Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Pfarrerin Ingrid Tschank (Gols/Bgld.)
Sonntag, 8.6.2008
Ich freue mich immer auf das Ende des Gottesdienstes. Nicht vielleicht
deshalb, weil ich froh bin, dass er zu Ende ist, sondern ich freue
mich auf das, was am Ende des Gottesdienstes mir gegeben wird. Das
ist der Segen Gottes. Am liebsten habe ich den Aaronitischen Segen,
wie er im Alten Testament im 4. Buch Mose (6, 22 – 27) überliefert
ist. Er beginnt mit den Worten: „Der Herr segne dich und behüte
dich“.
Die Bibel erzählt immer wieder, dass Menschen sich durch Worte berührt
und gestärkt gefühlt haben. Diese Kraft, die sie selbst bekommen
haben, haben sie dann an andere weiter gegeben. Mit dem Segen ist es
wie mit der Liebe, sie vermehrt sich gerade dadurch, dass wir sie
verschenken.
Segen heißt: Gott geht mit mir. Gott lässt mich nicht allein. Er ist in
meiner Nähe in allen Höhen und Tiefen meines Lebens. Eine ganz enge
Beziehung wird durch den Segen zwischen Mensch und Gott geknüpft.
Kein Mensch kann sich den Segen selber geben, er kann nur geschenkt
werden, so wie auch die Liebe. Vom Aaronitischen Segen wird gesagt,
dass er eine besondere Würde hat, weil Gott ihn selbst so formuliert
hat. „Der Herr segne dich und behüte dich“. Das heißt: Gott behütet
und beschützt mich durch seinen Segen, so dass ich voll Freude und
Zuversicht mein Leben gestalten kann. Auch dann, wenn ich Angst habe
und unsicher bin, wird Gottes Segen mit mir sein und mir neue Kraft
und Hoffnung schenken.
Montag, 9.6.2008
„Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht
leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr hebe sein Angesicht
über dich und gebe dir Frieden.“ Es tut mir gut, den Tag mit diesen
Worten zu beginnen. Gott schaut mich strahlend und freundlich an.
Sein Blick ruht auf mir voller Liebe und Güte. Seine Augen machen
mir Mut, muntern mich auf und machen den Morgen hell.
Dass Gott uns alle gnädig anschauen möge, das erhoffen wir immer wieder.
Gott sei Dank sagt uns dieses Segenswort, dass er uns nicht mit
einem zornigen Gesicht ansieht, sondern so, wie wir aus seiner Sicht
sein könnten, seine liebenswerte Menschenkinder. Gnädig ist das,
liebevoll und aufbauend.
Gott schenkt uns seine Nähe und seinen liebevollen Blick, der uns umhüllt
und unseren eigenen, oft sehr eingeschränkten Blickwinkel weit
machen kann.
Im Segen schenkt uns Gott auch Friede, seinen Schalom, der unser ganzes
Leben umfassen soll. Frieden meint mehr als einen Waffenstillstand.
Der Schalom Gottes meint das Leben, wie es im Sinne Gottes sein
könnte für mich selbst, für andere, für Gottes ganze Schöpfung.
Gottes Frieden meint ein Beziehungsgleichgewicht das Leben für alle
in Fülle möglich macht.
Dienstag, 10.6.2008
In der Bibel kommt der
Fußball nicht vor. Eigentlich schade, denn mit seinen zwölf Jüngern
hätte Jesus eine starke Truppe für ein Fußballspiel aufstellen
können.
Den draufgängerischen
Judas kann ich mir gut als Torjäger vorstellen, den verlässlichen
Petrus als Spielführer mit enormem Teamgeist. Johannes hätte wohl am
Besten als der Kopf der Mannschaft fungiert, der strategisch
geschickt das Spiel lenkt und der Zöllner Matthäus hätte außerhalb
des Spielfeldes sicherlich eine gute Figur als umsichtiger
Finanzchef gemacht. Aber leider - kein Wort vom Fußball in der
Bibel.
Hätten die Menschen damals
bereits Fußball gespielt, dann hätte Jesus sicherlich auch gerne
mitgemacht, entweder als Spieler oder als Zuschauer. Denn Jesus war
kein Spielverderber. Er hat die Menschen immer dort aufgesucht, wo
sie sich gerne aufgehalten haben. Mitten hinein in das Leben der
Menschen ist er gegangen. Er hat ja nicht nur im Tempel den Leuten
von der frohen Botschaft, von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes
erzählt, sondern auch in ihren Häusern, auf dem Markt, auf den
Straßen und bei ihren Festen. Mit allen seinen Sinnen hat sich Jesus
dem Leben der Menschen geöffnet, nichts ist ihm dabei zu unbedeutend
gewesen. Alles, was die Menschen in ihrem Innersten bewegt hat, hat
ihn angezogen. Er hätte wohl auch mit den Fußballspielern gebangt
und gezittert und sich über ein Tor gefreut.
Mittwoch, 11.6.2008
Wo ist es spannender? Auf dem Fußballplatz oder in der Kirche?
Für Fußballfans ist die Antwort klar. „Auf dem Fußballplatz ist es
meistens spannender als in der Kirche!“ Der Theologie Josuttis, der
selbst ein großer Fußballfan ist, hat folgende Erklärung dafür
gefunden: Fußball ist so spannend, weil es dort Sieger und Verlierer
gibt. In der Kirche gibt es dagegen nur Gewinner. Dort wird gesagt:
Du hast gewonnen. Gott hat alles für dich getan, es kann dir nichts
passieren. Das ist sehr schön, aber manchmal auch langweilig.
Fußball ist spannend, keine Frage. Da gibt es Kampf, Dramatik, Freude und
Tränen, Sieg und Niederlage in letzter Sekunde. Alle Gefühle des
Lebens scheinen sich in den 90 Minuten zu konzentrieren. Und in der
Kirche?
Im Glauben gibt es nur Gewinner, weil Gott jeden von uns so annimmt, wie
er oder sie ist. Es kann nie 1:0 für Gott stehen, denn Gott
verzichtet auf seinen Sieg uns gegenüber. Seit dem Tag, als er
versprochen hat, dass er diese Erde nicht mehr zerstören wird, hat
er aufgehört, über uns zu triumphieren. Er hat einen ewig gültigen
Bund mit uns geschlossen und zum Zeichen dafür den Regenbogen in den
Himmel gesetzt.
Was immer also in den nächsten Wochen bei den Spielen der
Europameisterschaft auf den Fußballplätzen passiert, wir gehören zu
den Gewinnern.
Donnerstag, 12.6.2008
Der persönliche Glaube als Beziehung zwischen Gott und Mensch ist kein
fertiger Zustand, nein, es ist ein lebendiger und lebenslanger Weg.
Wir sind und bleiben Suchende und Fragende auf dem Weg des Glaubens.
Viele Menschen meinen, dass es leicht ist, den Weg des Glaubens zu gehen.
Sie haben recht. An manchen Tagen ist er mühelos und bequem. Aber es
gibt auch Tage und Stunden, da spüren wir deutlich: „Dieser Weg wird
kein leichter sein. Dieser Weg wird steinig und schwer“. Welche
Aufgaben und Herausforderungen bewältigt werden müssen, das ist
stellt sich erst beim Gehen des Weges heraus. Die Erfahrung lehrt
uns, dass wir Menschen nicht immer alles erreichen und bewältigen
können, was wir uns vornehmen. Unser Glaube sagt uns jedoch, dass
wir nur leben können und auch kämpfen und uns einsetzen und auch
etwas riskieren, wenn wir im Vertrauen auf Gottes Begleitung unseren
Weg gehen.
Das Leben, das vor uns liegt ist spannend und reizvoll, aber es ist auch
ungewiss. Gewiss ist jedoch die Zusicherung, die uns Gott in der
Taufe gegeben hat. Das ist die Zusage, dass er uns mit seinem Segen
auf den geraden und auf den krummen Wegen begleiten wird. Mit seiner
Hilfe und unter seinem Schutz werden wir ans Ziel kommen. Die
Entscheidung dafür hat Gott am Anfang unseres Weges bereits
getroffen. Er hat gesagt: „Du bist mein geliebtes Menschenkind.“
Freitag, 13.6.2008
Jedes Kind ist auf Liebe
angewiesen. Ein Neugeborenes wäre rettungslos verloren, wenn da
nicht Menschen wären, die es lieben, pflegen und schützen, die es
Schritt für Schritt mit dem Leben vertraut machen und ihm damit
dasjenige Grundvertrauen vermitteln, das es später dazu befähigt,
sich selbst und andere zu lieben.
Bis ein Kind jedoch eines
Tages für sich selbst sorgen kann, erfährt es vor allem durch seine
Eltern, Großeltern und durch die Menschen, denen es anvertraut wird,
dass es ein wertvoller und kostbarer Mensch ist. Zugleich erfährt
ein Kind aber durch die Liebe auch, dass es von Gott geliebt wird.
Die Liebe zwischen Gott und den Menschen gibt es nur dort, wo
Menschen sich in Liebe, Achtung und Respekt begegnen.
Jesus wurde einmal
gefragt, was das höchste Gebot sei. Seine Antwort lautete: „Du
sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer
Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot.
Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie
dich selbst.“ (Mt 22, 37 - 39)
Die göttliche Liebe, ist
nicht ohne die menschliche Liebe zu haben. Wer sich zwischen diesen
beiden entscheiden möchte, wird immer das Falsche wählen. Denn Gott
selbst hat sich für beides entschieden, für die göttliche und für
die menschliche Liebe und ist selbst Mensch geworden.
Samstag, 14.6.2008
Unser ganzes Leben dreht
sich um die Liebe. Eigentlich heißt es, dass das Geld die Welt
bewegt und am Laufen hält, und für sehr viele Menschen dreht sich im
Moment alles in ihrem Leben um den Fußball.
Aber dreht sich in
Wirklichkeit nicht doch immer und überall alles nur um die Liebe?
Ist der Wunsch, geliebt zu
werden und anderen Liebe zu geben nicht doch der ureigenste und
geheimste Schlüssel zu allem, was wir tun?
Wo jedoch die Liebe fehlt,
dort regiert der kalte rechnerische Verstand, dort herrscht allein
der Gedanke der Nützlichkeit und Menschen werden nur als Mittel zum
Zweck eingesetzt. Gegen diesen Umgang mit Menschen und der gesamten
Schöpfung richtet sich Jesus, wenn er sagt: „Was nützt es einem
Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst
verliert und Schaden nimmt.“ (Lk 9, 25)
Ja, was nützt uns aller
Besitz, die Häuser, Autos und Schmuckstücke? Was nützt aller Erfolg
und alles Prestige? Was nützt uns das alles, wenn unser Herz vor
Lieblosigkeit versteinert, wenn wir zu Hause wie Fremde ein- und
ausgehen und wenn wir anderen nicht vertrauen können, weil wir uns
nicht einmal selbst über den Weg trauen. Es nützt uns das alles
nichts, denn erst dadurch, dass wir lieben und selbst geliebt
werden, wird unser Leben reich und erfüllt und wir können ein
menschliches Leben führen.
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