Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

                                            

von Superintendent Paul Weiland von der Evangelischen Kirche A. B. in Niederösterreich

 

 

Sonntag, 11.5.2008

Pfingstsonntag ist heute. Der dritte große christliche Festtagskreis. Pfingsten ist die Zeit des Heiligen Geistes, der dritten Person Gottes. Christen bekennen im Glaubensbekenntnis, an wen sie glauben: An Gott, den Schöpfer der Welt, und an Jesus Christus, seinen Sohn. Und eben: „Ich glaube an den heiligen Geist“, beten Christen weltweit und übereinstimmend im Glaubensbekenntnis.

 

Für manche ist diese dritte Person Gottes nicht einfach zu verstehen. In der Bibel wird die Aufgabe des Heiligen Geistes konkret beschrieben. Er garantiert und sichert Gottes Gegenwart in der Welt.

 

Im Johannesevangelium im 14. Kapitel nennt Jesus den Geist, den Gott sendet, den Begleiter, der immer wieder darauf aufmerksam macht, immer wieder daran erinnert, was Jesus den Menschen gesagt hat als Wort Gottes, als Wegweisung und Orientierung für das Leben.

 

Pfingsten ist die Versicherung, dass Gott da zum Menschen kommt, wo von Jesus gehört wird, wo Menschen mit Liebe diese Worte aufnehmen. „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“, sagt Jesus.

 

Pfingsten zeigt uns, Gott ist nicht abwesend von dieser Welt, nicht verborgen, er ist immer noch und immer wieder neu mit uns unterwegs in den Herausforderungen unseres Lebens.

 

 

Montag, 12.5.2008

Er sichert die Kontinuität und ist gleichzeitig zuständig für das Neue. Diesen Spagat bringt er zusammen, der Heilige Geist, der es auch noch schafft, im Kalender einen Doppelfeiertag zugesprochen zu bekommen, zumindest in Österreich, in Deutschland und in Teilen der Schweiz.

 

In anderen Ländern ist der Pfingstmontag als Feiertag abgeschafft worden und selbst in der römisch-katholischen Kirche zählt er liturgisch nicht mehr zu den Festtagen.

 

Persönlich bedaure ich das. Pfingsten ist es wert als Tag des besonderen Bedenkens der Ausgießung des Heiligen Geistes und gleichsam der Geburtsstunde der Kirche entsprechend begangen zu werden.

 

Der Heilige Geist ist eben nicht die gespenstische Seite Gottes, die alles umstürzt, er ist nicht irgendetwas Seltsames, nicht wirklich Fassbares, sondern er ermöglicht ein besseres Verstehen, ein gutes Miteinander, ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit unter uns Menschen, in dem es möglich ist zu träumen und Visionen zu haben.

 

In der klassischen Pfingstgeschichte in der Apostelgeschichte heißt es nach der Feststellung, dass jeder jeden versteht: „Gott spricht, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure jungen Menschen werden Visionen haben, und eure Alten werden Träume haben.“

 

Dienstag, 13.5.2008

Die Pfingsttage eignen sich auch ganz gut für Ausflüge und Wanderungen. Die Natur in ihrer vollen Pracht, wie wir sie an vielen Orten Österreichs in diesen Tagen erleben können, lädt uns dazu ein, noch dazu wenn das Wetter passt.

 

Manche freilich haben überhaupt kein Verhältnis zur Natur und daher auch keinen Blick für die Schönheit und das Besondere des Wachsens und des Vergehens im Ablauf der Jahreszeiten. Es gibt aber auch das andere Extrem. Dort wird die Natur gleichsam zu Gott gemacht und selbst angebetet.

 

Die Bibel schlägt uns eine andere Sicht vor: Der Beter im Psalm 104 lobt Gott als den Schöpfer der Welt. „HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter“. In poetischen Worten beschreibt er die Natur und das Leben. Ich habe so etwas Ähnliches auch erlebt, als ich mit einem Bekannten aus dem Ausland, auf dem Großglockner war, da hat er bei diesem herrlichen Rundblick gesagt: „Das ist Gottes Öffentlichkeitsarbeit.“

 

Die Natur als Schöpfung Gottes, das gibt ihr einen eigenständigen und angemessenen Stellenwert, auch in ihrer Beziehung zu uns Menschen und in unserer Beziehung zu ihr. Es bewahrt uns vor einer Über- oder Unterbewertung und lässt sie uns im besten Sinn des Wortes genießen.

 

 

Mittwoch, 14.5.2008

Die Natur ist für die Nutzung des Menschen da. Das stimmt. Für manche wird daraus, oft auch ohne sich das wirklich bewusst zu machen, ein Ausnutzen. Nach biblischem Verständnis ist die Natur Teil der Schöpfung Gottes. Die Psalmen, eines der Bücher des Alten Testaments, erinnern uns deutlich, dass Gottes Handeln die ganze Welt umgreift, den ganzen Kosmos. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass in den Psalmen die ganze Schöpfung zum Lob Gottes gerufen wird, die Berge, Flüsse, Felder, Gestirne, die Tiere, die Bäume.

 

Im Psalm 98 heißt es: „Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. Die Ströme sollen frohlocken, und alle Berge seien fröhlich vor dem HERRN; denn er kommt, das Erdreich zu richten. Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker, wie es recht ist.“

 

Die ganze Schöpfung freut sich, wenn Gott kommt, um die Erde zu richten mit Gerechtigkeit: Es ist keine Schadenfreude, dass die Bösen jetzt endlich die verdiente Strafe kriegen, sondern Freude darüber, dass endlich Recht geschieht, dass auch die Schwachen und Wehrlosen ihr Recht bekommen, dass die Wälder wachsen dürfen, wie sie wollen, dass die Berge ihren angestammten Platz behalten und die Bäche sich frei entfalten dürfen. Das ist keine Naturromantik, sondern biblischer Schöpfungsglaube.

 

 

Donnerstag, 15.5.2008

Für manche Menschen bedeutet es ein Dilemma, wenn sie einerseits vom Glauben an den Schöpfergott hören und andererseits von den Naturwissenschaften, die Entstehung der Welt sei durch Selektion oder eine zufällige Mutation entstanden. Für mich ist beides vereinbar, Gott als den Schöpfer zu bekennen, und die moderne Biologie als menschliche Naturerkenntnis in den Grenzen menschlichen Wissens zu würdigen. „Zufall oder Schöpfung“ ist keine Alternative.

 

Mir hat das ein Beispiel sehr verständlich gemacht: Es ist der Bericht von einem Unfall. „Der schwer verletzte Autofahrer wurde gerettet, weil zufällig ein ausgebildeter Sanitäter zum Unfallort kam. Hätte der Verletzte auf den Notarztwagen warten müssen, wäre er gestorben.“ Am nächsten Sonntag wurde im Rahmen des Gottesdienstes ein Dankgebet gesprochen, dass Gott den Mann vor dem Tod bewahrt hat. Was war das nun? War es Zufall oder war es Gottes Wille? Aus menschlicher Sicht war das rechtzeitige Erscheinen des Sanitäters Zufall, weil es von niemandem geplant wurde und ohne Voraussicht stattfand.

 

Aber was hat das mit dem Handeln Gottes zu tun? Gottes Voraussicht reicht weiter als unsere. Ebenso sind aus naturwissenschaftlicher Sicht zufällige, weil nicht weiter erklärbare Mutationen kein Grund dafür anzunehmen, dass diese Mutationen nicht Gottes Willen dienen.

 

 

Freitag, 16.5.2008

Ich möchte heute von uns Menschen reden. Im Zusammenhang mit der Schöpfung. Nach der biblischen Schöpfungsüberlieferung bekommt der Mensch von Gott eine mit-schöpferische Verantwortung zugewiesen: Er nimmt die beherrschende Stellung ein, die Erde "zu bebauen und zu bewahren". Uns Menschen wird eine Sonderrolle als "Krone" der Schöpfung zugewiesen.

 

Diese Rolle wurde und wird aber immer wieder im Sinne eines unbegrenzten, kaum durch Regeln und Gebote eingeschränkten Umgangs mit der Natur und den Tieren verstanden. Der Zusammenhang der entsprechenden Bibelstellen zeigt aber eindeutig, dass dieser Auftrag nicht im Sinn der Ausbeutung, sondern der Bewahrung und Erhaltung zu verstehen ist.

 

Im Psalm 8 heißt es vom Menschen: „Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt“. Das tatsächlich Besondere von uns Menschen ist, dass wir als einziges Geschöpf in der Lage sind, über die Zusammenhänge der Natur und über uns selbst reflektieren zu können. So ist der Mensch auch das einzige Lebewesen, das Verantwortung ausbilden und übernehmen kann. Das die Folgen seiner Handlungen und Unterlassungen abschätzen kann. Das heißt aber auch, dass der Mensch nicht nur verantwortungsfähig, sondern gegenüber dem Schöpfer auch verantwortungspflichtig ist.

 

 

Samstag, 17.5.2008

Keine Frage, die Welt ist heute nicht mehr so wie vor fünfhundert Jahren, auch nicht in ihrem ökologischen System. Und sie wird auch in Zukunft Änderungen erfahren, naturbedingt oder vom Menschen beeinflusst. Eingriffe von Menschen in das Klimasystem der Erde haben heute aber eine qualitativ andere Dimension, weil sie unüberschaubare und unbeherrschbare Folgen haben können.

 

Der Schöpfungsverantwortung kommt deshalb heute die Bedeutung einer "verantwortlichen Haushalterschaft" zu. Ökonomie und Ökologie müssen wieder zusammen gesehen werden. Aufgrund des komplexen Geschehens genügt es heute nicht mehr, zum Beispiel nur nach dem preislich Günstigsten zu beurteilen, sondern auch Umweltverträglichkeit, die soziale Verträglichkeit zu prüfen, auch danach zu fragen, ob dieses oder jenes Handeln dem Frieden dient und den nachfolgenden Generationen Leben ermöglicht.

 

Dabei kommt nicht nur den Verantwortlichen und Politikern besondere Bedeutung zu, sondern jedem einzelnen von uns. Beim Hausbau, beim Bau oder der Renovierung von Kirchen, ja selbst beim Einkaufen und mit unseren Lebens- und Essensgewohnheiten entscheiden wir mit, wie es mit unserer Welt weitergeht. Ob sie schleichend zerstört wird oder lebenswert bleibt.