Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Dir. Johannes Fenz (Eisenstadt)

 

 

Sonntag, 25. Mai 2008

Eltern vor den Vorhang!

 „Eltern vor den Vorhang“ war das Generalthema der diesjährigen Woche der Familie im Burgenland. Ja, Eltern, und hier vor allem die Frauen, leisten für die heranwachsende Generation sehr viel. Das wird von der Gesellschaft und von den eigenen Kindern wenig gesehen und kaum geschätzt. Als Vater zucke ich immer zusammen, wenn sich meine Kinder gegen meine Frau oder gegen mich auflehnen. Es ist schwer zu verstehen, wenn die Kinder gegen die Eltern, denen sie das Leben verdanken, revoltieren.

Ich denke mir aber: Sie haben Recht. Sie müssen ihre eigene Persönlichkeit entwickeln; sie müssen zu sich selber stehen können; sie müssen Verantwortung für sich übernehmen. Natürlich hat man mit 16, 18 oder 20 Jahren noch nicht die Erfahrung eines 45-jährigen. Aber irgendwann muss man es lernen und probieren können. Als Christ denke ich: Auch Gott ist als Mensch in die Welt gekommen und wirbt um die Solidarität der Menschen. Er macht sich die Mitmenschen zu Geschwistern. Schon deshalb haben unsere Kinder das Recht, unabhängige, eigenständige und verantwortungsvolle Menschen zu werden. Ich vertraue darauf, dass sie das, was wir ihnen als Eltern vermitteln, verstehen. Ich vertraue darauf, dass sie die Werte, die wir ihnen weitergeben, später einmal ihren eigenen Kindern vermitteln. Auch wenn sie jetzt gegen uns Eltern aufbegehren.

 

 

Montag, 26. Mai 2008

Kinder nicht erdrücken

Mit meinen vier Geschwistern habe ich vor kurzem die Erziehungsarbeit unserer Eltern analysiert. Es war sehr spannend. Jeder hat etwas anderes gesehen. Mir drängte sich unweigerlich die Frage auf: Wie werden meine Kinder ihre Erziehung beurteilen? Werden sie vielleicht sagen: Unser Vater hat uns bevormundet und immer gesagt, was wir zu tun haben. Er hat uns immer alles bezahlt, auch wenn es nicht notwenig gewesen wäre. Unser Vater hat immer dann geschwiegen, wenn er ein Machtwort hätte sprechen sollen. In den Momenten, in denen wir unseren Vater wirklich gebraucht hätten, war er nicht da. Wenn wir Probleme hatten, konnten wir jederzeit zu ihm kommen. Unser Vater hat uns in unseren Entscheidungen immer bestärkt. Er hat uns vor niemandem lächerlich gemacht. Unser Vater hat uns das, was er von uns verlangt hat, auch vorgelebt.

Fragen über Fragen, die sich stellen, wenn man seine eigene Erziehungsarbeit reflektiert. Ist uns eigentlich bewusst, welches Erziehungsziel wir verfolgen? Natürlich wollen wir die besten, die  schönsten und die klügsten Kinder. Aber überfordern wir damit nicht uns selbst und vor allem unsere Kinder? Unsere Kinder gehören uns nicht. Wir begleiten sie nur auf dem Weg, den wir ihnen als Eltern vorgeben. Wir müssen sie beschützen. Aber wir dürfen sie mit unserem Wollen nicht erdrücken.


 

Dienstag, 27. Mai 2008

Fliegen lassen und zum Auffangen bereit sein!

Wenn die Kinder heranwachsen und sich langsam von der Familie lösen, ist das sowohl für die Kinder als auch für die Eltern eine spannende Zeit. Wir spüren und wissen, dass Kinder zuerst „Wurzeln und dann Flügel“ brauchen. Trotzdem: So wirklich fliegen wollen wir sie aber nicht lassen. Einerseits wollen wir, dass sie selbstständig werden; andererseits hätten wir sie schon gerne in der Nähe. Wenn die Kinder dann doch „ausfliegen“, warten wir förmlich darauf, dass sie abstürzen. Aus Rache folgen von uns Eltern dann Killerphrasen wie: „Jeder muss seine Erfahrungen selbst machen!“ Oder: „Das hätte ich dir gleich sagen können!“ Oder: „ Genauso habe ich das kommen sehen!“, „Hättest du nur auf uns gehört“.

Das sind Phrasen, die niemandem helfen. Am allerwenigsten den Kindern. Ich vertraue darauf, dass unsere Kinder, wenn sie ausfliegen, auch wieder sicher landen werden. Sie müssen sich nur darauf verlassen können, dass sie im Ernstfall aufgefangen werden; ohne Aufrechnungen und ohne Vorhaltungen.

 

 

Mittwoch, 28. Mai 2008

Papa, darf meine Freundin bei uns schlafen?

Mein ältester Sohn fragte mich vor zwei Wochen: „Papa, darf meine Freundin bei uns schlafen?“ Als katholisch sozialisierter Vater war ich kurz sprachlos. Die Frage kam überraschend. Nach kurzem Nachdenken sagte ich: „Ja“.  „Wenn sie miteinander schlafen wollen“, dachte ich mir, „werden sie das auch tun, wenn ich nein sage“. Ich nahm die Frage zum Anlass, mit meinem Sohn über Werte wie Sexualität, Treue und Würde des Menschen zu reden. Es war ein spannendes Gespräch und ich erkannte, dass ich zu wenig Vertrauen zu meinem Sohn habe. Ich bin zu ängstlich und mache mir zu viele Sorgen, dachte ich. Seine abschließende Frage: „Und was ist daran schlimm, wenn wir ein Kind bekommen? Schließlich sind wir uns einig, dass wir den Weg in die Zukunft gemeinsam gehen wollen“, verblüffte mich. Sind wir Eltern nicht oft zu ängstlich und sehen nur die Schwierigkeiten, die sich mit einem Baby ergeben könnten? Anstatt optimistisch zu sein, unsere Kinder zu unterstützen und sie in ihrem Kinderwunsch zu bestärken?

 

 

Donnerstag, 29. Mai 2008

Wir trauen uns!

Der Wonnemonat Mai ist beliebt für Hochzeiten. Dennoch gibt es viele junge Menschen, die sich nicht trauen diesen Schritt zu setzen. Warum ist das so, frage ich mich? Geht es den Kindern in den Ursprungsfamilien zu gut? Steht der Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit im Vordergrund? Zweifeln junge Menschen an ihrer gemeinsamen Zukunft? Ist es vielleicht nicht „in“, verheiratet zu sein? Haben junge Menschen Angst davor, dass sich ihre Liebe nicht mehr weiterentwickeln könnte und vielleicht erlöscht. Ich weiß es nicht. Die Gründe dafür sind möglicherweise vielfältig. Es braucht sicher Mut, diesen Schritt zu setzen. Ich habe mir vor meiner eigenen Eheschließung wenig Gedanken über die Zukunft gemacht. Ich habe darauf gebaut, dass unser gemeinsames Leben zwar nicht immer voller Freude, aber immer voller Liebe sein wird können. Ich habe darauf vertraut, dass wir uns gemeinsam entwickeln; mir war auch klar, dass wir beide trotz Eheschließung unseren eigenen Lebensraum brauchen, um uns nicht gegenseitig aufzusaugen; gleichzeitig es aber notwendig sein wird, sich auszutauschen und gemeinsam Wege und Lösungen zu finden. „Die Ehe ist und bleibt die wichtigste Entdeckungsreise, die ein Mensch unternehmen kann“, sagt der dänische Philosoph Sören Kierkegaard. Wenn wir Ehe auch so sehen, braucht es nicht sonderlich viel Mut, ja zu einem gemeinsamen Leben zusagen. Die Sicherheit und die Verbindlichkeit, die eine Ehe mit sich bringt, sind unter diesem Gesichtspunkt eine wahre Freunde.


 

Freitag, 30. Mai 2008

Was packe ich meinem Kind in den Rucksack?

Wenn Kinder das Haus verlassen, um selbst eine Familie zu gründen, fragen wir uns: „Was kann oder soll ich meinem Kind mitgeben?“ Zu allererst denken wir an materielle Güter. Ich meine, die sind zweitrangig. Ich will meinen Kindern soviel Vertrauen mitgeben, so viel sie tragen können.  Einen Vorrat an Humor, an Mut, an Treue und an Glauben. Ich will ihnen aber auch Verständnis, ein Lächeln und eine Portion Neugier mitgeben. Mit ihren Partnern müssen sie Kompromisse schließen; sie müssen tolerant sein, vergeben können und sollen nie den Mut verlieren. Ich will meinen Kindern alles mitgeben, was sie brauchen, um losziehen und ihren eigenen Weg gehen zu können. Aber das passt nicht alles auf einmal in den Rucksack. Daher ist es notwendig, diese „Gaben“ schon von klein auf, Stück für Stück, in den Rucksack zu legen. Sie sollen diese „Gaben“ bei Bedarf jederzeit herausnehmen können. Gewalt, Hass, Unfrieden und Streitigkeiten sollten sie zurücklassen können. Diese Dinge können so schwer werden, dass der Rucksack nicht mehr zu tragen ist.  Wenn mir das gelingt, können meine Kinder getrost von dannen ziehen.

 

 

Samstag, 31. Mai 2008

Was habe ich falsch gemacht?

Vor kurzem hat mich eine Frau nach einem Vortrag gefragt: “Was habe ich falsch gemacht? Ich war mit meinen Kindern regelmäßig in der Kirche. Mein Sohn hat geheiratet und weder er noch seine Frau gehen mit den Kindern am Sonntag in die Kirche.“ Diese Frage zeigt, dass es Eltern belastet, wenn ihre Kinder nicht regelmäßig den Gottesdienst besuchen, obwohl sie es vorgelebt bekommen haben. Falsch hat die Frau sicher nichts gemacht. Vielleicht waren die Gottesdiensterfahrungen in der Kindheit nicht so, dass sie so positiv waren, dass man diese nach der jugendlichen Drangzeit in das Erwachsenwerden hinüberretten konnte. 

Es gibt sicher viele junge Familien bei denen die Eltern nicht mit ihren Kindern regelmäßig den Gottesdienst besucht haben, die es aber heute tun. Die Vorbildwirkung alleine ist es sicher nicht. Ich bin überzeugt, dass in unserer pluralistischen Gesellschaft, mit dem Zwang das eigene Leben zu erleben und in der gleichaltrigen Gruppe zu bestehen, Gott auf der Strecke bleibt. Man sucht ihn nicht, man geht im nicht entgegen. Man genügt sich selbst. Als Eltern können wir den Samen des Glaubens in unsere Kinder legen. Damit dieser aufgehen kann, müssen sie selbst dazu beitragen. Manche bringen diesen Samen rasch zum Erblühen. Manche brauchen länger, aber er erblüht immer.