Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Mag. Klaudia Achleitner (Oberndorf, Salzburg)
Sonntag, 15.6.2008
Gott loben, mit allem, was
ich habe
Gott zu loben – mit ganzem Herzen und ganzer Seele. Dieser Satz, der so
ähnlich in der Bibel steht, kam mir neulich in den Sinn als die
Kinder unseres Kindergartens den letzten Familiengottesdienst
gestaltet haben. Mit ganzem Herzen und all ihrer Kraft haben die
Kinder diesen Gottesdienst vorbereitet. Sie haben das Lob auf Gottes
Schöpfung nicht nur gesungen, sondern uns dazu auch ihre selbst
gemalten Bilder gezeigt: da wuchsen die Berge und Täler und trennten
sich vom Meer. Die Sonne, der Mond und die Sterne erleuchteten das
Firmament. Die Fische schwammen fröhlich durch das Wasser. Die Vögel
flatterten durch die Luft und die Tiere weideten auf der Wiese. Dann
kam noch der Mensch, um die Schöpfung zu behüten und zu bewachen.
Wir haben gesungen, geklatscht und die Frohe Botschaft Gottes gehört und
wir kamen auch in Bewegung: In einer Evangelienprozession
begleiteten alle Kinder unseren Pfarrer als er das Buch mit der
frohen Botschaft quer durch die Kirche trug.
Zum Schluss der Feier teilten die Kinder noch als zusätzliches Zeichen
der Gemeinschaft miteinander gesegnetes Brot. So wurde diese Feier
ein gelungenes Fest, um Gott mit allen Sinnen zu loben und zu
preisen.
Mit vollem Herzen konnten wir alle singen: „Wir sind Gottes Familie
Kunterbunt, auch ich gehör dazu, ich habe einen Vater im Himmel,
genau wie du.“
Montag, 16.6.2008
Schau genau!
Ich zeigte den Kindern ein Bild und bat sie, es sich einmal genau
anzuschauen. Nach ein paar Minuten begannen sie zu erzählen, was sie
sahen. Simon fing an: „Ich sehe eine alte Frau mit einem Kopftuch
und einer großen Nase. Sie schaut nach unten.“ Anna widersprach:
„Stimmt gar nicht! Das ist eine ganz junge Frau mit so langen Federn
am Kopf. Sie hat ein kleines Gesicht. Außerdem schaut sie nach
oben.“ Das Gespräch ging eine Zeit lang hin und her. Sie beschrieben
sich ihre Sicht von dem Bild immer genauer. Beide wollten recht
haben. Es kam beinahe zum Streit. Bis Angela sagte: „Ich hab’s!
Schaut doch einmal genau hin! Da ist eine alte und eine junge Frau!
Die eine schaut aus wie die Hexe aus dem Märchen Hänsel und Gretel
und die andere wie eine feine Dame.“ Zuerst konnten es Simon und
Anna gar nicht glauben. Doch nach längerem Hinschauen erkannten auch
die beiden, dass auf dem Bild wirklich die Gesichter von zwei Frauen
zu sehen waren. Durch das Miteinanderreden wurde es für die Kinder
möglich, das Bild unter verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Sie merkten, dass sechs Augen mehr sehen als nur zwei. Und sie haben
gemerkt, dass jeder für sich etwas Richtiges in dem Bild gesehen
hat. Sie haben sich gegenseitig die Augen für die anderen Aspekte
des Bildes geöffnet. So konnten sie erst gemeinsam das gesamte Bild
erfassen. Sie haben sozusagen zusätzlich zu ihrer eigenen Sichtweise
eine neue Sicht auf die Dinge zugelassen.
Dienstag, 17.6.2008
Die Welt der Klänge
Die Welt einmal nur mit den Ohren wahrnehmen – dieses Thema beschäftigte
uns in einer unserer letzten Jungscharstunden. Da haben wir unter
anderem eine Übung mit den Kindern gemacht, bei der sie probieren
konnten, inwieweit sie sich auf ihr Gehör verlassen können und das
ging so: alle Kinder bis auf eines standen im Raum verteilt und
waren Zauberbäume. Ein Kind bekam die Augen verbunden und durfte
durch den Zauberwald spazieren gehen. Wenn es in die Nähe eines
Baumes kam, gab dieser ein Geräusch von sich. So konnte dieses Kind
ausweichen, ohne anzustoßen. Der Baum verstummte, sobald sich das
Kind entfernte.
Die Kinder bewegten sich auf ganz unterschiedliche Art durch den
Zauberwald. Manche waren durch die Klänge sehr verunsichert und
tapsten eher vorsichtig durch den Raum, andere hingegen genossen die
Geräuschkulisse sehr.
Im anschließenden Gespräch über ihre Erfahrungen im Zauberwald, waren sie
sich darüber einig, dass sie die lauten, aggressiven Töne
verunsichert und abgeschreckt hätten. Die leisen, sanften Klänge
haben ihnen den Weg sehr angenehm gemacht. Wir haben den Kindern
dann noch die Geschichte von Elija auf dem Berg Horeb vorgelesen.
Sie verstanden gut, dass Elija bei Sturm, Erdbeben und Feuer in
seiner Höhle geblieben ist. Diese Ereignisse haben ihn nämlich
erschreckt. Als er das leise Säuseln des Windes hörte, erkannte er
Gott und trat vor die Höhle. Für die Kinder war klar: In der dunklen
Höhle konnte Elija ja nichts sehen, deshalb hat er sich auf sein
Gehör verlassen.
Mittwoch, 18.6.2008
Das Parfüm
Vor ein paar Wochen bestieg ich mit meinem Mann in Bratislava den Turm
des Michaelstores. In dem schmalen Treppenhaus wurden wir von einem
sehr speziellen Duft empfangen. „Der Geruch kommt mir bekannt vor.“,
sagte mein Mann. „Ja, hier riecht es nach dem Parfum deiner
Mutter.“, erwiderte ich. Mit diesem Duft in der Nase sah ich meine
verstorbene Schwiegermutter genau vor mir – diese stets elegant
gekleidete Frau mit der perfekt sitzenden Frisur, die immer ein
Lächeln und ein freundliches Wort hatte für die Menschen, die ihr
begegneten. Sie war die Seele ihres Arbeitsplatzes. Von ihren Kunden
kannte sie nicht nur die Namen und persönlichen Daten, sondern auch
all ihre Eigenheiten und Vorlieben. Wenn wir gemeinsam durch die
Altstadt spazierten, konnten wir kaum ein Gespräch führen, weil sie
ständig gegrüßt wurde. Auch in der Pension war meine Schwiegermutter
selten zu Hause – so manche Kunden waren zu Freunden geworden. Sie
war viel unterwegs – meistens in dem einen Kaffeehaus, manchmal auch
in dem anderen.
Der Duft ihres Parfums in meiner Nase erzeugt auch Hunger – Hunger auf
ihre Knödel, Schnitzel und Weihnachtskekse und er weckt auch
Erinnerungen an unsere gemeinsamen Unternehmungen.
Ich bin schon gespannt darauf, wo und wann mir das nächste Mal der Duft
des Parfums meiner Schwiegermutter in die Nase steigen wird.
Donnerstag, 19.6.2008
Ich nehme dich bei der
Hand
Ich erinnere mich noch gut an die Babyzeit unserer Kinder. Ich fühle
heute noch den Druck an meinen Zeigefingern, fast wie damals als sie
sie mit ihren kleinen Händen fest umklammert hielten, um zu spüren –
es ist jemand da, der sie hält. Mit ihren Händen haben sie sich am
Anfang ihres Lebens ihre Welt ertastet – Glattes und Raues, Weiches
und Hartes, Warmes und Kaltes. Sie wollten aber auch die Hände ihrer
Eltern spüren. Manchmal, wenn sie geschrien haben, hat es genügt,
ihnen nur die Hand auf den Kopf zu legen. Sie haben sich
hineingekuschelt und sich dabei ganz schnell beruhigt.
Nun sind unsere Kinder schon größer und selbstständiger. Und doch kommt
es immer wieder vor, dass sich plötzlich eine kleine Kinderhand in
unsere schiebt, um sich festzuhalten, um Schutz zu suchen. Mit
dieser kleinen Geste drücken sie auch aus: wir haben Vertrauen zu
euch, wir gehören zu euch.
Wir berühren uns bei den verschiedensten Gelegenheiten mit den Händen –
um uns zu begrüßen und zu verabschieden, um uns zu versöhnen, um uns
zu trösten und nicht zuletzt um zu beten. So fühlen wir uns
miteinander verbunden. Es macht uns stärker und gemeinsam können wir
den Weg gehen, der vor uns liegt.
Freitag, 20.6.2008
Das innere Gleichgewicht
Neulich döste ich auf der Terrasse und wurde zufällig Zeugin einer
Unterhaltung meiner Kinder. „Weißt du, dass war jetzt komisch“,
sagte Angela. „Da hat auf dem Spielplatz die eine Mutter zur anderen
gesagt: ‚Diese Sache hat mich total aus dem Gleichgewicht gebracht.’
Ich habe gar nicht verstanden, was die damit meint.“ Simon
antwortete: „Hm. Vielleicht wollte sie damit sagen, dass sie
momentan nicht weiß, wo vorne und hinten oder links und rechts ist.“
„Das kapiere ich nicht!“, erwiderte Angela. „Das Gleichgewicht habe
ich verloren, wenn ich mit dem Radl hinfalle.“ „Ja, schon! Das
auch.“, sagte er. „Aber wenn dich zum Beispiel deine Freundinnen
wieder einmal vom Spielen ausschließen, dann wirft dich das auch aus
der Bahn. Das ist so viel, wie wenn du aus dem Gleichgewicht geraten
bist. Aber zum Glück geht das ja meistens schnell vorüber.“
‚Gut erklärt!’, habe ich mir gedacht. Wenn Kinder mit dem Fahrrad aus dem
Gleichgewicht kommen, hat das meistens keine dramatischen Folgen.
Sie stehen wieder auf und fahren einfach weiter. Bei Erwachsenen
sieht das oft ganz anders aus. Genauso erlebe ich einen großen
Unterschied, wenn Kinder aus dem inneren Gleichgewicht kommen oder
wenn das bei Erwachsenen der Fall ist. Kinder können zum Beispiel
ganz leicht jene Erzählungen aus der Bibel in ihr Leben übersetzen,
in denen Jesus den Menschen hilft, die aus dem Gleichgewicht
geworfen wurden. Dieses Vertrauen wünsche ich uns Erwachsenen.
Samstag, 21.6.2008
Der Geschmack des Festes
„Na, schmeckt’s?“, frage ich die Runde. Unsere Kinder haben nämlich
wieder einmal ihre Freunde zum Essen mitgebracht. „Ja, es ist total
gut!“, ruft Maxi gleich. Julia sagt: „Mir schmeckt es viel besser
als zu Hause, da muss ich so oft alleine essen.“ „Ich finde es total
super, dass wir hier so viele sind und gemeinsam essen“, sagt David.
Dabei ist es, glaube ich, gar nicht so wichtig, was es zu essen
gibt, sondern dass sie es gemeinsam tun können – dass es sozusagen
nach Gemeinschaft schmeckt. Bei Tisch ist dann auch eine
Superstimmung – der ganze Schulvormittag wird nachbesprochen, alle
lustigen Situationen mindestens drei Mal erzählt und dazu werden
quasi nebenbei die Teller geleert. Ich bin überzeugt davon, dass ich
nicht immer das Lieblingsessen aller Kinder koche. Aber darum geht
es bei solchen Ereignissen nicht. In einer anderen Umgebung –
außerhalb des gewohnten Umfeldes – schmeckt es immer besser.
Mir fällt da die Erzählung von dem Festessen ein. Ein reicher Mann lädt
seine Freunde zum Essen ein. Doch sie kommen nicht – die Gründe, die
sie dafür angeben, sind eher fadenscheinig. Sie haben jedenfalls den
Geschmack an diesen gemeinsamen Treffen verloren. Der reiche Mann
will nicht, dass sein Essen verdirbt und lädt deshalb viele Fremde
zu sich ein. Sie kommen gerne, genießen die neue Umgebung und die
guten Speisen. Der Abend wird noch zu einem richtigen Fest, dessen
Geschmack allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben wird.
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