Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Rudolf Luftensteiner (Wien)

 

 

Sonntag, 4. Jänner 09

Während der Feiertage habe ich die Zeit genutzt, um Zeitungen in Muße zu lesen und mit viel Kopfschütteln nahm ich die verschiedenen Strömungen wahr, die verbieten möchten, dass man „Frohe Weihnachten!“ oder Ähnliches wünscht, weil das angeblich die political correctness verletze. Welches Bild vom Menschen und von Religion allgemein verbergen sich wohl hinter diesen Initiativen? Jemand könnte sich dadurch verletzt fühlen, dass ich einen Wunsch ausspreche, der auch meinen Glauben zum Ausdruck bringt? Ist das Erkennen dessen, dass ich Christ bin schon eine Beleidigung für Andere? Muss ich mich tatsächlich auf die völlige Beliebigkeit und Farblosigkeit von angeblich „korrekten“ Menschen zurückziehen? Nur: Wer bestimmt eigentlich deren Vorstellungen von politischer Korrektheit? Wer darf deren Menschenbild in Frage stellen? Führt das dann dazu, dass wir zwar den Nikolaus im Kindergarten verbieten, aber Halloween feiern, weil es gerade politisch „korrekt“ ist? Mir erscheint eine derartige Entwicklung mehr als bedenklich. Eine gute Begegnung mit gläubigen Menschen anderer Religionen ist immer bereichernd und positiv. Als Christ wehre ich mich daher gegen eine Form von sogenannter „political correctness“ die sich zwar den äußeren Schein aufgeklärter Liberalität gibt, jedoch im Grunde Würde und Freiheit als höchste Güter eines jeden in einer Demokratie lebenden Menschen, mit Füßen tritt. In diesem Sinne nehme ich mir auch jetzt die Freiheit, Ihnen ein gesegnetes Neues Jahr zu wünschen!

 

 

Montag, 5. Jänner 09

Viele gute Vorsätze wurden wieder gefasst für das Neue Jahr. Mich wundert immer wieder, dass Menschen meinen, einfach weil ein Neues Jahr beginnt ändere sich das Leben total. Vielfach habe ich den Eindruck, dass wir einfach andere Menschen sein wollen und unsere Vergangenheit abstellen wie ein paar alte Schier, die man nicht mehr braucht. Alte Schier kann ich wegstellen und leicht gegen neue tauschen, sie werden mir nicht fehlen. Aber mein Leben lässt sich nicht wegstellen und durch ein anderes ersetzen. Wäre es nicht gut, mit uns selber versöhnlicher umzugehen, uns selber besser kennen zu lernen? Hier liegt für mich die größte Veränderungskraft: Dass wir selber uns mehr lieben lernen. Nicht die Wunschvorstellung, die wir von uns haben, sondern uns lieben lernen, so wie wir sind, - eben stark und schwach, liebenswert und ekelhaft. Wenn es gelingt weniger Theater zu spielen vor uns selber und vor unserer Umwelt, werden wir im Neuen Jahr sicher manche unserer Vorsätze umsetzen können. Wir sind Menschen und meist weder so toll, noch so ungeliebt wie wir uns das ausmalen. Mit Weihnachten feierten wir gerade jenes Fest, bei dem uns zugesagt wird, dass es gut ist, dass wir sind; dass es gut ist, dass es Sie und dass es mich gibt.

 

 

Dienstag, 6. Jänner 09

Am heutigen Tag feiern die Christen die Erscheinung des Herrn. Durch die Weisen erfahren wir, wer hier in der Krippe liegt - ein Kind und Gott zugleich. Fremde sagen uns das. Für mich ist der heutige Festtag deshalb nicht einfach nur das Fest der Erscheinung des Herrn, sondern auch das Fest der Gemeinschaft. Wir brauchen einander um zu erfahren, wer wir wirklich sind. Wir Menschen sind aufeinander angewiesen. Insofern ist es gut, dass Weihnachten ein Fest der Familien und Freunde ist, denn nur in der gegenseitigen Wahrnehmung wird das Wesentliche zum Vorschein gebracht. All diejenigen unter uns, die meinen, dass sie alleine am besten durch diese Welt kommen, werden durch das heutige Evangelium klar korrigiert. Es sind die Anderen, die mich selber finden und mich selber erkennen lassen. Eigentlich ist es ja eine Alltagserfahrung von uns allen. Alleine kann ich sehr freundlich sein, alleine ist die Welt so was von einfach, wenn da nicht die Anderen wären. Nur: alleine werde ich niemals zu meiner Würde heranwachsen, zu meinem Wesen. Von Herzen wünsche ich Ihnen daher, dass Sie Menschen haben, die Ihnen dabei helfen zu erkennen, welch wunderbarer Mensch Sie sind.

 

 

Mittwoch, 7. Jänner 09

Für die meisten von uns geht heute wieder der Arbeitsalltag los. Nach Zeiten des Feierns und des Urlaubes geht es wieder hinein in den Arbeitsalltag. Was bleibt eigentlich von Weihnachten? Ein Kater, weil zuviel gegessen oder getrunken wurde? Ein seelischer Kater, weil sich Familientreffen und Freundestreffen nicht so gestaltet haben wie erwartet und ersehnt? – Aber könnte bei allem Nachgeschmack von Weihnachten - sei es ein herrlich schöner oder ein bitterer – nicht doch Weihnachten positive Spuren in unserem Alltag hinterlassen? Was war da die Zusage? Gott wurde Mensch, um uns zu trösten und um uns liebes- und lebensfähiger zu machen. Seine Botschaft ist die, dass das Wesentliche die Liebe ist. Auch wenn in Ihrer Arbeit scheinbar nur die Leistung zählt, werden Sie erfahren können, dass es hinter der Leistung noch etwas Wichtigeres gibt, - nämlich die Liebe mit der Sie an Ihre Arbeit gehen; die Liebe mit der Sie Ihren Arbeitskollegen und Kunden begegnen. Wenn die Liebe im Hintergrund der rote Faden ihres Alltages wird, werden Sie erleben, dass die Leistungsfrage nicht mehr so knechtend und belastend ist. Wäre es nicht toll, wenn wir alle dies von Weihnachten mitnehmen könnten?

 

 

Donnerstag, 8. Jänner 09

Ich betrachte es als ein unbeschreibliches Glück den Beruf ausüben zu können, den ich habe. Wenn in diesen Tagen um den Jahreswechsel die zahllosen Unglücksgesänge angestimmt werden, macht mich dies zwar betroffen, aber gleichzeitig hilft mir der Gedanke an unsere Schulen nicht in Trübsal zu verfallen. Mit dem Angebot der Katholischen Schulen ist uns die Möglichkeit eröffnet, Kindern und Jugendlichen in deren Erziehung zur Seite zu stehen und somit der Zukunft - auch unserer Zukunft - eine Chance zu geben. Denn die jungen Menschen von heute werden morgen die Welt gestalten. Getragen von der Hoffnung, dass es in den Katholischen Schulen gelingt, den Kindern ein Verständnis von Welt mitzugeben, das auf dem christlichen Menschenbild aufbaut und von daher immer wieder neu um den Menschen und seine Würde ringt. Katholische Schule ist kein Zufluchtsort für bestimmte Gesellschaftsklassen, sondern ein Ort der Erziehung, an dem der Mensch in seiner, ihm von Gott gegebenen, Würde im Zentrum steht. Es ist eine Schule, die eine bestimmte Vorstellung hat vom Menschen und der Welt. An diesem Erziehungsprozess mitwirken zu dürfen, ist für mich eine unbeschreibliche Freude.

 

 

Freitag, 9. Jänner 09

In meinem letzten Urlaub war ich in einem Wellness-Hotel - mitten in den Bergen, mit guter reiner Luft und Umwelt. Dennoch ist die Hotelleitung dort der Meinung, dass überall Duftspender zu stehen haben, damit gute Luft herrsche im Haus. Mir kommt vor, dass wir unser Leben immer mehr in dieser verrückten Art und Weise gestalten. Alles wird künstlich und sozusagen aus zweiter Hand. Ist z.B. die Begegnung zwischen zwei Menschen bei einem Gespräch wirklich zu verbessern durch SMS und E-Mail? Auf der einen Seite sehnen wir alle uns nach Nähe und Geborgenheit und verwenden andererseits Unmengen von Zeit in die neuen Kommunikationsformen um E-Mails oder SMS zu verschicken. Aber kann ein SMS unsere Tränen sehen? Kann ein SMS unsere Lachfalten im Gesicht zählen oder die Zärtlichkeit der Stimme hören, wenn wir einander in Liebe zugetan sind? Weihnachten ist für mich ein sehr wichtiges Fest und einer der Gründe liegt darin, dass doch noch mehr als sonst im Alltag miteinander gelacht, geweint, gesprochen wird. Weihnachten erlaubt noch, dass Menschen einander begegnen und sich nicht nur hinter der Technik verstecken. Ich höre Sie jetzt vielleicht sagen, dass das SMS versenden Ihnen viele Weihnachtsgrüße ermöglichte, die Sie sonst nicht geschafft hätten. Auch mir geht es so, aber dieser Vorteil sollte uns nicht die Augen davor verfinstern, dass wir einander brauchen, um die Liebe einander zu zeigen. Liebe braucht auch im modernen Zeitalter die Hand, die Tränen trocknet oder die Lachfalten zählt im Gesicht.

 

 

Samstag, 10. Jänner 09

„Nur noch eine Leidenschaft beherrscht uns: Reich zu werden. Nur noch eine Leidenschaft beherrscht uns: Das Geld“. Diese Sätze stammen aus der Verfilmung der Geschichte: „A Christmas Carol“ und scheinen an aktueller Dramatik nichts eingebüßt zu haben. Die Notwendigkeit von Geld in unserer Zeit ist nicht von der Hand zu weisen. Wir haben eine Weltordnung geschaffen, die ohne Geld nicht mehr funktioniert. Es scheint fast so, dass unsere Welt ohne Menschen auskommen kann, aber nicht ohne Geld. Dass Geld auch Leiden schafft, haben wir gut verdrängt. Geld hat den Nimbus des Reinen, des Unbefleckten, des Wertfreien. Geld ist aber nicht so unschuldig und rein wie wir gerne hätten. Geld ist inzwischen die wichtigste politische Realität. Ansehen, Arbeit, Lebensgrundlage, - all das ist ohne Geld nicht zu machen. Geld entscheidet über Lebensglück oder Lebenselend. Geld entscheidet über Hunger oder Übersättigung. Geld entscheidet über Freiheit und Unfreiheit. Ja, Geld selbst stinkt nicht, aber das, was mit Geld bewirkt wird, stinkt mitunter zum Himmel, weil es Menschen knechtet, unfrei und bettelarm macht! Aber vielleicht wird das Wunder aus der Geschichte: „A Christmas Carol“ auch in unserer Lebenswirklichkeit Realität: Nämlich, dass dem Menschen unsere Leidenschaft gehört; dass die Menschlichkeit die uns beherrschende Leidenschaft ist.