Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
"Wilhelm Busch"
von Pfr. Wolfgang Olschbaur, Bregenz
Sonntag, 20. Jänner 2008
Busch steht im Mittelpunkt. Nicht George W., sondern Wilhelm! Wilhelm
Busch, der "Spaßmacher der Nation", wie ihn ein deutscher
Bundespräsident genannt hat. Er ist vor 100 Jahren gestorben. Wir
haben also heuer ein Busch-Gedenkjahr. Aber er hat es eigentlich gar
nicht nötig. Er ist mittlerweile unsterblich geworden. "Max und
Moritz" steht in jedem Bücherschrank.
Dabei war er gar kein witziger Mensch. Er hat sich jedenfalls nicht so
empfunden. Er war eher ernst und verschlossen. Ein guter Beobachter
allerdings. Er sah die Menschen in ihren Schwächen. Fühlte mit ihnen
und ihrer Unvollkommenheit, ihrem ständigen Pech im Leben. Wie sie
von der Tücke des Objektes in immer neue Schwierigkeiten getrieben
werden. Wie sie in eine Kettenreaktion von Missgeschicken geraten.
Er entlarvt die Leute und ihre hintergründigen Motive. Er
überschüttet sie mit Spott und reißt ihnen die Maske vom Gesicht.
Dass das Ergebnis auch komisch sein kann, bestreitet er nicht. Dass
der Mensch seinen hohen Ansprüchen - wenn er sie hat - nicht
entspricht, ist Tatsache für ihn.
Man ist ja von Natur kein Engel,
vielmehr ein Welt- und Menschenkind,
und ringsumher ist ein Gedrängel
von solchen, die dasselbe sind.
Es saust der Stock, es schwirrt die Rute.
Du darfst nicht zeigen, was du bist.
Wie schad, o Mensch, dass dir das Gute
im Grunde so zuwider ist.
Zum Trost: Wilhelm Busch war zwar ein Pessimist für die Gegenwart, aber
ein Optimist für die Zukunft. Ein Moralist. Also: Nützen wir den
Tag!
Montag, 21. Jänner 2008
"Humor ist, wenn man trotzdem lacht." Humor trotzt auch noch der Tragik
etwas Komisches ab. Wer sich einmal seinen brüllenden Chef in der
Badewanne vorgestellt hat, wie er mit einem Schwimmentchen spielt
und vor sich hin trällert, der hat schon einmal einen Teil der
bedrängenden Seite seines Gegenübers verloren.
Wilhelm Busch definiert Humor mit einem Beispiel:
Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater kommt herzu,
die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
und weil mich doch der Kater frisst,
so will ich keine Zeit verlieren,
will noch einwenig quinquilieren
und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.
Der Vogel auf dem Leim beschreibt den Menschen ungeschminkt und
schnörkellos. Er kann sich nicht wirklich widersetzen. Aber er kann
standhalten, "quinquilieren" zum Selbstzweck, nur einfach so. Das
ist letzter Triumph des Lebens, ein Ausdruck von Leichtem, das auch
im Schweren möglich ist, eine Öffnung hin zum Trost.
Auch in Tagen wo Jubel, Trubel, Heiterkeit herrschen bleibt der
Spaßmacher unglücklich, weil der Riss, der durch die Welt geht auch
durch ihn geht und nicht so einfach zu heilen ist. Jedenfalls nicht
durch Leugnen, Zuschütten oder Schönreden.
Dienstag, 22. Jänner 2008
Man hat den berühmten Karikaturisten und Dichter Wilhelm Busch, der eher
ein Einzelgänger war als ein Gesellschaftsmensch - mürrisch und gar
kein Witzbold -, man hat ihn zu seinem 70. Geburtstag gebührend
geehrt und mit Lob überschüttet. Ein paar auserlesenen Journalisten
hat er Interviews gegeben. Dann hat er das Weite gesucht. Er fand
den Personenkult widerlich.
Er über sich:
Wie andre, ohne viel zu fragen
ob man hier oben auch gebraucht,
so bin auch ich zu Last und Plagen
im Strom der Dinge aufgetaucht.
Geduld - in wenigen Minuten
versink ich wieder in den Fluten.
Die Dorfbewohner waren ganz überrascht, als man ganze Waschkörbe von
Glückwunschschreiben zu seinem Jubiläum in seine Wohnung geschleppt
hat. Auch Post vom Kaiser war dabei. Er hat sich nie bedankt dafür.
Sein erster Verleger, bei dem Max und Moritz erschienen ist, hat ihm
einen hohen Geldbetrag zugesteckt. Wahrscheinlich, um sich bei ihm
zu entschuldigen. Denn seinerzeit hat er ihm das Manuskript der
Bildergeschichte um einen Pappenstiel abgekauft. Dumm und dämlich
hat er sich daran verdient. Busch hat die Summe umgehend an zwei
Krankenhäuser überwiesen.
Sein Resümee :
"Der Ruhm, wie alle Schwindelware,
hält selten mehr als tausend Jahre."
Mittwoch, 23. Jänner 2008
Wilhelm Busch war ein Mann vom Dorf, wortkarg, mürrisch, misstrauisch.
Die meiste Zeit seines Lebens hat er in Dörfern verbracht. "Richtig
zeichnen kann ich nur Bauern oder Tiere", sagt er. Die gebildeten,
wohldressierten Stadtmenschen lassen sich nichts anmerken, sie
verbergen sich. Was soll man da malen?
Zwischendurch hat er sich eine Zeit lang in München aufgehalten. Er will
studieren. Auf die Kunstakademie gehen. Er zeichnet seine
Kommilitonen in den komischsten und ungeschicktesten Situationen.
Für die "bessere" Gesellschaft, die er dort erlebt, empfindet er nur
Spott.
Einmal war er auf einer Festveranstaltung im Kunstgewerbehaus. Dort trat
ein Hypnotiseur auf. Es kam zum Eklat. Einer Frau hat er den Stuhl
weggezogen, als diese sich setzen wollte. Jemandem nahm er den Käse
vom Brot und klatschte ihn an die Wand. - Man denkt an die Streiche
von Max und Moritz. Aber Wilhelm Busch war es ernst. Er fand es
abscheulich, wie sich Menschen so willenlos einem Scharlatan
hingeben und etwas machen auf Befehl. Er wird abgeführt. Rasend vor
Ekel auf die Verlogenheit der ganzen Gesellschaft verlässt er
München und den ganzen Jahrmarkt der Eitelkeiten. Er kommt nie mehr
zurück und zieht wieder aufs Land. Er lebt hinfort im Pfarrhaus
seines Neffen in ländlicher Stille, malt, raucht und trinkt Likör.
Steht Spießbürgertum gegen Bauernschläue, ist Wilhelm Busch für
Letzteres.
Donnerstag, 24. Jänner
2008
"Ach, was muss man oft von bösen Kindern hören oder lesen!", so beginnt
Wilhelm Buschs "Max und Moritz". Die sieben Beispiele kindlichen
Zerstörungstriebes machten gleich nach dem Erscheinen Furore, aber
nicht jedem Freude. Manche fanden, ihre Streiche könnten zur
Nachahmung verleiten.
Der Hintergrund seiner Pädagogik:
"Tugend will ermuntert sein,
Bosheit kann man schon allein".
Eigentlich ist Max und Moritz gar keine "Bubengeschichte", sondern ein
Angriff auf die bürgerliche Wohlstandsgesellschaft. Busch wollte mit
seinen Knittelversen nicht Kinder denunzieren, sondern gewisse
Eltern und Erzieher als Heuchler darstellen, die ihren Aufgaben gar
nicht gewachsen sind.
Hinter Max und Moritz versteckt sich vielleicht sogar eine Politposse.
Der eine mit grünem Jäckchen, der andere mit rotem Hemd, - und
gemeinsam hecken sie Streiche aus. Woran denkt man da? An Koalition?
Die Gesichter von Max und Moritz trugen deutlich die Züge von
damaligen Politikern. Bei der zweiten Ausgabe wurde schon
retuschiert. Aber Wilhelm Busch wollte den Leuten auf die Füße
treten und nicht auf Hühneraugen Rücksicht nehmen.
Freitag, 25. Jänner 2008
Wilhelm Busch hat sich immer gegen seine Vereinnahmung ins politische
Alltagsgeschehen gewehrt. Für den in einem evangelischen Pfarrhaus
aufgewachsenen Dichter und Zeichner sind allerdings Frömmelei,
Aberglauben und verspießte Doppelmoral ein gefundenes Fressen für
seine Satiren.
Ihm fällt ein eigentümlicher Kalender in die Hand, der jedem Tag ein
bestimmtes göttliches Wunder zuordnet. Daraus entsteht die
Bildergeschichte "Der heilige Antonius von Padua". Darin vermischt
er die Geschichte des Antonius von Padua mit der des Eremiten
Antonius, Schutzheiliger der Metzger, weshalb er auch mit einem
Schwein abgebildet wird. Sein Antonius ist menschlich, schwach und
liebenswert. Er wird Einsiedler. Ein Wildschwein wühlt für ihn nach
Wasser und nach Trüffeln. Die beiden leben fortan in Einigkeit bis
an ihr seliges Ende. Dann kommen Antonius und sein Schwein vor die
Himmelstür. Aber man will das Schwein nicht reinlassen.
"Doch siehe! - aus des Himmels Tor
tritt unsere liebe Frau hervor...
Willkommen! Gehet ein in Frieden!
Hier wird kein Freund vom Freund geschieden.
Es kommt so manches Schaf herein,
warum nicht auch ein braves Schwein?!"
Das ist eine köstliche Geschichte, keck und lebensnah, nicht minder
christlich. Aber das Buch wurde beschlagnahmt wegen "Herabwürdigung
der Religion und Erregung öffentlichen Ärgernisses". Das war die
beste Werbung für den "Heiligen Antonius"!
Samstag, 26. Jänner 2008
Wilhelm Busch hat die Frauen gekannt. Nicht nur seine Mutter und die
Schwestern. Für eine hat er einmal ein Liebesgedicht geschrieben:
Wärst du ein Bächlein, ich ein Bach,
so eilt ich dir geschwinde nach.
Und wenn ich dich gefunden hätt
in deinem Uferblumenbett,
wie wollt ich mich in dich ergießen
und ganz mit dir zusammenfließen,
du vielgeliebtes Mädchen du.
Dann strömten wir bei Nacht und Tage
vereint in süßem Wellenschlage
dem Meere zu.
Er wusste von Lieb und Leid und Leid durch Lieb und schreibt:
Sie war ein Blümlein hübsch und fein
hell aufgeblüht im Sonnenschein.
Er war ein junger Schmetterling,
der selig an der Blume hing.
Oft kam ein Bienlein mit Gebrumm
und nascht und säuselt da herum,
oft kam ein Käfer, kribbel krabb
am hübschen Blümlein auf und ab.
Ach Gott, wie das dem Schmetterling
so schmerzlich durch die Seele ging.
Doch was am meisten ihn entsetzt,
das Allerschlimmste kam zuletzt:
ein alter Esel fraß die ganze,
von ihm so heiß begehrte Pflanze.
In seinen Werken inszeniert Wilhelm Busch Ehe als Komödie und zeichnet
fröhliche Bettszenen. Und dann kommt die Hebamme. Unsterblich sein
Vers: "Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr".
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