Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
„ Fremde in der Bibel“
von
Pfarrer Dr. Christoph Weist
Sonntag, 24.2.2008
Der Samaritaner (Lk 10)
Warum eigentlich sind gerade die Kirchen so engagiert und interessiert an
allem, was mit Fremden, Asylanten und Ausländern zusammenhängt?
Warum treten sie immer und überall für solche Leute ein? Die Antwort
ist einfach: Sie müssen es tun. Ihre Grundlage, die Bibel,
verpflichtet sie dazu.
In der Bibel wimmelt es geradezu von Ausländern und Fremden. Und die
spielen da eine interessante Rolle. Da ist zum Beispiel die berühmte
Geschichte vom barmherzigen Samaritaner. Der war ein "Ausländer".
Die Bewohner Samariens hatten - zumindest teilweise - eine andere
Religion und bewohnten in Palästina ein anderes Gebiet als die
Juden. Aber der Samaritaner ist in der Geschichte Jesu nicht der,
dem man helfen muss. Er ist der, der dem Überfallenen hilft, sehr
freundlich übrigens. Die Inländer hatten keinen Finger gerührt, als
sie den Mann liegen sahen, nur der Fremde, der zufällig vorüber
ziehende Händler, griff zu und veranlasste alle weitere Hilfe.
Das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samaritaner hat viele Hintergründe.
Eines macht es sogleich klar: Fremde sind kein Problem, Fremde
können eine Hilfe sein. Mit ein Grund, warum sich die Kirchen für
die Fremden einsetzen.
Montag, 25.2.2008
Rut (Rut 1, 16)
"Wo du hingehst, da will ich auch hingehen…" Worte, die bei Trauungen
gern gelesen oder gesungen werden. Sie stammen aus dem Alten
Testament. Die wenigsten, die ihnen gerührt lauschen, wissen: Hier
geht es nicht um eine romantische Liebeserklärung, hier geht es
beinhart um Integration. Um die Integration von Ausländern: "Dein
Volk ist mein Volk" heißt es weiter. Die jung verwitwete Rut, eine
Moabiterin, folgt ihrer ebenfalls einsamen Schwiegermutter in deren
Heimat, zurück ins jüdische Land. Und da spricht sie die bekannten
Worte.
Und die Geschichte von Rut, die es in Juda zunächst nicht leicht hat, ist
in Juda geschrieben worden, um den eigenen Leuten zu zeigen: Auch
Ausländer sind Menschen. Menschen mit oft schwerer Vergangenheit wie
die junge Rut, deren Mann verstorben war und die nun schutzlos
dasteht. Menschen, die Sehnsüchte haben, anhänglich sind, arbeiten,
anerkannt - und womöglich geliebt werden wollen. Menschen wie Sie
und ich.
Immer wieder legt die Bibel den Finger darauf. Ja, die Bibel ist "multikulti".
Weil der Glaube an den einen Gott, der sich in Liebe seinen Menschen
zuwendet, keine kulturellen Grenzen kennt. Ein Grund, warum sich die
Kirchen heute so oft für die Fremden einsetzen.
Dienstag, 26.2.2008
Fremd in der Heimat (Hebr 11, 13)
Man kann zu Hause sein und doch nicht daheim. Man kann ein ganzes Leben
an einem Ort wohnen und sich immer fremd fühlen. Lange Zeit ist das
dem christlichen Glauben so gegangen. In der Minderheit,
verdächtigt, verfolgt, so lebten seine Anhängerinnen und Anhänger in
den ersten paar hundert Jahren. Die Bibel beschreibt das so: "Diese
alle sind gestorben im Glauben… und haben bekannt, dass sie Gäste
und Fremdlinge auf Erden sind."
In manchen Gegenden der Welt leben Christinnen und Christen ja noch heute
so. Und darum haben diese "Gäste und Fremdlinge auf Erden" ein
feines Gespür dafür entwickelt, dass es auch anderen so geht. Darin
liegt einer der wichtigsten Gründe dafür, dass sich die Kirchen für
Asylanten und Fremde einsetzen, mehr als es manchen im Lande lieb
ist.
Gäste und Fremdlinge müssen nicht das fünfte Rad am Wagen einer
Gesellschaft sein. Sie verdienen es, ja sie haben das Recht,
anerkannt zu werden, Vertrauen zu erfahren, Unterstützung zu
erhalten. So wie Gott mit seinen Freunden umgeht, sollten die mit
anderen umgehen. Das spüren die Kirchen und wollen es in die Tat
umsetzen. Und darum sind sie hier so hartnäckig.
Mittwoch, 27.2.2008
Der Mazedonier (Apg 16, 9)
Es war nur ein nächtlicher Traum, aber er hatte weit reichende Folgen.
Der Apostel Paulus sieht im Schlaf einen Mann aus Mazedonien, der
ihn bittet: "Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!" Und Paulus
bricht unverzüglich von der Westküste Kleinasiens auf und reist per
Schiff nach Griechenland. Auch in Europa soll die gute Nachricht vom
liebevollen Gott überbracht werden.
Was an diesem biblischem Bericht auffällt: Es gibt keine Berührungsängste
gegenüber dem Fremden. Die Erscheinung im Traum ist fremd, das Land,
in das der Apostel gerufen wird, ist fremd, und die Ausleger sind
sich nicht einmal einig darüber, ob der Verfasser dieses kleinen
Berichts überhaupt wusste, wo Mazedonien liegt.
Die ganze Bibel ist da völlig arglos. Alles, was fremd ist, ist eine
interessante Herausforderung, keine Bedrohung. Vor allem fremde
Menschen sind nicht etwa potentielle Feinde, sondern ihnen wird
zugetraut, Neues und Gutes beizusteuern. Und manchmal brauchen sie
Hilfe, so wie der Mann aus Mazedonien um die Verkündigung des
christlichen Glaubens gebeten hat. Da war der Funke nach Europa
übergesprungen. Dort hat der christliche Glaube dann Fuß gefasst.
Ganz unspektakulär, aber umso nachhaltiger. Auch das ist ein Grund,
warum sich die Kirchen für das Fremde, die Fremden einsetzen.
Donnerstag, 28.2.2008
Der Hauptmann Cornelius (Apg 10, 34f)
Warum setzen sich die Kirchen so für die Fremden ein? Antwort: Sie können
nicht anders. Ihr Auftrag dazu kommt aus der Bibel.
Da wird einem biblischen Bericht zufolge der strenge Petrus in das Haus
eines Fremden, eines römischen Hauptmanns, eingeladen. Zuerst
erfasst ihn eine große Aversion: Zu diesen Leuten geht kein frommer
Mensch! Dann sieht er die Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der
fremden Familie und fasst in einem kurzen Satz die ganze
"Fremdenpolitik" der Bibel zusammen: "Nun erfahre ich in Wahrheit,
dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn
fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm."
Das ist zum Programm geworden in den Kirchen. Danach handeln sie und
danach fällen sie auch ihre politischen Bewertungen. Nicht ein einem
parteipolitischen Sinn, wohl aber in dem Sinn, dass sie für
denjenigen "in jedem Volk" Partei ergreifen, dem Recht verweigert
wird, der Verdächtigungen ausgesetzt ist, den man
hinauszumanövrieren versucht, nur weil er "nicht von hier" ist.
Für solche Frauen, Männer und Kinder müssen sich die Kirchen einsetzen.
Der große Petrus hat es lernen müssen, und auch uns wird gar nichts
anderes übrig bleiben.
Freitag, 29.2.2008
Der Kämmerer aus Äthiopien (Apg 8, 26ff)
Äthiopien gilt als fremdartiges Land. Auch für die Menschen der Bibel. In
der ist einmal die Rede von einem "Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer
und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher
ihren ganzen Schatz verwaltete". Der habe auf einer Reise einen
Prophetentext gelesen - und nichts verstanden. Da sei er an dem
Wandermissionar Philippus vorbeigefahren, sei von ihm angesprochen
worden und habe ihn auf seinen Reisewagen gebeten, damit er ihm die
Sache erkläre. Schließlich habe er sich von Philippus taufen lassen.
Zwar geht es in dieser Geschichte nicht um einen armen
Wirtschaftsflüchtling, der das christliche Engagement
herausfordert. Und doch ist eine Schwelle zu überwinden: das
Unbekannte und Exotische aus der Ferne.
Aber es gibt keine Schwellenangst. Der hochgestellte fremde Mann wird
förmlich erobert. Ganz ungeniert steigt der staubige Philippus zu
ihm auf den Wagen, die Gute Nachricht muss weitergegeben werden,
Grenzen kann es nicht geben. Nicht die des gesellschaftlichen
Standes, nicht die der Nationalstaaten, nicht die der Hautfarbe,
nicht die der Kulturen. Das ist nicht blauäugig, das ist
realistisch. Denn heute wissen es die Kirchen: Das Fremde und
Fremdartige ist Ihnen und mir näher als wir denken.
Samstag, 1.3.2008
Die Mitbürger Eph 2, 19
Warum sich die Kirchen immer so sehr für die Fremden einsetzen, hat viele
Gründe. Einer davon ist, dass Christinnen und Christen seit langer
Zeit wissen, was es heißt, unverstanden, fremd, ja verfolgt im
eigenen Land zu sein. Der andere Grund ist, dass sie selbst froh und
dankbar darüber sind, durch ihren Glauben in Gottes Welt eben nicht
fremd zu sein, sondern dazuzugehören. "So seid ihr nun nicht mehr
Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes
Hausgenossen", spricht das Neue Testament den Christinnen und
Christen zu. Das heißt: Ihr seid von Gott angenommen und geliebt,
ihr habt einen Rückhalt in eurem Leben und in der Welt um euch her.
Und das möchten Christinnen und Christen auch anderen vermitteln. Zum
Beispiel denen, die ins Land kommen, gerufen oder ungerufen,
jedenfalls getrieben von Not und schwerem Schicksal, von tödlicher
Bedrohung oder von Hunger. Denn die Zusage, nicht mehr Fremdling
sein zu müssen, ist kein theoretischer frommer Spruch. Sie ist sehr
praktisch gemeint und schafft Verantwortung für alle, die schon
"hier" leben. Diese Verantwortung spüren die Kirchen. Hoffentlich
gelingt es ihnen, sie umzusetzen.
|