Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Josef Pichler - er
hat 15 Jahre lang als Seelsorger in Ghana in Westafrika gearbeitet
und ist seit Sept. 2007 Pfarrer in Groß Siegharts im Waldviertel (NÖ)
Sonntag, 30.03.2008
„Weißer Sonntag“ – über
Taufe und Erstkommunion
In unserer Pfarre in Groß
Siegharts im Waldviertel werden heute zwei kleine Kinder getauft.
Simon und Fabio werden sie heißen. Bei uns bereiten sich auch 30
Kinder auf den Festtag ihrer Erstkommunion vor. Und auch etwa 30
Jugendliche aus unserer Pfarre wollen heuer gefirmt werden.
Der heutige Sonntag wird
auch „Weißer Sonntag“ genannt. Das kommt aus der Zeit, wo die Taufen
immer in der Osternacht waren und dann am folgenden Sonntag nach
Ostern die Neugetauften in den ersten Bänken sitzen durften und
gleichsam einen Ehrenplatz in der Kirche hatten.
Da fallen mir so manche
Tauffeiern in Afrika ein. Dort wurden nicht nur neugeborene Kinder,
sondern oft auch Jugendliche und junge Erwachsene getauft. Oft
hatten sie nichts Besonderes zum Anziehen, manche kamen barfuss und
nur mit einem weißen T-Shirt. Aber die Katechisten haben in einer
Vorbereitung von zwei Jahren dafür gesorgt, dass diese Menschen
Jesus kennengelernt haben und langsam in die Gemeinschaft der Kirche
hineingewachsen sind. Von anderen Christen aus der Gemeinde sollten
sie lernen, was es heißt, Gott und den Nächsten zu lieben.
Zurück in Österreich
freue ich mich über alle Kinder, die hier getauft und gefirmt werden
und zur Erstkommunion kommen. Und manchmal denke ich mir:
Hoffentlich haben sie das Wichtigste mitbekommen, worauf es ankommt,
nämlich Gott und den Nächsten zu lieben.
Montag, 31.3.2008
„Sie hatten alles
gemeinsam“
Über die ersten Christen
heißt es in der Bibel: Alle, die gläubig geworden waren, bildeten
eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie teilten in ihren
Häusern miteinander das Brot mit einem frohen und einfachen Herzen.
Sie waren beim ganzen Volk beliebt, und beinahe täglich wuchs ihre
junge Gemeinschaft.....(vgl. Apg. 2, 43 - 47)
Angeblich ein sehr
idealisiertes Bild der ersten Christengemeinde. Andererseits wird
aber auch nicht verschwiegen, dass sie manche Probleme und Konflikte
gehabt haben. Aber immerhin haben sie uns gleichsam eine Latte
vorgelegt, an der wir uns heute noch messen können.
Durch meine jahrelange
Arbeit in der Mission in Afrika habe ich eine Ahnung davon bekommen,
wie es damals am Anfang gewesen sein könnte. Auch meine Pfarre in
Afrika war erst 50 Jahre jung. Wenn ich in eines meiner 15 Dörfer
gekommen bin, sind wir in ihrer kleinen Kapelle zur Messe
zusammengekommen. Sie haben gesungen, getrommelt und getanzt, so gut
sie eben konnten. Und ganz wichtig: Nach dem Gottesdienst haben wir
die Kranken besucht. Mit einer kleinen Gruppe von fünf bis sechs
Leuten sind wir zu ihren Hütten gegangen, haben ihnen den
Friedensgruß gebracht, mit ihnen gebetet und auch gefragt: „Brauchst
du etwas? Was können wir für Dich tun, damit du bald wieder bei uns
sein kannst?“
Zurück in Österreich
wünsche ich mir das für meine Pfarrgemeinde: Das Interesse
füreinander, voneinander zu wissen, wer krank oder in Not ist, oder
auch wer etwas zum Feiern hat. Einfach Freude und Leid miteinander
zu teilen, das könnten wir lernen von den ersten Christen und von
jungen Christengemeinden in Afrika.
Dienstag, 1. April 2008
Für heute, den 1. April,
hab ich mir vorgenommen, vorsichtig zu sein, damit mich niemand so
leicht drankriegt und mich in den April schicken kann. Ich habe mich
im Internet schlau gemacht, wie es überhaupt zu diesen
„Aprilscherzen“ gekommen ist, die es schließlich schon seit dem 16.
Jahrhundert gibt, nicht nur bei uns, sondern auch in vielen anderen
Ländern der Welt.
Am besten hat mir
folgende Erklärung gefallen: Angeblich bat an einem 1. April eine
sechzehnjährige Unbekannte König Heinrich den IV. von Frankreich um
ein heimliches Rendezvous in einem diskreten Lustschloss. Als
Heinrich wirklich zu dem vereinbarten Date erschienen sei, habe ihn
nicht diese Unbekannte, sondern überraschenderweise sein gesamter
Hofstaat begrüßt, angeführt von seiner Gemahlin Maria von Medici.
Diese habe ihm untertänigst dafür gedankt, dass die königliche
Hoheit ihrer Einladung zu diesem „Narrenball“ gefolgt sei.....
Übrigens: Auch
Journalisten, Radiosprecher und Zeitungen haben so manche
Aprilscherze parat. Vielleicht gibt es einfach zu viel ernste
Neuigkeiten zu berichten, und wenig Erheiterndes, das aber auch
Platz haben soll.
Jedenfalls wünsche ich
Ihnen, dass Sie heute am 1. April sehr wohl einen Spaß verstehen,
aber auch nicht auf jeden Aprilscherz hereinfallen, der die Wahrheit
so verblüffend ans Licht bringen könnte, wie bei König Heinrich mit
seinem Date im Lustschloss.....
Mittwoch, 2.4.2008
„Wo dein Schatz ist, da
ist auch dein Herz“
Ein gutes Wort möchte ich
Ihnen mitgeben für diesen Tag, ein Wort aus der Bibel, das mir schon
lange gefällt. Es heißt: „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein
Herz“. Hoffentlich denken Sie dabei nicht nur an materielle Schätze
wie Geld oder Gold, sondern vor allem an geliebte Menschen, denen
Ihr Herz besonders nahe ist.
Gerne erinnere ich mich
an eine Kirchenführung, die Pfarrer Kaiser in der schönen
Pfarrkirche von Zwettl im Waldviertel gehalten hat. Sinngemäß hat er
nach einer kurzen Einleitung gesagt: „Ja, also wir haben nicht sehr
viele Schätze von Gold und Silber oder von berühmten Meistern in
unserer Kirche – unsere Schätze sind die Menschen!“
Unsere Schätze sind die
Menschen. Das habe ich übrigens auch in Afrika erlebt, wo die Leute
wirklich nicht viele kostbare Schätze wie Geld oder Gold gehabt
haben. Oft hatten sie nur eine Lehmhütte, strohgedeckt, keinen
elektrischen Strom und oft auch keine Wasserleitung in der Nähe. Und
doch waren sie fröhlich und glücklich, wenn sie in einer großen
Familie zusammen waren, vom Neugeborenen bis zu den Alten, die
genauso dazugehörten. Durch ihr einfaches Leben haben sie mir
übersetzt, was die Bibel meint mit dem schönen Wort: „Wo dein Schatz
ist, da ist auch dein Herz.“
Donnerstag, 3. April 2008
„Ich bin katholisch, aber
ich bemühe mich, ein Christ zu werden...“
Jahrelang habe ich in
Ghana in Westafrika als katholischer Pfarrer gearbeitet, wo von der
Gesamtbevölkerung ungefähr 40 Prozent Christen waren, 40 Prozent
Anhänger von Naturreligionen und 15 Prozent Moslems. Unter den
Christen gab es Anglikaner, Evangelische, alle möglichen Freikirchen
und Pfingstkirchen und auch viele Sekten. In praktischen Dingen
haben wir immer zusammengearbeitet und waren oft auch aufeinander
angewiesen. In unserer Klinik zum Beispiel waren alle Kranken
willkommen, wir haben nicht nach der Religion gefragt. In unsere
Missionsschulen und Spitäler sind auch viele Moslems gekommen, weil
sie selbst nicht so viele Schulen und Spitäler hatten wie wir
Christen.
Als Weißer unter so
vielen Schwarzafrikanern bin ich natürlich aufgefallen. Dort, wo
mich niemand kannte, wurde ich immer wieder gefragt, woher ich
komme: „Where do you come from?“ Wenn ich sagte: „From Austria“,
passierte es immer wieder, dass die Leute sagten, „ach ja, from
Australia, hab schon davon gehört.....“
Weil es so viele
verschiedene Religionen und auch so viele verschiedene christliche
Gemeinschaften in Ghana gibt, bin ich auch oft gefragt worden: „Und
in welche Kirche gehst Du am Sonntag? Für diese Frage habe ich mir
im Laufe der Jahre folgende Antwort zurechtgelegt, ich habe gesagt:
„Ich bin katholisch, aber ich bemühe mich, ein Christ zu werden“ –
Verstehen Sie? Das wurde meistens mit einem Lächeln belohnt, denn
offensichtlich haben sich viele Menschen einfach darum bemüht, mehr
Mensch zu werden, ohne nach der Religion zu fragen....
Freitag, 4.4.2008
Ein Bibelwort ist
inzwischen zu meinem eigenen Motto geworden. Es heißt dort: „Dient
einander, jeder und jede mit der Begabung, die Er oder Sie von Gott
empfangen hat.“ (1 Petrus 4, 10)
Wenn ich so in die Runde
schaue, kann ich mich freuen über die verschiedenen Begabungen von
Menschen. Keiner kann alles und niemand kann gar nichts. Vom Singen
über Sport, von praktischen zu mehr geistigen und künstlerischen
Fähigkeiten ist alles vertreten. Und wenn Menschen bereit sind, ihre
Begabungen und Fähigkeiten einzubringen, bemerken wir bald, wie sehr
wir einander ergänzen.
So könnte es auch in der
Gemeinschaft der Kirche sein. Einige können gut mit den Kindern
umgehen und sie begeistern, andere können gut singen, Feste
organisieren, andere können unterrichten, predigen oder uns
nachdenklich machen – jeder und jede mit seiner je eigenen Begabung.
In meiner Pfarre Groß
Siegharts im Waldviertel bin ich dankbar, dass ich Mitarbeiter mit
so vielen verschiedenen Begabungen habe. Mehr und mehr versuchen wir
die Talente zu fördern, die Tischmütter mit den
Erstkommunionkindern, die Firmbegleiter mit den Firmlingen, wir
besuchen die Kranken und gratulieren denen, die einen Geburtstag
feiern, wir kommen gerne zum Beten und Feiern zusammen. Ich glaube,
das hat Zukunft: Nicht ein Pfarrer, der für alles zuständig und
verantwortlich ist, sondern viele bunte Gesichter und Menschen, die
sich immer wieder fragen lassen: „Welche Begabung hat Gott mir
geschenkt, mit der ich der Gemeinschaft dienen kann?“
Samstag, 5.4.2008
Jahrelang bin ich um
diese Zeit bei Sonnenaufgang im westafrikanischen Busch
aufgestanden. Während die Kinder um Wasser zum Dorfbrunnen gegangen
sind, musste ich als Pfarrer schon die Kirche aufsperren, weil dann
um sechs Uhr eine schöne Gruppe von Christen zum Morgengebet in die
Kirche gekommen ist.
Oft hab ich diese Leute
nur bewundern können. Oft kamen sie aus strohgedeckten Lehmhütten,
hatten kaum Vorräte im Haus, und doch kamen sie bei Sonnenaufgang in
die Kirche, um Gott zu danken: Für die Sonne, für das Wasser, für
die Familie und die Menschen um uns herum. Dann sind ihnen manchmal
die Kranken eingefallen, für die sie mit freien Worten gebetet
haben. Und was nicht fehlen durfte: Der Katechist hat dann eine
Bibelstelle für den Tag vorgelesen und ein paar Worte dazu gesagt,
so gut er eben konnte.
Zurück in Österreich bin
ich nun Pfarrer im Waldviertel. Ich bin auch gerade beim Aufstehen
und werde dann bald die Kirche aufsperren, wie ich das um diese Zeit
in Afrika gemacht habe. Und ich wünsche mir auch hier in Österreich
Menschen, die mit mir ein einfaches Morgengebet halten. Die mit mir
danken für das Geschenk des Lebens, für die Sonne, für das Wasser,
die Menschen um mich herum. Bei den Fürbitten werden uns vielleicht
auch Kranke einfallen, für die wir beten. Und was nicht fehlen wird:
eine Bibelstelle, ein gutes Wort von Gott, dann hat der neue Tag
schon einmal ganz gut angefangen.
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