Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Pfr. Jürgen
Öllinger, Evang. Kirche, Villach
Sonntag, 26.10.2008
Gott ohne Bart
Frage ich junge Menschen nach dem
Aussehen Gottes, kommt noch immer der alte Mann mit dem Bart. Er hat
sich in unserer Fantasie festgesetzt. Nichts gegen alte Männer und
nichts gegen Bärte, aber mit Gott haben beide nicht das Geringste zu
tun. Gerne erzähle ich dann folgende Geschichte.
Gott wollte der Erde einen Besuch
abstatten und schickte einen Engel voraus. „Wie sieht es auf der
Erde aus?“, fragte er. „Viele haben nicht genug zu essen und sehr
viele sind arbeitslos“. „Gut“, sagte Gott, „dann werde ich in Form
von Nahrung und Arbeit erscheinen“.
Das ist Gott ohne Bart. Wir haben
ihn mit unseren Geschichten in den Himmel verbannt und vergessen,
wie viel wir selbst tun können, um etwas Göttliches sichtbar zu
machen. Es gibt unglaublich viele Vorstellungen von Gott. Berührend
bleibt für mich die Weisheit, dass wir seine Kinder sind. Und was
wollen Kinder? Auch hier geben meine Jugendlichen immer die gleiche
Antwort: spielen. Wir sollen also nicht vergessen, dass wir
spielerisch an die Welt herangehen dürfen. Viel zu ernst ist der
Umgang mit Gott geworden. Wenn wir uns als seine Kinder erleben,
dürfen wir Fehler machen, um Verzeihung bitten, uns darüber freuen,
dass er uns alles gibt.
Wie man in dieser Welt mit
Leichtigkeit und Freude spielen kann, hat er uns durch seinen Sohn
gezeigt. Und den Menschen, die wie alte Männer mit Bart durchs Leben
laufen, können wir ein fröhliches Lächeln zuwerfen. Wer weiß, was
dann passiert…
Montag, 27.10.2008
Zusammenhänge
So ein neuer Tag liegt wie ein
weißes Blatt Papier vor uns. Niemand kann vorhersehen, mit welchen
Farben und Formen es beschrieben wird.
In vielen Religionen spielt deshalb
das Schicksal, das Fatum oder Kismet eine große Rolle. Dieses wird
dann als schwer und ernst wahrgenommen. Dabei könnte man auch
menschliche Maßstäbe anlegen. Gott oder die Götter dürften dann auch
einen gewissen Humor haben. Denn würden wir die Möglichkeit haben,
Dinge des Lebens zu beeinflussen, würde es oft lustige Ereignisse
geben, wo wir als Zuseher unseren Spaß hätten.
Oder ist es ihnen noch nie in den
Sinn gekommen, dass es eine Art Humor gewesen sein muss, genau an
diesem Tag, in dieser Stimmung jenen Menschen zu treffen, der
weiterhilft oder sich in den Weg stellt und vieles im Leben verläuft
plötzlich ganz anders?
Ich denke, dass die Dinge unseres
Lebens viel mehr zusammenhängen, als wir es ahnen. Ob dieser Gedanke
am heutigen Tag helfen wird, werden wir sehen. Aber dass wir auf dem
direkten Weg zu unseren wichtigen Zielen, auf kleine Hinweise und
Zufälle am Wegesrand achten, ist vielleicht hilfreich.
Eines wird seit Jahrhunderten
erzählt: Unser Gott ist einer, der einen liebevollen und
wohlwollenden Humor hat, viele Dinge mit einem gehörigen Abstand
sieht und dann lächelt. Auch über unsere Ernsthaftigkeit, unser
verplantes, durchorganisiertes Leben. Mit dieser Botschaft kann der
neue Tag wieder bunt werden.
Dienstag, 28.10.2008
Fürchten
Auf die Frage, warum er denn so
lange keine Freundin hätte, sagte der junge Mann: „Ich bin furchtbar
enttäuscht worden, da bin ich jetzt lieber vorsichtig“. Sagte der
weise Mann zu ihm: „Du bist wie eine Katze, die sich beim Sitzen auf
dem Ofen den Schwanz verbrannt hat, jetzt nicht mehr sitzen will und
nur mehr unruhig herumläuft“.
Ein Vergleich, der darauf hinweist,
dass die Liebe eigene Wege geht. Sie zeigt den Menschen, dass es
keine Garantie gibt, geliebt zu werden. Niemand hat ein Recht auf
Liebe und dennoch sehnen sich Menschen danach.
Eine Möglichkeit, die den Menschen
weiterhelfen kann, ist die Weisheit, dass Furcht nicht in der Liebe
ist. Die Kleinsten zeigen das den so genannten Erwachsenen, sie
lieben bedingungslos und lassen unendlich viele Fehler zu. Von denen
können wir uns was abschauen, wenn wir uns durch unser Lieben wieder
einmal die Finger verbrannt oder anderen Menschen weh getan haben,
weil wir mit der Liebe nicht so umgehen, dass sie allen Beteiligten
gut tut. Aber wenn wir vor lauter Angst der Liebe nicht mehr trauen,
werden wir mindestens so viele Fehler machen, wie ohne Liebe.
Menschen sehen uns das an, ob wir
liebesfähig geblieben sind oder keinem mehr über den Weg trauen. Die
Katze wird es irgendwann wieder lernen, dass sie sich setzen kann
und zur Ruhe kommen. Erfahrungen zeigen Menschen, dass Liebe noch
immer die stärkste Kraft in dieser Welt ist, die Ruhe und
Geborgenheit bringt.
Mittwoch, 29.10.2008
Perspektiven
Oft genug hat man tolle Ideen, wie
sich Menschen in unserer Umgebung ändern sollten. Nicht selten
passiert es, dass man diese Ideen anderen auch ans Herz legt. Wäre
der oder die nicht so überheblich, launisch, rechthaberisch, zornig
– man könnte gut mit ihm oder ihr auskommen. Leider glaube ich nicht
daran, dass Menschen sich ändern. Sie kommen mit ihrem Schicksal,
Begabungen, Geschichten auf die Welt, und die gehen dann nicht weg.
Bei Klassentreffen kann man das
beobachten. Jeder spielt seine uralte Rolle: Klassenclown,
Distanzierter, Intriganter usw. Nichts scheint sich verändert zu
haben.
Was ich schon glaube, ist, dass man
den Blickwinkel ändern kann. In eine andere Situation oder
Lebenswelt hineinfühlen. Die Perspektive kann jeder ändern. Anstatt
über das Wetter zu schimpfen, die Freude darüber entdecken, dass man
gesund ist. Und dann kann es passieren, dass man anders durch die
Welt läuft. Man ist noch immer der misstrauische, zornige Mensch,
der sich selbst am meisten quält. Aber die veränderte Perspektive
hat es ermöglicht, dass man wieder mehr vom Leben erkennt. Ein
Beispiel für einen Perspektivenwechsel: Zunächst stehe ich vor einer
Schaufensterscheibe, betrachte mich, dann gehe ich ins Geschäft
hinein und beobachte die Menschen, die vorbeigehen, wie sie sich
selbst betrachten. Es ist ein lustiger Perspektivenwechsel.
Donnerstag, 30.10.2008
Perlen
Jesus von Nazareth hat manchmal
extreme Aussagen übers Leben getroffen. Als sich seine Jünger
darüber beschweren, dass die Menschen ihren Geschichten nicht
zuhören, sagt er ganz einfach: „Das hat keinen Sinn, das ist wie
wenn man Perlen vor die Säue wirft“. Wir alle haben Perlen im Leben,
Schätze, die wir gut behüten. Sind es Weisheiten, die uns und
anderen weiterhelfen, soll man darauf gut aufpassen, sind es
irdische Güter, kann man etwas sorgloser damit umgehen.
Ein weiser Mann erhielt von seinem
Schüler zwei wertvolle Perlen und legte sie vor ihn hin. Als dieser
die Augen öffnete und eine Perle in die Hand nahm, war er auf die
Bewunderung durch den Mann gespannt. Doch jener hielt die Perle so
nachlässig, dass sie aus der Hand fiel und den Hang hinunterrollte
und in den Fluss fiel. Der entsetzte Schüler tauchte sofort danach,
fand sie nicht und fragte den weisen Mann: „Ihr habt gesehen, wo die
Perle genau hingefallen ist, zeigt mir bitte die Stelle“. Der Mann
nahm die zweite Perle, warf sie in den Fluss und sagte: „Genau
dort“.
Wertvolles im Leben kann man in den
Begegnungen und Beziehungen der Menschen in Händen halten, nicht
aber die irdischen Güter, die sind uninteressant und halten auch
nicht lange an in ihrer Kraft und Bedeutung. Ein gutes Gespräch, ein
wenig mehr Zeit, ein wohltuendes Wort, das sind dann Perlen, die
nicht mehr verloren gehen können und gerne an Menschen
weitergeschenkt werden sollten.
Freitag, 31.10.2008
Würdigen
Ein Mann wollte im Ausland Golf
spielen, leider wurde ihm als Caddie ein zehnjähriger Bursche
zugeteilt, der vom Spiel keine Ahnung hatte und nur drei Worte in
seiner Sprache konnte. Dank dieser drei Worte behielt er ihn aber
die ganze Woche über, wenn er Golf spielen wollte. Nach jedem
Schlag, wie auch immer der ausgegangen war, stampfte der Junge mit
dem Fuß auf und rief voller Begeisterung: „Verdammt guter Schlag!“
Wie so oft geht es im Leben auch
hier um die Würdigung. In jedem Beruf werden Menschen nach einiger
Zeit nervös und bald zornig, wenn sie von Mitarbeitern oder Chefs
entwürdigt werden. Einfache Sätze sind da wie ein Balsam auf Wunden,
die im Berufsleben geschlagen werden.
Und in den Familien ist es nicht
anders. Die Arbeit oder Bemühung jedes einzelnen in der Familie ist
zu würdigen. Ja selbst die Verstorbenen sind zu würdigen, weil wir
ihnen zumindest das Leben verdanken. Wird das verabsäumt oder
lächerlich gemacht, kommt es an den witzigsten Stellen heraus. Da
wird um Kleinigkeiten gestritten und gekündigt und geklagt, weil die
Würdigung fehlt. Es kommt so schief raus wie ein schlecht
geschlagener Golfball, der dann irgendwo im tiefen Gras, im Teich
oder im Sand liegt. Der ist dann schwer zu spielen. Dabei geht es
ganz leicht, Menschen zu würdigen und zu loben. Fängt man erst damit
an, kann man nicht mehr aufhören. Das ist dann fast wie beim
Golfspielen.
Samstag, 01.11.2008
Sterben
Der Tod ist groß, wir sind die
Seinen lachenden Mundes. Wenn wir uns mitten im Leben meinen, wagt
er zu weinen, mitten in uns. Reiner Maria Rilke hat diese Worte
gefunden, um über den Tod zu sprechen.
Obwohl jedes Kind weiß, dass jeder
Mensch einmal sterben muss, haben wir den Tod aus unserer
Gesellschaft verdrängt. Das wäre nicht so tragisch, wenn daraus
nicht so schwerwiegende Konsequenzen entstehen würden.
Menschen werden dann beerdigt und
verabschiedet und die Familie ist überfordert, dieses würdig zu
gestalten. Schnell wird irgendein Spruch gefunden, irgendeine Musik
ausgewählt und viele Dinge bleiben beim Begräbnis ungesagt, der Dank
kommt zu kurz. Das hat damit zu tun, dass in einer Familie über den
Tod nicht geredet wurde.
Dabei haben Kinder einen spontanen
Zugang zum Tod. Sie wissen, dass jedem Ende auch ein schöner Anfang
innewohnt. Sie erkennen, dass sie in die großen Ordnungen der
Schöpfung eingebunden sind. Und sie haben in kurzer Zeit erlernt,
dass der Tod nicht das Schlimmste ist. Das Leben auf der Welt ist
manchmal die schlimmste Hölle. Und in der christlichen Kirche ist
das der Kern der frohen Botschaft: Der Tod ist nicht das Schlimmste,
selbst er kann überwunden werden. Das können wir sagen lachenden
Mundes, so dürfen wir trauern ohne zu verdrängen und können Menschen
würdiger verabschieden.
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