Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pater Jakob Mitterhöfer

 

 

Sonntag,  20. Juli 2008

Vor dem Sonntag wünschen wir einander ein angenehmes Wochenende und meinen damit Freizeit, Erholung und Spaß. Am Sonntag schlafen viele Menschen gründlich aus – ein Wochenende kann ja anstrengend sein. Für eine Sonntagsmesse bleibt dann keine Zeit. Was ursprünglich als Tag geistlichen Auftankens gedacht war, ist weitgehend in Vergessenheit geraten. So nimmt die Zahl praktizierender Christen dramatisch ab und die Kirchen werden immer leerer.

Wenn die christlichen  Gemeinden schrumpfen, heißt es noch lange nicht, dass sich dort an Sonntagen nur ein klägliches Häufchen resignierter Menschen zusammen tut, um sich gegenseitig die Wunden zu lecken.  Im Gegenteil, die meisten Gemeinden sind lebendiger und aktiver je als zuvor in den guten alten Zeiten. Wer in die Kirche geht, tut es nicht wegen der „Sonntagspflicht“, sondern weil ihm sein Glaube wichtig ist. Solche Menschen hängen nicht passiv in den Kirchenbänken und warten, bis es endlich aus ist, sie gestalten aktiv mit. Sonntagsmessen gleichen mitunter einem „Event“ und es spricht sich herum: Wer nicht dabei ist, versäumt etwas. Aktive Gemeinden und überzeugte Christen sind in der Gesellschaft wie das Salz in der Suppe.

 

 

Montag, 21. Juli 2008

Die Kirche ist oft nur noch für besondere Anlässe gefragt – Taufe, Erstkommunion, Firmung, Eheschließung und auch Begräbnis. An gewöhnlichen Sonntagen spielt sie keine besondere Rolle.

Das ist bei Christen in Übersee anders. In Neuguinea war ein Fernsehteam perplex: Scharenweise strömten am Sonntag die Menschen aus allen Richtungen - oft von weit her - zur Buschkirche. Und welch ein Fest! Es begann schon in der Kirche mit Gesang, Trommeln und Tanz – unendlich lang. Nachher ging es munter weiter, es wurde gekocht, wieder getrommelt, getanzt, bis in den Abend. Die Fernsehleute staunten noch mehr, als sie erfuhren, dass nur etwa die Hälfte der Leute Christen waren.

In Afrika habe ich es selbst erlebt. Am Sonntag ist das ganze Dorf unterwegs zur Kirche, auch wenn kein Priester da ist. Die Christen sind an ihren Taufkleidern zu erkennen – die Frauen in Weiß, die Männer mit schwarzer Hose und weißem Hemd. Die anderen – die Nichtchristen - kommen auch – in ihrer traditionellen Tracht.

Hat der Bub in Indien Recht? „Ihr in Europa seid reich, wir in Indien haben einen Glauben“. Ich wünsche mir, dass er nicht Recht hat. Schließlich lebt der Glaube auch bei uns, bei vielen Menschen, ohne Druck von außen -  aus innerer Überzeugung.

 

 

Dienstag, 22. Juli 2008

Kennen Sie den „Da Vinci Code“? Eine spannende, auch frivole Geschichte. Die Heilige des heutigen Tages, Maria Magdalena, ist die Geliebte Jesu und sie haben ein Kind. Doch die machtsüchtige Kirche hat die „wahre“ Geschichte verfälscht und die wirkliche „Familie Jesu“ in den Untergrund gedrängt.

Noch mutiger und kühner als diese reißerische Geschichte ist das Evangelium. Beim wichtigsten Ereignis, der Auferstehung Jesu, spielt Magdalena die entscheidende Rolle. Da dieses Ereignis nicht nachprüfbar ist, wissen wir von ihm nur durch Zeugen. In der Bibel ist Magdalena die erste und entscheidende Zeugin. Noch mehr: Jesus sendet sie zu seinem engsten Kreis, den Aposteln, um sie zu bekehren und zum Glauben zu führen! Durch den Glauben einer Frau entsteht die Urkirche.

Die Bibel legt in einer Welt, in welcher nur Männer das Sagen haben, die Zukunft der Kirche in die Hand einer Frau. Heute nach 2000 Jahren müssen Frauen in unserer Gesellschaft noch immer ihre Rechte einfordern und in der Kirche streiten wir um die Rolle der Frau.

 

 

Mittwoch,  23. Juli 2008

Jeder soll nach seiner Facon selig werden. Das klingt nach Relativismus, welchen unser Papst Benedikt heftig anprangert. Doch was sagen wir dazu: „Liebe und dann tu, was du willst“? Dieser Ausspruch riecht verdächtig nach Relativismus. Er kommt aus dem Mund eines der ganz großen Männer der Kirche, dem vom Papst überaus geschätzten hl. Augustinus.

Ein Experiment in einer holländischen Stadt zeigt, was dieses Motto bewirken kann. An einer der gefährlichsten Kreuzungen – mit tödlichen Unfällen – drosselte man den Verkehr auf Schritttempo, entfernte die Verkehrsampeln und überließ es den Autofahrern, die Vorfahrt kameradschaftlich zu regeln. Es funktionierte so gut, dass es an dieser Kreuzung keine Unfälle mehr gab.

Und wie hat Augustinus seine Aussage verstanden? Etwa so: Wir brauchen keine Gesetze und Gebote, wenn wir die Liebe zur Norm unseres Handelns machen.

Wenn dem so ist, rase ich nicht durch Ortschaften, belästige die Menschen nicht mit Lärm und gefährde sie nicht, ich zahle meine Steuern, entsorge die Hundstrümmerln, finde ein gutes Wort….

„Seht, wie sie einander lieben“, war das Markenzeichen der Urchristen. Für eine solche Welt trat Jesus ein und starb sogar dafür, er nannte sie „Reich Gottes“.

 

 

Donnerstag,  24. Juli 2008

Wenn der Christophorus über uns kreist, stört uns sein Lärm nicht, denn wir wissen, der Hubschrauber fliegt, um Menschenleben zu retten.

Über den wirklichen „Christophorus“, heute in unserem Kalender, wissen wir fast gar nichts, umso üppiger florieren die Legenden um seine Gestalt. Am bekanntesten ist jene, in welcher dieser Riese ein Kind über den Fluss trägt – das Christuskind, daher der Name „Christusträger“. Er ist einer der volkstümlichsten Heiligen in der ganzen Welt und einer der 14 Nothelfer. Heute übt er dieses Amt aus durch Hubschrauber und als Patron der Autofahrer. Und durch die Christophorus-Aktion der MIVA, einer kirchlichen Hilfsorganisation. Sie bittet die Verkehrsteilnehmer für den Schutz des Christophorus um 1 Cent für jeden unfallfreien km. 1 Cent ist gar nicht viel, doch können damit Menschenleben gerettet werden. Mit den hoffentlich gewissenhaft eingezahlten Cents stattet die MIVA Missionare mit Verkehrsmitteln aus: Fahrräder, Motorräder, Autos, Jeeps, Schiffe, kleine Flugzeuge, Esel, Maultiere, sogar Kamele.

Der Nothelfer Christophorus macht die einheimischen Kirchen beweglicher und ermöglicht ihnen, rasch und effizient den Menschen in Not zu helfen. Es lohnt sich, dankbar zu sein, dass wir jeden Tag wieder heil und gesund nach Hause kommen.

 

  

Freitag, 25. Juli 2008

Vor einigen Jahren bin ich den spanischen Camino zu meinem Namenspatron, dem hl. Jakob, nach Santiago gepilgert. Ein oder zwei Tage war ich ein Wanderer, dann war ich wie von selbst ein Pilger.

Ich hätte mir den Vorsatz sparen können, diese 30 Tage als Exerzitien zu gehen, die ich schon im Noviziat gemacht habe, denn der Weg selbst ist eine spirituelle Erfahrung. Menschen unterwegs versicherten mir, sie seien keine Pilger und auch nicht religiös, sie seien einfach aus Spaß am Gehen unterwegs. Doch zu meinem Erstaunen schwärmten sie über die tiefe innere Erfahrung, die ihnen der Weg und das Schweigen bereiten.

Das Geheimnis liegt im Weg selbst. Unzählige Menschen sind ihn im Laufe vieler Jahrhunderte gegangen und haben ihn verändert - geheiligt. „Der Weg ist das Ziel“ heißt es. Und es ist so.

Dabei wissen wir vom Apostel selbst nur wenig und wie er nach Spanien kam, ist eine Legende. Dennoch, der Apostel ist auf dem Camino zugegen und er wirkt, sonst würden sich nicht so viele Menschen auf diesem Weg bekehren und ihr Leben verändert. Und das ist keine Legende.

 

 

Samstag, 26. Juli 2008

Der Jakobsweg ist, wie ich gestern gesagt habe, ein Lehrpfad. Die Menschen lernen auf diesem Weg das Schweigen. Diesen Weg können auch Sie betreten, ohne wochenlang durch Spanien zu pilgern – bei Ihnen zu Hause im Alltag.

Zum Einstieg empfehle ich „Exerzitien im Alltag“. Dazu braucht man nur an einem Abend in der Woche zur Pfarre zu kommen, um sich in die Übung des Schweigens einführen zu lassen.

„Alltag“ bedeutet dann, jeden Tag zu Hause das Schweigen zu üben. Das ist gar nicht leicht und manche schrecken davor zurück, täglich 30 Minuten lang sich selbst auszuliefern. Keine CD im Hintergrund, ohne Buch, ohne in der Bibel zu lesen, auch ohne Gebete zu sprechen. Wer so schweigend dasitzt, merkt erst, was in ihm los ist. Der Rat, Gedanken und Gefühle ruhig zur Seite zu schieben, klingt einfach, bedarf aber einer hartnäckigen Übung.

Eine Zeitkrankheit heißt „burn out“ – ausgebrannt sein. So weit muss es nicht kommen, wenn wir uns rechtzeitig darum kümmern. Ist dieses Schweigen Gebet? Ja, denn Gott ist nicht irgendwo außerhalb, sondern bei uns – im Schweigen ist er da.