Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Prof. Klaus Schacht (Linz)

 

 

Sonntag, 10.2.2008
 „Wenn schon fast ein Esel den Bibeltext singen kann, wie solltet ihr dann nicht die Lehre oder Worte reden oder lehren? Aber, liebe Freunde, das Reich Gottes, das wir sind, besteht nicht in der Rede oder in Worten, sondern in der Tätigkeit.“

Am Sonntag nach dem Aschermittwoch, am ersten Sonntag in der Fastenzeit, der seit alter Zeit den lateinischen Namen „Invocavit“ hat – an diesem Sonntag im Jahr 1522 steht Martin Luther auf der Kanzel in der Kirche in Wittenberg. Er lässt es in seiner Predigt nicht an Deutlichkeit fehlen.

Während seiner Abwesenheit auf der Wartburg hatten in Wittenberg einige seiner Freunde - übereifrig und rücksichtslos - das kirchliche Leben reformiert und sie waren dabei auch vor Gewaltanwendung nicht zurückgeschreckt. Da steigt Luther auf die Kanzel - und er steigt kräftig auf die Bremse, an diesem Sonntag und in der darauf folgenden Woche in den so genannten Invocavit-Predigten.

Ich möchte Ihnen in den nächsten Tagen aus jeder dieser Predigten immer einen Satz vorstellen. Worum geht es in der ersten Predigt? Sie haben es gehört: Gescheite Reden halten und Lehrsätze aufsagen - das kann bald einer. Sogar Bibelsprüche zitieren – das kann fast auch ein Esel. Aber wie sich die christliche Lehre im Tun auswirkt, wie wir miteinander umgehen - das ist das Wesentliche.

 

 

Montag, 11.2.2008
Von Gestern an stelle ich Ihnen an jedem Tag dieser Woche einen Satz vor aus den Predigten, die Martin Luther vor 486 Jahren gehalten hat –  in dieser Woche nach dem ersten Sonntag der Fastenzeit. Er wollte damals die Leute zurechtweisen, die übereifrig und sogar gewaltbereit kirchliche Reformen erzwingen wollten. Heute ein Satz aus der Predigt vom Montag:

„Zwingen, mit Gewalt dringen will ich niemanden. Nehmt ein Beispiel an mir. Ich habe allein Gottes Wort getrieben, gepredigt und geschrieben, sonst hab ich nichts getan. Wenn ich geschlafen habe, wenn ich Wittenbergisch Bier mit meinem Philipp Melanchthon und mit Amsdorf getrunken habe, hat das Wort alles bewirkt und ausgerichtet.“

Es muss ja nicht gerade Wittenbergisches oder sonst ein Bier sein – aber ein wenig mehr Gelassenheit wäre so manchen Glaubensverkündigern zu wünschen. Wer eine gute Botschaft, wer eine lebensdienliche Wahrheit unter die Leute bringen will, der wird durch Gewaltanwendung nur unglaubwürdig. Das betrifft auch psychische Gewalt, wie sie ausgeübt wird etwa durch Angstmacherei, durch Hetzreden, durch Manipulation. Das gilt natürlich nicht nur für den religiösen Bereich. Nehmen Sie das auch mit in diese Arbeitswoche: Respektvoll mit anderen Meinungen umgehen, und niemanden irreführen oder seelisch unter Druck setzen.

 

 

Dienstag, 12.2.2008
In der Reihe der Predigten, die Martin Luther am ersten Sonntag der Fastenzeit und in den Tagen danach gehalten hat, da sind wir heute bei Nummer drei: Die Predigt am Dienstag. Viele einfache Leute in Wittenberg hatten sich durch ein paar radikale Geistliche dazu aufhetzen lassen, auch mit Gewalt kirchliche Reformen erzwingen zu wollen: Die so genannten Bilderstürmer. Nun will Luther den Leuten Mut machen, dass sie selbständig denken und selbständig urteilen.

„Es ist nicht genug, wenn du sagen wolltest: Der und der hat es getan, ich bin der Allgemeinheit gefolgt. Nein, jedermann muss für sich stehen. Ihr sollt kein Gebot aus der Freiheit machen und sagen: Der Priester hat eine Frau genommen, darum müssen sie alle Frauen nehmen. Grade nicht! Der hat die Bilder zerbrochen und verbrannt, darum müssen wir sie alle verbrennen. Grade nicht, liebe Brüder!“

Manchmal bin ich entsetzt, wie faul viele Menschen sind, wenn es darum geht, sich genauer zu informieren. Unlängst habe ich eine Gruppe von Studenten, künftige Lehrer, gefragt, welche Zeitung sie lesen. Nicht wenige haben zugegeben: Gar keine! Da frage ich mich schon: Werden die in ihrer Ahnungslosigkeit wie Herdentiere bloß irgendwelchen Trends nachrennen oder gar politischen oder religiösen Rattenfängern Glauben schenken? Also: Nützen und schützen wir unsere Freiheit, nützen wir die Möglichkeiten der Information, bilden wir uns immer wieder selbst ein Urteil!

 

 

Mittwoch, 13.2.2008
Heute also ein Wort aus der vierten Predigt, die Martin Luther im Jahr 1522 in der Woche nach dem ersten Sonntag der Fastenzeit in Wittenberg gehalten hat. Radikale Reformer wollten damals im Namen der Freiheit alle traditionellen Ordnungen über den Haufen schmeißen. In der Predigt am Mittwoch mahnt Luther dazu, die Freiheit verantwortungsbewusst zu gebrauchen – je nachdem, ob man es mit „Halsstarrigen“ oder mit „Schwachen“ zu tun hat.

Als Beispiel nimmt Luther Speisegebote. Er hält sie für überflüssig. Wenn er es mit Menschen zu tun hat, die nur ihre Machtposition ausnützen und die Leute drangsalieren wollen - da hat er keine Hemmungen, die sogar ein wenig zu provozieren: „Ja grade, weil du mir verbietest, Fleisch zu essen, eben deshalb will ich dir das zum Trotz essen.“

Ganz anders ist es bei denen, die Luther als die „Schwachen“ bezeichnet. Die, die es halt nicht besser wissen und Angst haben. Da sollen wir geduldig sein, sollen ihnen Zeit geben, sich zu gewöhnen an die größere Freiheit. Da können wir sogar, zumindest eine Zeit lang, selbst auf diese Freiheit verzichten. „Wenn wir unsere Freiheit ohne Not so frech unserm Nächsten zum Ärgernis brauchten, dann trieben wir den zurück, der sonst – mit der Zeit – zu unserm Glauben käme.“

Auch einmal nachgeben, einen Kompromiss finden. Es fällt uns doch deshalb kein Stein aus der Krone.

 

 

Donnerstag, 13.2.2008
Heute wiederum ein Gedanke aus einer der Predigten, die Luther, beginnend am ersten Sonntag der Fastenzeit, in Wittenberg gehalten hat. Heute natürlich aus der fünften Predigt, aus der vom Donnerstag.

Übereifrige Anhänger Luthers wollten mit aller Gewalt die überlieferten Gebräuche auf den Kopf stellen, auch wenn es sich im Grunde um Äußerlichkeiten gehandelt hat. Wenn vorher etwas unter Zwang praktiziert worden war, dann musste es nun das genaue Gegenteil sein, aber genauso zwanghaft. Nach außen wollte man demonstrieren, was man für einen Vorsprung hatte gegenüber Anderen, in Richtung perfekte Frömmigkeit. Da geht es etwa um das Verhalten bei der Kommunion – entschuldigen Sie, Luther drückt sich da ein wenig derb aus:

„Wenn ihr schon deshalb als gute Christen vor allen andern angesehen sein wollt, weil ihr das Sakrament mit den Händen anfasst und es dazu in beiderlei Gestalt nehmt, so seid ihr mir schlechte Christen: In der Weise könnte wohl auch eine Sau ein Christ sein; sie hätte ja einen so großen Rüssel, dass sie das Sakrament äußerlich nehmen könnte.“

Dass man allein auf Grund dessen, wie jemand sich äußerlich darstellt, diesen Menschen entweder hochschätzt oder verachtet - ohne genauer nachzufragen, was wirklich in ihm steckt und was sein Verhalten wirklich bedeutet – das ist leider auch heute noch ein Problem.

 

 

Freitag, 15.2.2008
Zum sechsten Mal ein Gedanke aus den Predigten, die Martin Luther vor 486 Jahren, Tag für Tag, in der Woche nach dem ersten Sonntag in der Fastenzeit gehalten hat. Heute die Predigt vom Freitag.

„Klein und keck stößt den Großen in den Dreck.“ Das habe ich nicht von Luther, sondern aus einer Sprichwortsammlung. Aber es könnte sehr gut von Luther sein. Besonders entzückt mich dieses hübsche alte Wörtchen „keck“. Manche Erzieher sehen es ja als ihre dringendste Aufgabe an, den Kindern die „Keckheit“ auszutreiben. Bescheidenheit, ja Unterwürfigkeit ist das Erziehungsziel, auch gegenüber Gott. Bei Luther ist es aber gerade der Glaube an Gott, der die Menschen „keck“ sein lässt. In seiner Predigt formuliert er, was Gott den Menschen sagen möchte:

„Lass hertreten Teufel, Tod, Sünde und Hölle und alle Kreatur; wenn ich vor dich trete, dann will ich dein Beschützer und Vordermann sein, traue mir und verlass dich keck auf mich.“

Haben Sie gewusst, dass bei Jugendlichen die zweithäufigste Todesursache nach den Verkehrsunfällen die Selbstmorde sind? Die Gründe: Mangelndes Selbstvertrauen, Versagensängste, Einsamkeit. Da denke ich mir manchmal: Wie könnte man diese tolle Botschaft besser wirksam werden lassen - die Botschaft, dass Gott jedem Menschen sagen lässt: „Verlass dich keck auf mich“?

 

 

Samstag, 16.2.2008
Heute also zum letzten Mal Sätze aus Predigten, die Luther an jedem Tag vom ersten bis zum zweiten Sonntag der Fastenzeit im Jahr 1522 gehalten hat. Er wollte die einbremsen, die kirchliche Reformen rücksichtslos und lieblos den Leuten aufzwingen wollten. Eine dieser Rücksichtslosigkeiten war: Abschaffung der Beichte.

In der Predigt vom Samstag findet sich ein herrliches Gleichnis für Gott: „Er ist ein glühender Backofen voller Liebe, der da von der Erde bis an den Himmel reicht.“

Die letzte, also die achte Predigt dieser Reihe, also die vom zweiten Sonntag in der Fastenzeit – die setzt dieses Thema fort: Der Glaube an einen Gott, der wie ein Backofen voller Liebe ist – wie wirkt sich solch ein Glaube aus? Antwort: Ganz deutlich auch in der Beichte. Aber Beichte eben nicht als Geständnis, durch Strafdrohungen erzwungen! Die Beichte muss auch gar nicht die Form eines besonderen kirchlichen Rituals haben, sondern ganz einfach:

„Man nimmt einen andern mit an einen besonderen Ort und sagt ihm, was auf einem liegt, um von ihm ein tröstliches Wort zu hören.“

Ein Wochenende hat begonnen. Vielleicht auch mit der Gelegenheit, auszutauschen, was auf einem liegt, und einander etwas Tröstliches zu sagen. Es ist ein Zeichen der Liebe Gottes, dass es so etwas gibt. Machen Sie doch Gebrauch davon!