Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Andrea Schwarz, Religionslehrerin und Pastoralassistentin in St.
Peter am Ottersbach und Bierbaum
Sonntag, 05.10.2008
In der Pfarre, wo ich als Pastoralassistentin arbeite, wird heute
Erntedank gefeiert.
Die Kirche wurde festlich mit Sonnenblumen, vielen Früchten und
Gemüsesorten geschmückt. Die Erntegaben in unseren Kirchen mögen den
Eindruck erwecken, es handle sich um ein spezielles Dankfest der
bäuerlichen Bevölkerung. Es geht aber beim Erntedankfest um die
Einübung einer Haltung der Dankbarkeit. Dankbar sein kann ich für
sehr vieles in meinem Leben. Für meine Familie, meine Freundinnen
und Freunde, für meine Arbeit, für meine Interessen, die mein Leben
reicher machen, für die vielen Erlebnisse und schönen Erfahrungen,
die ich bereits gemacht habe.
Pierre Stutz, ein Schweizer Theologe, meint dazu: „Dankbarkeit ist ein
großer spiritueller Wert, mit dem wir wahrnehmen, dass alles Ernten
wesentlich ein Geschenk ist. Unsere Zufriedenheit kann wachsen, wenn
wir nicht nur im Herbst, sondern Tag für Tag danken für das Geschenk
des Lebens. So wächst eine Kraft in uns, die uns auch in Zeiten der
Gebrechlichkeit und Krankheit nicht genommen werden kann.“
Montag, 06.10.2008
Im letzten Sommer war ich mit Freundinnen zu Fuß auf dem Hemmaweg in
Kärnten unterwegs. Ein Freund hat uns Wallfahrerinnen zuhause bei
sich beherbergt und wir haben dabei eine wunderschöne
Gastfreundschaft erlebt. Der Freund hat für uns fein aufgekocht, am
Abend eine Stadtführung gemacht, uns in seinem Haus übernachten
lassen und uns am nächsten Tag mit seinem Auto zu einem besseren
Fußweg nach Gurk gebracht. Wir fragen uns vielleicht leise, was wir
geleistet haben, dass jemand weder Kosten noch Mühen scheut, um uns
einen schönen Aufenthalt zu bereiten.
Gastfreundschaft ist etwas Wunderbares. Nicht nur auf einer Reise oder
einem Pilgerweg. Es ist einfach schön, wenn man um Menschen weiß,
bei denen man unkompliziert an die Tür klopfen kann, die uns
willkommen heißen und einladen mit ihnen Nahrung und Leben zu
teilen.
Romano Guardini, ein Theologe und Philosoph, meint zur Gastfreundschaft:
„Das ist der Gastfreundschaft tiefster Sinn, dass einer dem Anderen
Rast gebe, auf dem Weg nach dem ewigen Zuhause.“
Dienstag, 07.10.2008
Eine Bibelstelle, die mir in letzter Zeit immer wieder einmal begegnet
ist, findet sich im Johannesevangelium. Sie handelt von der
Aufweckung des toten Lazarus, einem Freund von Jesus. Dabei berührt
mich etwas ganz besonders: Jesus weint, als er von Marta, der
Schwester von Lazarus erfährt, dass dieser tot sei. Er weint und ist
im Innersten erregt und erschüttert, steht in der Bibel. Da höre ich
von einem Jesus, der ganz normal ist, nicht über den Dingen steht,
sich offensichtlich vom Leid berühren lässt und seinen Schmerz
zeigt. Und er unternimmt etwas dagegen, er bittet Leute, ihm zu
helfen, den schweren Stein vom Grab wegzurollen, damit er Lazarus
zum Leben befreien kann.
Der Text, die Handlungsweise Jesu macht mir deutlich, wie auch ich
tagtäglich mit Menschen leben und umgehen möchte. Gott lässt sich
von unserem Leid, unserer Trauer berühren, er ist nicht fern oder
gar abwesend. Er möchte uns aber auch zum Leben verhelfen, er möchte
uns die Fesseln, die uns daran hindern abnehmen und wir dürfen
mithelfen und einander helfen.
Mittwoch, 08.10.2008
Im Sommer war ich mit 600 steirischen Ministrantinnen und Ministranten
auf einer Wallfahrt in Rom. Neben den zahlreichen Bauwerken, die wir
gesehen haben, sind mir besondere Menschen in Erinnerung geblieben,
einfach weil ich den Eindruck hatte, dass sie ihre Arbeit gern
machen. Da war unser junger Buschauffeur, der sichtlich gern mit
unseren Kindern unterwegs war. Da war auch der Führer in den
Katakomben, dessen Begeisterung in seinen Ausführungen über die
frühkirchlichen Begräbnisstätten unsere Kinder angesteckt hat. Und
da war der Kellner, der angesichts der hungrigen, ungeduldigen und
lauten Kinder immer noch freundlich geblieben ist und sie mit einem
Lächeln bedient hat.
Es ist ein großes und vor allem nicht selbstverständliches Glück, wenn
wir eine Arbeit ausüben, die uns Freude bereitet, die uns Sinn
erleben lässt und in der es möglich ist, unserem menschlichen Wesen
Ausdruck zu verleihen.
Und es ist wichtig, es Menschen auch zu sagen, dass sie ihre Arbeit gut
machen, weil dabei sichtbar wird, dass sie an Gottes Schöpfung
mitarbeiten.
Donnerstag, 09.10.2008
Im neuen Schulgebäude der Caritas in Graz, in dem ich unterrichte, wurden
am Anfang des Schuljahres Kreuze aus El Salvador gesegnet. Auf den
bunt gestalteten Kreuzen sind unterschiedliche Menschen und Dinge
dargestellt. Eine weiße Taube, Frauen in bunten Gewändern mit Körben
auf den Köpfen voll mit Früchten, typische Häuser des Landes. Die
Künstler haben Hoffnungen der Menschen dargestellt. Hoffnung auf
Friede, auf genügend Nahrung, auf ein Dach über dem Kopf. Das Kreuz
ist das zentrale Symbol der Christen.
Ich habe mir selbst auch überlegt, welche Hoffnungen ich auf mein
persönliches Kreuz malen würde. Ich würde viele grüne und blaue
Farben verwenden. Grün für die Natur und Blau für das Wasser. Beide
haben für mich mit Lebenserfüllung zu tun. Ich würde viele Menschen
darstellen, junge, alte, behinderte, kranke und Menschen mit
unterschiedlichen Hautfarben. In der Hoffnung auf Solidarität und
Mitgefühl in der kleinen und großen Welt.
Der Blick auf das Kreuz heißt für mich auch: „Fürchte dich nicht. Hab
Mut. Ich bin bei dir. Auch für dich wird alles gut!“
Freitag, 10.10.2008
An einer guten Freundin, einem guten Freund schätze ich ganz besonders,
wenn er oder sie mir gut zuhören kann.
Folgende Gedanken, die als Anleitung für die Ausbildung von Polizisten in
San Francisco verwendet werden, gefallen mir sehr gut.
Wenn ich dich darum bitte, mir zuzuhören,
und du dich aber bemühst, mir Ratschläge zu erteilen,
dann hast Du weder verstanden, worum ich dich gebeten habe, noch was ich
brauche.
Wenn ich dich darum bitte, mir zuzuhören,
und du dich aber bemühst, mir zu erklären, ich dürfte nicht so fühlen,
dann trittst du auf meinen Gefühlen herum.
Wenn ich dich darum bitte, mir zuzuhören,
und du dich aber bemühst, meine Probleme zu lösen,
dann hast du nicht verstanden und bist weit weg von mir.
Bitte, höre mir doch zu.
Alles, worum ich dich bitte, ist,
erzähle mir jetzt nichts und tue jetzt auch nichts,
höre mir einfach nur zu!
Wenn du etwas für mich tust, was ich selber tun kann,
und auch tun muss, dann trägst du dazu bei,
dass ich ängstlich und schwach erscheine.
Vielleicht hilft deshalb manchen Menschen das Gebet,
weil Gott schweigt und keine Ratschläge gibt.
Weil er geduldig darauf warten kann, dass wir selbst Antworten finden.
Samstag, 11.10.2008
Für alle, die gerne in der Natur sind, liefert der Herbst eine wahre
Augenpracht.
Mir gefallen die grün-gelb gesprenkelten Kürbisse. Oder die Äpfel in
ihren verschiedenen Rot-, Gelb- und Grün-Tönen, die reif an den
Bäumen hängen. Oder die blauen und weißen Trauben, die jetzt
wunderbar schmecken - und später erst, wenn sie zu Wein reifen. Oder
die braunen Kastanien, die aus der hellgrünen stacheligen Schale
hervorbrechen. Gar nicht zu reden, wenn sich die Blätter der Bäume
noch kräftiger verfärben.
Und ich denke an die Kindergeschichte von der Maus Frederick, die im
Sommer nicht wie alle anderen Mäuse fleißig mit dem Anhäufen von
Körnern beschäftigt ist, sondern Sonnenstrahlen, Farben und Wörter
für die grauen, dunklen Wintertage sammelt. Lebensmittel sind nicht
nur nahrhaftes Essen, sondern auch Erfahrungen und Erlebnisse, die
uns auch im Nachhinein noch wärmen.
Jetzt ist noch eine wunderbare Zeit, Farben des Herbstes für den Winter
in uns aufzunehmen, bei einem Spaziergang, beim Blick aus dem
Autofenster, bei einem guten Gläschen und einer Jause in einem
Buschenschank. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Buchtipps:
Pierre Stutz „Zeit des Wachsens, Zeit des Reifens. Leben im Rhythmus der
Jahreszeiten“, Verlag Herder
Leo Lionni „Frederick und seine Mäusefreunde“, Verlag Beltz und Gelberg
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