Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
„Beten aus den Psalmen“
von Pfarrer Engelbert Hofer,
Wolfsberg, Kärnten
Sonntag, 8. Februar 2009
An diesem Sonntagmorgen grüße ich Sie
und lade sie ein, mit einigen Gedanken von mir in den Tag und in die
Woche zu gehen. Als Grundlage für meine Überlegungen nehme ich Worte
aus dem Buch der Psalmen. Damit öffne ich den Gebetsschatz des
Volkes Israel. Er enthält Gebete und Lieder, die etwa dreitausend
Jahre alt sind. Ich beginne mit einigen Versen aus dem Psalm 122. Er
trägt die Überschrift „Lied zur Wallfahrt nach Jerusalem“. Dort
heißt es - „Wie freute ich mich, als man mir sagte, zum Hause des
Herrn wollen wir pilgern.“ Für mich ist das ein passendes
Sonntagswort, ein Morgengruß zum Tag des Herrn. „Wie freute ich
mich, als man mir sagte, zum Hause des Herrn wollen wir pilgern.“
Die gläubigen Menschen des Volkes
Israel werden von Kind auf erzogen, an den Hochfesten des Jahres,
besonders natürlich am Osterfest, nach Jerusalem zu pilgern. Den
Tempel zu betreten und gemeinsam mit vielen anderen die Großtaten
Gottes zu feiern, wird für sie zum freudigen Höhepunkt ihres
religiösen Lebens.
Wir Christen sind von klein auf
angehalten, an den Hochfesten, aber auch an jedem Sonntag, am Tag
des Herrn, den Gottesdienst mitzufeiern. Ich wünsche, dass möglichst
viele, denen es möglich ist, mit Freude und innerer Bereitschaft zum
Hause Gottes aufbrechen.
Montag, 9. Februar 2009
Es gibt Worte, die zu Herzen gehen,
die trösten und stärken. Ich finde solche Aussagen im Buch der
Psalmen des Alten Testamentes. Eines möchte ich ihnen heute am
Montag mitgeben, als Leitwort für den Tag. Es steht im Psalm 103,
der auch öfter als „Vater unser“ des Alten Bundes bezeichnet wird.
Dort heißt es „Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt
sich der Herr über alle, die ihn fürchten.“
In diesen Worten erfahre ich die
Zusage, dass mich ein väterlicher Gott mit seinem Erbarmen
begleitet. Mir wird das Gefühl vermittelt, dass Gott sehr nahe ist,
dass er mich liebt und auf mich hört. Liest man den Psalm weiter, so
ermuntert er mich. Er sagt Dir und mir „Lobe den Herrn, meine Seele
und alles in mir seinen heiligen Namen. Lobe den Herrn, meine Seele
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“
Ich weiß, nicht jeder ist am
Montagmorgen in der Stimmung, zu beten und Gott zu loben. Konkrete
Sorgen und Probleme drängen sich in den Vordergrund. Dennoch meine
ich, dass es hilfreich sein kann, in unser Arbeiten oder über unser
Tun die Zusage Gottes zu legen. Ein schlichter Akt des Glaubens kann
wie ein positives Vorzeichen sein, das unsere Stimmung verändert.
Ich wünsche ihnen, dass die Gewissheit
um einen väterlich liebenden Gott sie heute und immer begleitet.
Dienstag, 10. Februar 2009
Die Psalmen des Alten Testamentes
liebe ich vor allem deshalb, weil sie die verschiedenen seelischen
Stimmungen so sehr treffen und nachempfinden. Zum Beispiel die
Sehnsucht des Menschen nach Vertrauen, der tiefe Wunsch, in Gottes
Hand geschützt zu sein. Der Psalm 16 spricht diese Bitte um
Geborgenheit in schlichter Sprache aus. „Behüte mich Gott, ich
vertraue dir, du zeigst mir den Weg zum Leben. Bei Dir ist Freude,
Freude in Fülle.“
So wie ich diese Worte vernehme, fühle
ich mich im Geiste in die Versöhnungskirche von Taizé in Frankreich
versetzt. Dort singe ich diese und andere Psalmverse in Gemeinschaft
mit einigen tausend Jugendlichen in die meditative Stille der Kirche
hinein. Im oftmaligen Wiederholen der Verse „Behüte mich Gott, ich
vertraue dir...“ sickert ein starkes Vertrauen in mein unruhiges
Herz, etwa so, wie leichter Regen in die lockere Erde dringt.
Manchmal, während des Tages, kommen mir Worte und Melodie hoch – und
ich verspüre aufs neue das schöne Gefühl einer tiefen Geborgenheit.
Ich weiß mich gehalten und geliebt.
Ich wünsche auch ihnen, besonders in
Zeiten der Krise, so eine Erfahrung von Angenommensein und
Geborgenheit.
Mittwoch, 11. Februar 2009
Für viele von Ihnen mag es – wie für
mich – ein Erlebnis sein, am Morgen auf dem Weg zur Arbeit ein Stück
Natur wahrzunehmen. Der Geruch aus dem morgenfrischen Garten, ein
Vogelsang, eine frische Brise Morgenluft, die ersten Strahlen der
Sonne – das hilft mir so richtig in den Tag. In den Psalmen, aus
denen ich in dieser Woche schöpfe, findet auch die Schöpfung breiten
Raum.
„Herr, wie zahlreich sind deine Werke,
mit Weisheit hast du sie alle gemacht. Die Erde ist voll von deinen
Geschöpfen.“ So umschreibt ein betender Mensch schon um das Jahr
tausend vor Christus im Psalm 104 seine Ehrfurcht vor der Schöpfung
und dem Schöpfer. Ein Gedanke, der heute von brennender Aktualität
ist, wie wir es oft und oft erfahren.
Für viele Menschen heute ist ja der
Gedanke leider nicht mehr selbstverständlich, an einen Schöpfergott
zu glauben und ihn als Herrn der Welt anzuerkennen. Deshalb steht
das Schöpfungslied im Psalm 104 für mich wie ein großes Rufzeichen
da für Menschen, die sich als Macher gebärden und sich als Herrscher
über die Kräfte der Natur aufschwingen wollen. In einer Zeit der
bedrohten Umwelt soll jeder neue Tag vom Bemühen getragen sein, die
Erde zu schützen, die Natur zu bewahren und Gott für seine Werke zu
danken.
Donnerstag, 12. Februar 2009
Einige Verse aus dem Psalm 91 bleiben
mir unvergesslich – und mit meiner Expedition auf den Kilimandscharo
im Jahr 1993 verbunden. Wie kommt das? Mein Entschluss, den höchsten
Berg Afrikas zu besteigen, kommt sehr spontan. Nach der Ankunft im
Basislager und den Vorbereitungen zum Aufstieg kommen mir nach und
nach schwere Bedenken. Angst und innere Unruhe, ob ich mir da nicht
zu viel zumute, lassen mich nicht schlafen. Vor einem größer
werdenden Sorgenberg liege ich wach im Bett. In diese Nacht voller
Bedenken schenkt mir meine innere Stimme – es ist wohl die Stimme
Gottes – die folgenden Verse aus dem 91. Psalm.
„Der Herr befiehlt seinen Engeln, dich
zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen,
damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt...“ Ich erlebe diese Worte
wie eine Erlösung. So wie ich sie im Herzen wiederhole, bin ich auf
wunderbare Weise getröstet. Ich gehe mit innerer Ruhe meinen Weg bis
hinauf zum schneebedeckten Gipfel und wieder zurück.
Hier und auch in anderen Situationen
erfahre ich – Gebet und Vertrauen können kleine Wunder bewirken.
Vielleicht liegt ein Problem vor
ihnen, der hohe Gipfel einer schwerwiegenden Entscheidung, eine
Krankheit, eine Prüfung oder was immer – dann empfehle ich sie dem
Schutz eines zärtlichen Gottes und seiner Engel.
Freitag, 13. Februar 2009
Psalmen sind Gebete und Lieder aus
dem Glaubensschatz des Alten Testamentes. Entstanden etwa tausend
Jahre vor der Geburt des Erlösers. Deshalb enthalten sie auch Worte
und Aussagen, die uns als Menschen des Neuen Bundes hart und
unmenschlich klingen. Der Psalm 136 ist eine Dankeslitanei mit der
immer wiederkehrenden Antwort „denn seine Huld währt ewig.“ Da kommt
zunächst der Dank für die Schöpfung – „denn seine Huld währt ewig“.
Das ist gut so. Dann folgt der Dank für das Walten Gottes in der
Geschichte. Spätestens da, wo es dann heißt „der die Erstgeburt der
Ägypter erschlug – denn seine Huld währt ewig“... spätestens da
gerät mein Beten ins Stocken. Einfach deshalb, weil ich – als Jünger
Jesu - davon überzeugt bin, dass Gott die Ägypter und deren
Erstgeborene genauso liebt wie dich und mich. Darauf weise ich heute
am Freitag hin. Am Freitag legt uns der christliche Glaube die
Hoffnung nahe, dass durch den Tod Christi am Kreuz alle Menschen
erlöst worden sind. Ich darf in einer Religion der Erlösung stehen,
nicht der Vergeltung. Ich darf an Gott als Vater aller Menschen
glauben. Er hat in Jesus die Feindschaft unter den Menschen
grundsätzlich überwunden. Und wo es noch oder immer wieder Feinde
gibt, dort fordert er uns auf, dass wir die Feinde zu lieben
versuchen „..denn seine Huld währt ewig.“ Hier stimmt sie dann
wieder, die Dankeslitanei im Psalm 136. - In der Liebe Christi
können selbst Feinde zu Freunden werden.
Samstag, 14. Februar 2009
Die Psalmen enthalten oft sehr
praktische Anleitungen zum Beten und dazu, gegen die Schwerkraft des
Geistes oder die Trägheit des Herzens anzugehen – am Morgen eines
Tages oder wann immer. Psalmengebete laden uns ein, die Seele
aufzuwecken, wenn sie in uns müde zu schlummern scheint. Psalmen
raten uns, das Gemüt, die Herzensfreude und die Leichtigkeit des
Seins in uns wach zu kriegen.
So heißt es etwa im Psalm 57 „Mein
Herz ist bereit o Gott, mein Herz ist bereit, dir will ich singen
und spielen. Wach auf meine Seele, wacht auf, Harfe und Saitenspiel,
ich will das Morgenrot wecken. Ich will dich vor den Völkern preisen
Herr, dir vor den Nationen lobsingen. Denn deine Güte reicht, so
weit der Himmel ist, deine Treue, so weit die Wolken ziehen.“
Großartig, wie hier der betende Mensch
zuerst sein Inneres in eine religiöse Schwingung versetzt. Er möchte
auf keinen Fall nur mit den Lippen beten, er möchte auf keinen Fall,
dass das Herz mit seinen Gedanken abschweift. Ein offenes Herz und
eine bereite Seele sind für fruchtbares Beten unerlässlich. „Wach
auf meine Seele, wacht auf, Harfe und Saitenspiel...“ Gott verdient
unsere ganze, ungeteilte Aufmerksamkeit.
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