Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Claudia Pein (Graz)
Sonntag, 13. 7. 2008
Haben Sie schon die ersten Schritte in den Morgen getan? WC, Badezimmer,
Kaffeemaschine einschalten oder den Teebeutel ins kochende Wasser
hängen - Eines der ersten Elemente, mit denen wir alle am Morgen
ganz selbstverständlich in Berührung kommen, ist WASSER. Schon in
der ersten halben Stunde eines neuen Tages verbrauchen wir zig Liter
davon – Klospülung, Dusche usw. Es ist Trinkwasser, das aus unseren
Leitungen fließt. Für jede 5. Person weltweit - das sind 1,2 Mrd.
Menschen - eine Kostbarkeit, zu der sie keinen Zugang haben. Die
Folgen sind verschiedenste Krankheiten, an denen vor allem die
Kinder leiden.
Im Trockengebiet des Nordosten Brasiliens, habe ich erlebt, welchen Wert
Wasser für mich haben kann: Nach einem langen Tag Autofahrt auf
staubtrockenen Straßen bei sengender Hitze ist eine kühlende Dusche
das einzige, wonach sich ein müder Körper sehnt. Als ich endlich
spätabends unter der Dusche stehe und den Wasserhahn aufdrehe, kommt
nach ein paar Tropfen kein Wasser mehr. Mir bleibt nichts anderes
übrig, als mich ins Bett zu legen und mir fest vorzustellen, ich
hätte den Staub, der an meinem ganzen Körper klebt von mir
gewaschen. Immerhin habe ich noch warm gewordenes Trinkwasser in
einer Flasche.
Genießen Sie das wertvolle Wasser, wenn Sie jetzt in die Dusche steigen
oder ein Glas Wasser trinken.
Montag, 14. 7. 2008
Es ist Sommer, rund herum ist die Urlaubsstimmung zu spüren. Die Menschen
wollen raus aus dem Alltagstrott und was anderes erleben. Die
Reiseziele vieler Leute liegen in unterschiedlichsten Ländern der
Welt und es ist eine Freude, Urlauberinnen und Urlaubern dabei
zuzuhören, wenn sie von fernen Ländern, den freundlichen Menschen
und den fremden Kulturen erzählen. Im gesicherten Rahmen des Urlaubs
sind wir offen für die Vielfalt von Kulturen und für die
Bereicherungen, die uns das Fremde bieten kann. Nicht immer muss man
dazu weit verreisen. Spazieren Sie doch durch den Ort, an dem Sie
leben und stellen Sie sich vor, Sie wären neu hier und auf Urlaub.
In Graz, z.B. kommen Sie vorbei an türkischen Kebab-Geschäften, an
afrikanischen, spanischen, griechischen, chinesischen und
italienischen Restaurants, sie können typisch slowenisches Bier
trinken und Samba tanzen. Es macht Spaß auch bei uns mal den
Urlaubs- und Genussblick auf das Fremde und die Fremden zu werfen.
Das Ausland und „die Ausländer“ unter Anführungszeichen haben ja
auch was zu bieten – was wär das Leben ohne Kaffee und Kakao aus
Afrika und Lateinamerika, ohne die erfrischenden Orangen, die
verschiedenen Reissorten und vieles, vieles mehr.
Dienstag, 15. 7. 2008
„Wenn die Industrienationen angesichts des Klimawandels plötzlich in
Panik geraten, haben sie zu lange die Warnungen der indigenen Völker
überhört“, sagt Dom Erwin Kräutler, Bischof in Brasilien, zuständig
für die Indianerpastoral.
Für mich ist es immer wieder faszinierend zu erfahren, wie viel Wissen
und Weisheit über den Umgang mit der Natur bei traditionell lebenden
Indio-Völkern vorhanden ist. Ihr Zugang ist häufig ein völlig
anderer als in unserer technisierten Welt. Die Wapichana-Indios in
Brasilien beispielsweise beobachten seit vielen Jahren einen Vogel,
der nach ihrer Auffassung signalisiert, wie es um das Zusammenleben
von Mensch und Natur steht – je tiefer der Vogel fliegt, desto
harmonischer die Einheit von Mensch und Natur. Seit einigen Jahren
steigt dieser Vogel immer höher, er ist kaum noch zu hören und wenn
er am Himmel kreist, sieht man nur noch einen Punkt von ihm,
erzählte mir ein Wapichana. Für uns klingt diese Geschichte nach
Aberglauben. Tatsache ist, dass durch das rücksichtslose Abholzen
des Regenwaldes, das Überleben vieler Indio-Völker bedroht ist und
unser Weltklima zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät. Die Zugänge
mögen verschiedene sein, von vielen indigenen Völkern könnten wir
aber lernen, mehr Sensibilität im Umgang mit unserer Erde
aufzubringen.
Mittwoch, 16. 7. 2008
Die Dreikönigsaktion unterstützt Projekte, die das Überleben bedrohter
Indio-Völker fördern und sichern.
Vor einem Jahr habe ich die Macuxi in Nord-Brasilien besucht. Dort habe
ich einen Priester getroffen, der nun schon einige Jahre bei den
Leuten lebt. Ich habe ihn gefragt, was er denn von den Menschen hier
gelernt habe. Unter anderem erzählte er mir ein Erlebnis: Als er
angekommen war und sich erst einmal auf die einfache Lebensweise
einstellen musste, kämpfte er mit Ameisenstraßen in seiner
Unterkunft. So beschloss er, die Macuxi zu fragen, wie sie hier die
Ameisen bekämpfen. Lachend bekam er zur Antwort: Wer war denn zuerst
hier, du oder die Ameisen? Und als er ein anderes Mal ein
Wildschwein erlegen wollte, weil es die Manjok auf dem Feld
ausgegraben hatte und auffraß, fragte ihn ein Indio: „Ist denn nicht
genug Manjok da für dich und das Wildschwein?“
Das Teilen ist ein sehr wichtiges Prinzip des Zusammenlebens, es ist
nicht in erster Linie eine Frage der Moral sondern eine Frage des
Überlebens. Unter schwierigen Lebensbedingungen ist das Fortkommen
besser gesichert, wenn die Einzelnen Sorge für alle tragen als der
Einzelne sorgt für sich allein.
Donnerstag, 17. 7. 2008
Vor einigen Wochen hatte die Dreikönigsaktion eine Gruppe aus den
Philippinen zu Gast. Unseren Reichtum zu sehen, hat sie immer wieder
sehr beeindruckt. Manches an unserer Lebensweise wurde aber auch
kritisch in Frage gestellt.
Noel erzählte, er wollte einem alten Mann die Einkaufstaschen abnehmen
als er ihn sah, denn bei ihm zuhause würde niemand zulassen, dass
ein so alter Mann allein in der Stadt unterwegs sei.
„Die Leute in Österreich überlegen sich sehr genau, ob und wann sie
Kinder haben möchten, denn es scheint sehr kompliziert zu sein, die
Kinderbetreuung zu organisieren“, meinte Fidela. Bei ihr im Dorf
gäbe es viele Kinder, die sich gegenseitig erziehen und außerdem
fühlten sich alle im Dorf für die Kinder verantwortlich.
Loy stellte fest, dass die Leute in Österreich oft einen
durchorganisierten Terminkalender haben und weniger Zeit für das
zwischenmenschliche Miteinander. Sie sagte: „Familien und
Nachbarschaftsbeziehungen sind bei uns auf den Philippinen sehr
wichtig, denn wir sind auch auf sie angewiesen, wenn wir etwas
brauchen. Ihr in Österreich habt Versicherungen und Geld, wir müssen
uns viel mehr gegenseitig helfen“, war ihre Schlussfolgerung.
Und ich stelle mir wieder einmal die Frage: „Wer oder was ist eigentlich
wirklich arm?“
Freitag, 18. 7. 2008
Obwohl wir in der Zeit der Globalisierung leben, denken wir noch immer zu
sehr in unseren nationalen oder europäischen Grenzen und Interessen.
Zunehmend betreffen uns Probleme aber global, wie uns das Beispiel
der Nahrungsmittelkrise zeigt. Einer von mehreren Gründen für die
Knappheit und die Preissteigerungen von Nahrungsmittel ist die
starke Nachfrage nach Agrotreibstoffen – Bio-Diesel – auch in
Europa. Auf vielen Flächen, die bisher der Lebensmittelerzeugung
dienten, werden Ölpflanzen angebaut, aus denen Treibstoff
hergestellt wird. Die Folgen sind, dass Ackerland für
Nahrungsmittelerzeugung weniger wird, der Regenwald verstärkt
abgeholzt wird, um neue Flächen für den Anbau von Ölpflanzen zu
gewinnen.
Die gegenwärtige Krise trifft die Menschen in vielen Entwicklungsländern
unvergleichbar hart. Vor ein paar Jahren haben die Regierungen der
Industriestaaten noch von den Millenium-Entwicklungszielen
gesprochen, wonach der Hunger bis 2015 ausgerottet werden sollte.
Heute sind wir wieder weit davon entfernt. Frauen und Männer mit
globalem Verantwortungsbewusstsein sind gefragt, als Manager in den
Konzernen und als Entscheidungsträger in der Politik, aber auch als
Konsumenten beim Einkaufen, dort wo jeder und jede einzelne von uns
lebt.
Samstag, 17. 7. 2008
Vor ein paar Jahren bin ich auf dem Jakobsweg nach Santiago gepilgert.
Ich wollte mir ein Monat lang nur mich selbst gönnen – Abstand
nehmen von meinem alltäglichen Leben und auch von der Arbeit. Ich
habe nur das Allernotwendigste in einen Rucksack gepackt, dass mir
etwas fehlt, habe ich aber während der 30 Tage Wandern nie gedacht.
Meine eigenen Kräfte haben mir genügt, um voran zu kommen. Anfangs
Fremde sind mir beim Austausch von Oliven oder Brot - im einfachen
solidarisch Sein - zu Gefährten und Gefährtinnen geworden.
Und wenn mal jemand keine Jause hatte, haben wir oft die Erfahrung
gemacht, dass genug für alle da ist, und wir hatten jede Menge Spaß
beim Verteilen und Tauschen von Obst, Gemüse oder Würsteln.
Wir können nehmen, so viel wir brauchen, und geben, so viel wir können.
In so einer vertrauensvollen und offenen Haltung dem Leben gegenüber kann
eine Kultur des Friedens, des Teilens und der ehrlichen
Auseinandersetzung um Eigen- und Gemeinschaftsinteressen entstehen.
Darin liegt für mich auch ein wichtiger Teil einer Antwort auf die
komplexen Fragen nach der Verwirklichung von mehr Gerechtigkeit und
Menschenwürde in dieser Welt.
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