Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
„Der leuchtende Morgenstern Hoffnung“
von Bischof Michael Bünker (Wien)
Sonntag, 18. Jänner 2009
Licht in dunkler Nacht – so erfahren
Christinnen und Christen das Kommen Jesu in die Welt. Geboren mitten
in der Nacht geht von der Krippe von Bethlehem ein Licht der ganzen
Welt auf. Finsternis bleibt nicht finster, selbst in tiefster
Dunkelheit strahlt dieses Licht. Die Lieder der Christenheit sind
voll davon, sie singen vom Licht der Erkenntnis, vom Licht vom
Lichte, vom Schein voll Gnade und Freude. Besonders oft wird dieses
Licht mit dem Morgenstern verglichen, der hell strahlend am dunklen
Himmel steht. Er zeigt das Ende der Nacht und den Anbruch des neuen
Tages an. Ein Hoffnungslicht.
Was für ein schöner Brauch, dass uns
nach Weihnachten die Sternsinger besuchen kommen, die Nachricht von
der Geburt Jesu bringen - und den Stern! Alles steht unter diesem
guten Stern. Ein Hoffnungslicht für alle Welt.
Dem gegenüber steht die Realität.
Grund zur Hoffnung wird den Menschen nicht viel gegeben. Die
wirtschaftlichen Aussichten sind düster, die Umweltzerstörung geht
voran, Krieg und Gewalt, wohin man schaut. Was kann am Anfang eines
Jahres mit solchen trüben Aussichten das Licht der Hoffnung
bedeuten? Ist es bloß ein frommer Wunsch, ein schönes Gerede oder
ist es eine Kraft, die uns tragen kann? Was bedeutet der leuchtende
Morgenstern Hoffnung für das Jahr 2009?
Montag, 19. Jänner 2009
Wenn die Zukunftsaussichten nicht
gerade rosig sind, wie für das Jahr 2009, dann gibt es viele, die
das nicht wahrhaben wollen. Sie sagen: Es wird schon nicht so
schlimm werden! Am Ende wird alles wieder gut. Ihre Hoffnung heißt:
Dass es nur nicht noch schlechter wird! Dass es zumindest so bleibt,
wie es ist!
Das alles sagt christliche Hoffnung
nicht. Christliche Hoffnung ist nicht unrealistisch! Sie gaukelt uns
nichts vor. Die Realität wird nicht verdrängt, nicht schöngeredet
und nicht verharmlost. Sie ist ja auch nicht der Grund der Hoffnung!
Grund der Hoffnung ist nicht das, was aus der Gegenwart der Welt in
die Zukunft hochgerechnet werden könnte. Grund der Hoffnung ist die
Welt, wie sie von Gott her kommt, sein Friede, seine Gerechtigkeit,
sein Wohnen in der Schöpfung, das Leben in Fülle für alle. Alles das
wartet nicht erst im Jenseits auf die Gläubigen, wie man lange Zeit
gedacht hat, sondern es will schon hier und jetzt, mitten unter uns,
verwirklicht werden. Mitten in der Welt setzen Christinnen und
Christen Zeichen für dieses Reich Gottes. Sie sind barmherzig, sie
sind gastfreundlich, sie besuchen die Kranken und Gefangenen, sie
nehmen die Flüchtlinge auf und helfen denen, die es brauchen, sie
leben mit der Schöpfung in Einklang, nicht in Feindschaft. Die große
Hoffnung lebt von diesen Zeichen. Alle können solche Zeichen setzen.
Dienstag, 20. Jänner 2009
Die christliche Hoffnung hat zwei
Gegnerinnen. Das sind die Vermessenheit und die Verzweiflung.
Vermessen ist, wer meint, alles selbst
machen zu können. Ich brauche nichts, sagen ja viele, ich schenke
nichts, mir schenkt auch keiner was. Jeder ist seines Glückes
Schmied! Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott! Erfahrungen, die sich
in solchen Aussprüchen ausdrücken, fördern die Vermessenheit.
Auf der anderen Seite steht die
Verzweiflung. Verzweifelt ist wer meint, gar nichts selber machen zu
können. Ich kann nichts, niemand braucht mich, wozu ist mein Leben
gut, wofür gibt es mich überhaupt?
Beide, Vermessenheit und Verzweiflung,
bleiben gefangen ganz in den eigenen Möglichkeiten oder
Unmöglichkeiten, ganz in der Diesseitigkeit ihres Lebens. Aber wohin
eine Welt gerät, die sich nur auf das Diesseitige, nur auf das
Materielle, nur auf das, was wir selber tun können, verlassen will,
das ist heute klar und deutlich zu sehen. Sie steht in einer
Sackgasse an der Wand. Hoffnungslosigkeit ist ein Luxus, den sich
die Menschheit eigentlich nicht länger leisten kann. Erst der Blick
über diese Welt hinaus, erst der Glaube überwindet beide: Die
Vermessenheit und auch die Verzweiflung. Der Wert des Lebens – so
sagt es der Glaube – bemisst sich nie nach dem, was einer leistet.
Der Wert des Lebens bemisst sich nach Gottes Barmherzigkeit und
Güte.
Mittwoch, 21. Jänner 2009
Die christliche Hoffnung hat zwei
Geschwister, nämlich den Glauben und die Liebe. Der Apostel Paulus
schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth: „Nun bleiben
Glaube, Liebe, Hoffnung. Diese drei (1.Kor.13,13). Glaube, Liebe,
Hoffnung – das ist es, was bleibt. Das gibt Bestand.“
In der evangelischen Kirche in Zlan in
Kärnten stehen Glaube, Hoffnung, Liebe als drei Figuren über dem
Altar. Alle drei gehören zusammen und stehen der Gemeinde stets vor
Augen. In der Mitte ist die Liebe zu sehen, die höchste von allen.
Es ist Jesus Christus am Kreuz, das Zeichen der unermesslichen Liebe
Gottes. Auf der linken Seite steht der Glaube, eine Frau, die die
aufgeschlagene Bibel an ihr Herz drückt. Der Glaube, das Vertrauen,
das sich aus dem lebendigen Wort Gottes speist und zu Herzen geht.
Und rechts steht die Hoffnung. Auch sie eine Frau, aufrecht, gerade,
mit offenem Blick zuversichtlich und furchtlos, so sieht sie der
Zukunft ins Auge. Sie ist nicht naiv, sie weiß, dass es
Schwierigkeiten geben wird, deshalb ist die Hoffnung gerüstet mit
einem Helm und einem Harnisch. Aber sie trägt keine Waffen.
Christliche Hoffnung, so deute ich das, ist stets gewappnet für
harte Auseinandersetzungen. Sie ist keine Schönwetterhoffnung! Aber
sie ist frei von aller Gewalt. Sie entspringt aus dem Glauben und
verwirklicht sich in der Liebe.
Donnerstag, 22. Jänner 2009
Christliche Hoffnung und ihre
Geschwister Glaube und Liebe überwinden Vermessenheit und
Verzweiflung. Das tut die Hoffnung oft und gern mit ihren zwei
Begleitern: Das ist der Zorn und der Mut.
Zorn – wer hofft, findet sich nicht ab
mit den unerträglichen Zuständen dieser Welt. Mit Ungerechtigkeit,
mit politischem Versagen, mit Gewalt und Krieg. Christliche Hoffnung
will eine Veränderung, und sie will sie hier und jetzt. Sie lässt
sich nicht auf ein Jenseits, auf den St. Nimmerleinstag vertrösten.
Und dazu kommt der Mut. Manche denken
ja, Hoffnung ist feige. Wer von Hoffnung redet, ist zu feige, jetzt
Stellung zu beziehen, jetzt Partei zu ergreifen, jetzt etwas zu
ändern und beruhigt sich damit, dass es halt vielleicht doch von
allein irgendwann besser wird.
Recht verstandene Hoffnung macht
zornig und mutig zugleich. Aus dieser Hoffnung geben Christinnen und
Christen denen Obdach, die sonst auf der Straße stehen. Stellen sie
sich ganz bewusst an die Seite derer, die an den Rand gedrängt
werden. Machen sie ihren Mund auf, für die, die nicht für sich
selber sprechen können oder einfach nicht gehört werden. Sie nehmen
dafür vielleicht auch eigene Nachteile in Kauf. Ich wünsche mir
viele solche zornige und mutige Christenleute. Ohne sie wäre es um
die Hoffnung in unserem Land schlecht bestellt.
Freitag, 23. Jänner 2009
Mit Mut und Zorn, aus Glaube und Liebe
überwindet christliche Hoffnung die Vermessenheit und die
Verzweiflung. Aber sie kann doch nicht alles ändern! Ist die Aufgabe
nicht viel zu groß? Sind die Erwartungen nicht viel zu hoch? Wir
stoßen auf die letzten Begleiter der Hoffnung, auf das Warten und
auf das Eilen. Beides gehört zusammen. Warten und Eilen. Wie sollen
die Christenleute, die Gläubigen, dem Reich Gottes entgegensehen,
wird an einer Stelle im Neuen Testament (2. Petrus 3,12) gefragt?
Und die Antwort: Mit Warten und mit Eilen. Aber ist das nicht ein
Widerspruch? Entweder wartet man und steht still dabei, oder man
eilt, dann wartet man ja nicht mehr! Wie passt denn das zusammen?
Ich denke, wer nicht warten kann wird
auch nichts er-warten. Aber die Erwartung, das Warten ist doch
letztlich ein Ausdruck des Gottvertrauens. Wer nicht warten kann,
was erwartet er oder sie dann noch von Gott? Aber wer nur wartet und
nichts selber unternimmt, legt die Hände in den Schoß, ist untätig
und damit ebenso ungläubig, wie die Erwartungslosen. Denn Gott will
ja den tätigen, den wirkungsvollen Christenmenschen!
Also gehört beides zusammen. Geduldige
Hoffnung, die nicht schnell vergeht wie ein Strohfeuer, und
ungeduldiger Glaube, der schon hier und jetzt sehen und erleben und
verwirklichen möchte, was Gott verheißt: Gerechtigkeit, Frieden,
Bewahrung der Schöpfung.
Samstag, 24. Jänner 2009
Das Jahr 2009 hat mit düsteren
Voraussagen begonnen. Manches ist auch schon eingetreten, die ersten
Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise sind auch hierzulande
bereits spürbar. Sie treffen gerade die, die es am wenigsten
verkraften können. Alleinerziehende, alte Menschen, Asylsuchende und
Migrantinnen und Migranten. Gibt es Hoffnung? Gibt es christliche
Hoffnung? Vielleicht denken sie, eine solche christliche Hoffnung
ist doch nur eine weltfremde Träumerei. Ich möchte darauf entgegnen:
Wo eine unbarmherzige Welt, eine lieblose Welt, eine Welt, in der
jeder nur auf sich und den eigenen Vorteil schaut, diese Welt
hinbringt, das ist täglich in den Nachrichten zu hören und zu sehen.
Was als Hilfsmaßnahme beschlossen und umgesetzt wird, zeigt doch
sehr oft nicht einen neuen Weg. Wie Menschen, die in einem Labyrinth
immer in dieselbe Sackgasse gehen. Die Zukunft verlangt aber ein
grundlegendes Umdenken. Dazu braucht es eine begründete Hoffnung.
Ohne eine solche Hoffnung aus einem grundlegenden Wandel gibt es
keinen Weg in die Zukunft. Daher ist dieser Traum kein Luxus,
sondern notwendig wie das tägliche Brot.
Für Christinnen und Christen hat
dieser Traum Raum und findet er Zeit. Das Licht, das mit Jesus in
die Welt gekommen ist, scheint im Dunkeln und erhellt es. Es zeigt
den Weg aus der Finsternis, den Weg ins Leben. Der Morgenstern
Hoffnung geht mit allen.
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