Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Pfarrerin Margit Geley (Salzburg)

 

  

Sonntag, 15.2.2008

Für viele Schülerinnen und Schüler beginnen die Semesterferien, für die Wiener und Niederösterreicher neigen sie sich dem Ende zu.

Ferien und Arbeiten, Ruhe und Aktivität wechseln sich ab. Beides brauchen wir, so dringend wie Nahrung. Nur Ruhe macht uns krank und dauernde Aktivität brennt uns aus. So kann dieser Sonntag ein Tag des Ausgleichs sein.

 

Heute früh kann ich mich fragen. Was brauche ich denn eigentlich? Brauche ich Aktivität und wenn - dann welche. Will ich arbeiten, oder etwas anderes tun – einfach nur so, einfach nur, weil es mir gut tut, einfach nur, weil es mir gefällt? Oder will ich mich zurücklehnen, die Arbeit Arbeit sein lassen? Kann ich das überhaupt? Oder wird dann nur später alles schlimmer, weil sich dann zu viel Arbeit aufgetürmt hat?

 

Heute früh will ich mich fragen: Was für ein Tag soll heute sein? Ein Tag zum Ausruhen, oder ein Tag, um aktiv zu sein. Oder hat vielleicht sogar beides Platz? 

 

Ein Sonntag ist ein Tag, an dem wir zu uns und zu Gott kommen können. Ein Sonntag ist ein Tag, an dem wir besonders darauf achten dürfen, was unser Herz bewegt und wo ich darauf achten darf, wer ich bin. Ein Sonntag ist ein Tag, an dem ich nach-spüren kann, wo meine Hoffnungen und Wünsche hingehen. Dieser Sonntag darf ein Tag sein, an dem ich zu mir und zu Gott kommen darf, innerhalb oder außerhalb einer Kirche.

 

 

Montag, 16.2.2008

Vor kurzem bin ich mit meiner 2-jährigen Tochter spazieren gegangen und plötzlich hat sie zu mir gesagt: „Schau mal Mama, wie der Schnee so schön glitzert!“ Und er hat geglitzert, hat in der Sonne geleuchtet und wir haben uns beide darüber gefreut. Nach einiger Zeit hat sie gefragt: „Mama, warum glitzert der Schnee so?“ „Ja, warum glitzert der Schnee eigentlich“, habe ich mir gedacht. Weil Licht auf Eis bricht – aber ist das die ganze Antwort für das Wunder eines sonnigen Wintertages? Ich habe dann gesagt: „Der Schnee glitzert, weil Gott sich das so schön ausgedacht hat für uns.“ Und diese Antwort ist für mich die „richtige“ Antwort geworden – wenn es denn überhaupt richtige Antworten gibt.

Denn Gott meint es gut mit mir, denn Gott hat mir eine schöne Welt geschenkt. Weil Gott mitten in all dem Grau des Winters, wenn alle Farben fehlen, den Schnee schickt. Dann wird alles hell und freundlich. Dann glitzert der Schnee und funkelt und macht mich froh und glücklich. Meine 2-jährige Tochter staunt immer wieder über all das Neue und Schöne in ihrer Welt und ich darf so die Welt mit ihr neu entdecken – was für ein Geschenk.

 

 

Dienstag, 17.2.2008

In letzter Zeit denke ich immer wieder darüber nach, wer ich bin. Das klingt vielleicht eigenartig, aber ich frage mich: „Wodurch definiert sich meine Identität. Welche Rolle bestimmt mein Leben am meisten?“

 

Wenn sie gefragt werden, was sie sind. Was sagen sie dann? Ich sage: „Ich bin Pfarrerin und ich bin Psychotherapeutin. Ich bin auch Mutter und Stiefmutter, ich bin auch Ehefrau und meinen Freunden eine Freundin.“

 

In der Taufe sagt Gott zu mir: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen! Ich kenne dich, du gehörst zu mir.“

 

Wenn sie gefragt werden, wer sie sind, dann nennen sie wahrscheinlich ihren Namen. Wenn sie gefragt werden, was sie sind, dann nennen die meisten ihren Beruf. Denn dieser Beruf prägt unser ICH, er prägt wer wir sind und wie wir sind.

 

Wenn wir den Beruf verlieren, wenn wir den Beruf aufgeben, was ist dann mit unserer Identität? Wer bin ich, wenn ich nicht mehr Pfarrerin bin – sondern zum Beispiel „nur“ noch Mutter meiner Kinder. Wer bin ich dann, wenn meine Mutterrolle zu Ende geht und kein Beruf mehr da ist?

 

Gott kennt meinen Namen, er kennt mich – das schenkt mir ruhige Gewissheit: Ich werde immer ein ICH haben, auch wenn es sich im Laufe der Zeit verändert.

 

 

Mittwoch, 18.2.2008

Mitten in der Woche bin ich manchmal müde. Der Alltag in einer Familie mit vier Kindern ist turbulent. Da gibt es nie endende Wäsche, Chaos, das sich scheinbar unsichtbar ausbreiten will und dem ich Einhalt gebieten möchte. Da gibt es die großen Kinder, die ihr erwachsen Werden ausprobieren und die Kleinen, die ihr Ich finden wollen. Da gibt es uns Erwachsene, die wir mit diesen Entwicklungen nicht immer Schritt halten können. Wir erwarten von den Kleinen, groß zu sein und bei den Großen geht es so schnell, dass sie nicht mehr klein sind. Der Alltag ist eine Herausforderung. Die Verantwortung ist groß und mal leichter und mal schwerer zu tragen.

 

Jesus hat einmal gesagt: „Ich lege dir eine Last auf und helfe dir, sie zu tragen.“

 

Verantwortung liegt auf unseren Schultern, wir übernehmen Aufgaben für uns selbst und für andere Menschen. Verantwortung ist eine Herausforderung, die das Leben für mich spannend und schön macht. Allerdings nur, wenn ich diese Verantwortung tragen kann, wenn ich Unterstützung habe, wenn ich mal müde und überlastet bin.Das Versprechen Gottes, dass mir geholfen wird, wenn ich nicht alles alleine tragen kann, das entlastet mich und tut mir gut.

 

 

Donnerstag, 19.2.2008

In meinem Leben hat es lange Zeit wenig Platz gegeben für Kunst und Musik. Ich erinnere mich, dass ich mich als Schülerin immer gefragt habe: „Wozu habe ich zeichnen oder Musik in der Schule  - das brauche ich doch gar nicht.“

Ich habe damit nur sehr wenig anfangen können und erinnere mich mit Schrecken an Fragen von Lehrern, die wissen wollten, was ein Gedicht bedeutet, was es an Gefühlen ausdrücken möchte. Was für Farben zu welchen Gefühlen passen würden. Das war alles nicht meine Welt.

 

Doch mit den Jahren habe ich in mir Erstaunliches entdeckt: Ich habe viel Fantasie. Ich kann Geschichten aus dem Stehgreif erfinden, und ich kann sie so erzählen, dass meine Zuhörer mit offenen Augen und  Ohren zuhören. Ich kann zwar nicht malen, aber manche Bilder berühren mein Herz, manche Farben passen zu meinen Sehnsüchten und Wünschen.

 

Mit meinen Kindern entdecke ich manches nun wieder noch mal neu. Ich sehe, wie sie im Theater staunen und mitleben – ohne Fragen, ohne Angst, es richtig oder falsch zu empfinden. Und so sitze ich mit ihnen und staune mit und fühle mit und entdecke neue Welten – auch für mich selbst.

 

Gott hat uns seine Welt geschenkt, den Himmel, die Erde, Gott hat uns seine Welt geschenkt, Herr, wir danken dir. – So heißt ein Kinderlied und ich bin sehr dankbar, dass ich die Vielfalt dieser Welt erleben darf.

 

 

Freitag, 20.2.2008

Mitten im Februar, wenn der Winter schon lange ist, dann fehlen mir immer mehr die Farben unserer Welt.

Grau ist es, wenn die Wolken am Himmel stehen. Strahlend weiß, wenn die Sonne scheint. Blauer Himmel und funkelnde Schönheit, wenn alles gefroren ist und mit Schnee und Eis überzogen.

Trotzdem: mir fehlen die Farben, es ist mir, als wären sie vergessen. Unvorstellbar weit weg scheint mir die Explosion der Farben des Herbstes zu sein – wo ist all das Rot und Gelb und Gold und Braun? Wo sind die Farben des Sommers, die Früchte, die Hitze, das pralle Leben? Und wo ist so weit zurück die Kraft des Frühlings, der den Winter vertreibt, der Grün schenkt und Blumen mit all ihren leuchtenden Farben?

 

Dann gibt es kleine Überraschungen: Ein Leberblümchen versteckt zwischen dem Laub an einem Sonnenhang – als würde Gott mir persönlich diesen kleinen Boten schicken.

Da gibt es die Christrosen, die in meinem Garten mitten im Winter blühen! Was für Blumen – so als wüsste Gott, dass wir uns Blumen wünschen.

Ich freue mich, dass die Tage länger werden. Ich  freue mich, dass mein Kater wieder fort ist, den Katzen hinterher. Ich freue mich, dass die Vögel zwitschern, als wäre gar kein Winter mehr. Ich freue mich, dass ich mitten im Winter schon die Spuren des Frühlings sehe.

 

 

Samstag, 20.2.2008

Es ist heute Faschingssamstag. Vielleicht gehen sie zu einer Feier, vielleicht haben sie schon seit einiger Zeit überlegt: „Als was gehe ich heuer?“, wie die Kinder sagen.

 

Wer will ich heuer im Fasching sein, in welche Rolle will ich heute schlüpfen? Wer will ich werden, in welcher Zeit will ich heute leben, welches Geschlecht will ich haben? Welchen Charakter suche ich mir aus, welchen Beruf, welche Haare, welche Figur?

 

Im Fasching dürfen wir alles sein! Im Fasching dürfen wir anders sein. Oder vielleicht gar nicht so anders. Vielleicht ist es die Möglichkeit, an einem Tag im Jahr eine andere Möglichkeit des Lebens auszuprobieren. Einer Seite von mir Raum und Gestalt geben, die sonst zu kurz kommt.  Vielleicht ist der Faschingssamstag ein Tag, an dem sich manche besonders lebendig fühlen, eben weil er neue Dimensionen und Möglichkeiten bietet.

 

Wer an mich glaubt, sagt Jesus, aus dessen Inneren werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Dieser Mensch wird lebendig und kraftvoll sein – so verstehe ich das.

Dieser Mensch wird wissen, wer er ist, was sie fühlt, was sie will und sein kann.

 

Heute am Faschingssamstag können wir dem nachfühlen: Wer bin ich und wer könnte ich auch noch sein – mit oder auch ohne Verkleidung.