widerspiegelt, die wir selbst
in unserem eigenen Leben zu bearbeiten haben. Wenn wir dabei dem
anderen Mitmenschen Unterstützung geben und sie auch erhalten, wird
es beiden leichter fallen, sich zu entwickeln.
Manche Freundschaften kommen und gehen und somit wird auf diesem
Hintergrund klar, dass eigentlich unser ganzes Leben auf
Begleitet-Sein oder auf Begleitet-Werden abgestimmt ist. Alle
Freundschaften können aber auch Prüfungen ausgesetzt sein und
manches Mal sind wir selber darin aufgefordert, heilend, vergebend
und verzeihend zu wirken, auch im Wissen darum, dass wir selber
nicht vollkommene Wesen sind.
Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass in der Bibel, vor allem im Alten
Testament, sehr viel über Freundschaft geschrieben steht; positive
Erfahrungen und negative Freundschaftserfahrungen halten sich dabei
die Waage. Ich möchte heute, am Morgen ein „Dankeschön“ allen
Menschen sagen, die bewusst Freundschaften pflegen und dadurch
anderen beim Leben helfen. So könnte auch etwas von der begleitenden
Liebe Gottes erfahrbar gemacht werden.
DIENSTAG, 15.01.2008
„Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude“, schreibt Paulus
im Römerbrief. (Röm 15, 13). Das Leben ist keine Trauerfeier und es
ist nicht Gottes Absicht, dass wir als freudlose Wesen durch unsere
Weltgeschichte geistern. Wir wurden als ganze Menschen erschaffen.
Das heißt: wir wurden mit Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen und Träumen
ausgestattet. In jedem von uns steckt ein lebensfrohes, aufgewecktes
Kind, das Spaß am Leben hat. Umgeben Sie sich heute mit Menschen und
Dingen, die Freude und Heiterkeit verbreiten. Achten Sie bitte heute
einmal ganz bewusst auf alles, was Ihnen wirklich Freude macht und
sie werden aus dem Staunen nicht herauskommen, wie viele Dinge das
eigentlich sind. Denn nur so wird auf längere Sicht das Leben auch
wirklich lebenswert. Und wenn Sie fröhlich sind, dann lassen Sie das
bitte auch andere Menschen spüren! Nein, machen Sie sich deswegen
keine Sorgen, was andere über sie denken oder sagen. Was sie denken
und sagen ist ihre Sache, nicht unsere. Freude haben, Freude
empfinden und Freude weitergeben – das kann ein Rezept sein, mit dem
ich manche Klippe, die mir das Leben auflädt, umfahren kann.
Deshalb will ich ganz bewusst heute Morgen bitten: Herr, mein Gott, hilf
mir, dass ich Freude am Leben habe. Lass mich dieses, Dein großes
Geschenk, genießen und andere an meiner Freude teilhaben lassen.
Nimm von mir alle Ängstlichkeit und Verzagtheit; nimm von mir alle
Menschenfurcht, im Wissen, dass Du mich zur Freude geschaffen hast!
Lass mich in meiner Freude aber anderen Menschen keinen Schaden
zufügen.
MITTWOCH, 16.01.2008
„Mein Selbstwertgefühl ist total im Keller!“ Wer von uns kennt solche
Situationen eigentlich nicht? Das bedrückende Gefühl, jeder außer
mir selber habe ein Leben, ein bedeutungsvolles Leben, ein besseres
Leben, ein wertvolleres Leben. Also, welchen Lebenswert sprechen Sie
sich heute, am Morgen, ganz persönlich zu? Haben Sie, falls Sie
schon in den Spiegel geschaut haben, sich selbst gesagt: „Eigentlich
kann ich Dich ganz gut leiden!“ Oder sagen Sie sich ruhig selbst ins
Gesicht: „Es ist gut, dass es Dich gibt!“ und nehmen Sie sich bitte
für heute vor, sich selbst etwas Gutes zu tun! Es müssen ja nicht
gleich 300 Gramm Schokolade sein. Aber seien Sie bitte gut zu sich
selber.
Menschen, die sich wirklich selber lieben, sind nicht krankhaft auf sich
selbst bezogen. Sie missbrauchen andere nicht. Sie sind im
beständigen Wachstum und lernen dabei, auch andere Menschen gern zu
haben. Und wenn Sie zum Selbstwert und zur Selbstliebe gefunden
haben, sind Sie auch bereit, nicht nur sich selber lieben zu lassen,
sondern auch andere Menschen zu lieben und ihnen Liebe und Wert zu
schenken. Das unterscheidet sich grundsätzlich vom Egoismus, der nur
gelernt hat, um den eigenen Bauchnabel zu kreisen.
Übrigens: Der Wert und der Selbstwert des Menschen wird aber von einer
ganz anderen Seite her auch noch mitbestimmt. Woher wollen Sie
wissen? Ganz einfach: Durch die Taufe sind Sie Kind Gottes geworden;
Gott sagt zu Ihnen in der Taufe vorbehaltlos „Ja“ und dieses „Ja“
wird nie mehr zurückgenommen! Und das macht letztlich Ihre
Menschenwürde, Ihren Wert und Ihren Selbstwert aus!
DONNERSTAG, 17.01.2008
Stellen wir uns das einmal vor, andere wüssten alles, aber schon gar
alles über uns. Alle unsere Gedanken und Wünsche, die uns
beschäftigen, wären bekannt. Was wir nur zu tun wagten, weil wir
überzeugt wären, nicht gesehen zu werden, käme ans Licht. Ich denke,
jeder von uns würde zutiefst erschrecken. Von Gott sagen wir, dass
er allwissend sei und dass er unsere Gedanken und unsere Herzen
kenne. Heißt das, dass wir uns ihm gegenüber immer nackt und
bloßgestellt vorkommen müssen? Oder ist er gar unser ständiger
Ankläger?
Im Unterschied zu Menschen stellt uns Gott nicht bloß und verletzt uns
nicht. Er sieht uns mit einem Blick der Bejahung. Er liebte uns,
„als wir noch Sünder waren“ (Röm 5, 8). Er weiß, was in uns und in
unserem Leben alles vorgekommen ist, vorkommt und noch vorkommen
wird. Aber er sieht nicht nur Schuld, sondern auch was entschuldigt.
Darum darf er, nein, soll er auch die ganze Wahrheit über uns
wissen, weil ich mich auf seine Hilfe und seine Liebe verlassen
kann. Aus diesem Grund könnte und müsste ich eigentlich ein
angstfreies Leben führen können, wenn da nicht die Menschen wären,
die, aus welchen Gründen auch immer, mich festnageln auf
Vergangenheit und Gegenwart. Meine Lebenserfahrung zeigt, dass es
uns in diesem Punkt wohl allen gleich geht. Deshalb will ich heute
ganz bewusst sagen: Danke Gott, dass ich bei Dir sein darf, so, wie
ich bin und danke dafür, dass es in meinem Leben auch Menschen gibt,
zwar nicht viele, aber doch welche, die mir und meinem Leben
gegenüber barmherzig sind. So fällt es mir leichter, an deine Liebe
zu glauben.
FREITAG, 18.01.2008
Im Laufe eines Gesprächs meinte neulich eine Frau: „Ich persönlich sehe
meinen Lebenssinn darin, mich selbst zu verwirklichen und so auch
eine Selbsterfüllung zu bekommen!“ Nun, habe ich mir gedacht, das
hört sich durchaus einmal vernünftig an. Doch bei tieferem
Nachdenken fällt mir auf, dass Selbstverwirklichung und
Selbsterfüllung bezogen sind auf das eigene Selbst, auf das Ich
also. Und dem kann ich nicht von vorneherein zustimmen. Denn der
Mensch erfüllt sich selbst und verwirklicht sich selbst nur in dem
Maße, als er fähig und Willens ist, Aufgaben und Werte in seinem
Leben zu erfüllen und wenn er ausgerichtet ist auf ein „DU“ hin und
auf ein „WIR“ hin. Denn wer ständig nur um sich kreist, der bleibt
bei sich. Er verfehlt den anderen und sich dabei auch; letztlich
verfehlt er auch Gott. Denn dieser könnte sich dann zu einem
Störfaktor entwickeln und wird deshalb aus dem Leben völlig
ausgeblendet.
Vom legendären Papst Johannes XXIII. ist folgende Anekdote überliefert.
Er wurde einmal gefragt, warum er immer so fröhlich sei. Er soll
darauf geantwortet haben:
„Ich nehme mich nicht so wichtig!“ Das hat nichts mit einem
Minderwertigkeitskomplex zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache,
sich selbst sein Tun und das eigene Leben richtig einzuschätzen:
Mein Leben ist Geschenk Gottes und meine Lebensaufgabe besteht
darin, zu glauben, zu hoffen und zu lieben. Das ist
Selbstverwirklichung und Selbsterfüllung in einem.
SAMSTAG, 19.01.2008
Im Buch „Koholet“, im Alten Testament, lesen wir zum Thema „Zeit“
folgendes: Alles, was auf Erden geschieht, hat seine von Gott
bestimmte Zeit: Geboren werden und Sterben; einpflanzen und
ausreißen; töten und Leben retten; niederreißen und aufbauen; weinen
und lachen; wehklagen und tanzen; Steine werfen und Steine
aufsammeln; sich umarmen und sich aus der Umarmung lösen; finden und
verlieren; aufbewahren und wegwerfen; zerreißen und zusammennähen;
schweigen und reden.
Das Lieben hat seine Zeit und auch das Hassen, der Krieg und der Friede.
Eigentlich haben wir, wenn wir darüber kurz nachdenken, für alles
Zeit. Und doch haben wir Menschen oft keine Zeit. Denn die Zeit ist
es, die uns jagt, und zwar deshalb, weil in uns eine tiefe Angst
steckt, im Leben etwas zu versäumen.
Ich bin schon oft auf Menschen getroffen, die mir nach einer
überstandenen sehr schweren Krankheit, die sie monatelang ans Bett
gefesselt hat, sagten: „Ich will jetzt mein Leben anders gestalten,
ich will mir für die wichtigen Dinge des Lebens Zeit nehmen!“ Damit
ist ausgedrückt, dass viele unwichtige Dinge mir meine Lebenszeit
stehlen. Vermutlich liegt die Schwierigkeit darin, von vorneherein
für sich selbst ganz klar festzulegen, was im Leben wichtig und was
wirklich unwichtig ist.
Von Herzen wünsche ich Euch allen, die Ihr hier zuhört, Zeit zum Glauben,
zum Hoffen und Zeit zum Lieben. Denn genau diese Zeit ist immer gut
angelegt und bringt normalerweise auch die nötigen Zinsen.
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