Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Pfr. Ronald Trentinaglia, Hörbranz, Vorarlberg
SONNTAG,
08.03.2009
Papst Johannes
XXIII. ist in die Geschichte eingegangen, als er das 2. Vatikanische
Konzil im Jahre 1962 einberufen hat. Ein Mann, voll des Heiligen
Geistes, mit Tiefe und Witz. Einige seiner Lebensweisheiten möchte
in Ihnen am heutigen Sonntag mitgeben:
Nur für heute
werde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem meines
Lebens auf einmal lösen zu wollen.
Nur für heute
werde ich große Sorgfalt in mein Auftreten legen; ich werde
niemanden vorschnell kritisieren.
Nur für heute
werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die
Umstände sich an meine Wünsche anpassen.
Nur für heute
werde ich jemandem etwas Gutes tun, ohne dass ich einem anderen
Menschen davon erzähle.
Nur für heute
werde ich fest daran glauben, dass sich die gütige Vorsehung Gottes
um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.
Nur für heute
werde ich ein genaues Programm aufsetzen und ich werde mich dabei
vor zwei Übeln hüten: Vor der Hetze und der Unentschlossenheit.
MONTAG,
09.03.2009
Stellen Sie
sich einmal vor, unsere ganze Welt wäre ein Dorf mit 100 Einwohnern.
In diesem Dorf lebten dann 57 Asiaten, 21 Europäer. 14 der
Dorfbewohner wären Amerikaner. 52 wären Frauen und 48 wären Männer.
30 hätten eine weiße Hautfarbe, 70 wären Nichtweiße. 30 wären
Christen, 70 wären Nichtchristen. 80 Bewohner lebten in völlig
unzureichenden Wohnungsverhältnissen. 6 Dorfbewohner würden 60
Prozent des gesamten Reichtums besitzen.
Weitere
Gedanken dazu: Und wenn wir nie einen Krieg erlebt haben, nie
gefangen waren und nie hungern mussten, dann sind wir weitaus besser
dran, als die meisten anderen Menschen.
Wenn wir
unseren Glauben frei leben können; wenn wir keine Angst haben
müssen, dass uns aus Bekenntnisgründen gedroht wird, dass wir
verhaftet oder gar gefoltert und umgebracht werden, dann geht es uns
besser als Milliarden von Menschen auf der Welt. Wenn sich in
unserem Kühlschrank Essen befindet, wir über ausreichend Kleidung
verfügen, ein Dach über dem Kopf haben und ein Bett zum Hinlegen, so
sind wir reicher als 75 Prozent der Weltbevölkerung.
So wünsche ich
Ihnen heute einen guten Tag. Lassen Sie sich bitte nicht allein von
dem bestimmen, was Ihnen fehlt und was sie noch alles gerne hätten.
DIENSTAG,
10.03.2009
Haben Sie
schon einmal einen Menschen gesegnet? Segnen – jemandem etwas Gutes
sagen!
Wie ist das in
Ihrer Familie am Morgen? Ist dieses Segensritual, dass Sie ihrem
Partner oder Ihren Kindern ein Kreuz auf die Stirne zeichnen,
vorhanden?
Vor kurzem war
ich mit einer Gruppe von Menschen in Israel. Wir kamen auf unserer
Fahrt auch zur Taufstelle am Jordan. Und hier spielte sich etwas
Bemerkenswertes ab: Mit dem Wasser des Jordan zeichneten wir uns
gegenseitig ein Kreuz auf die Stirne. Es war nicht bloß ein
Erinnerungszeichen an unsere eigene Taufe, sondern vielmehr das ganz
bewusste Segnen eines Menschen. Einem Menschen gleichsam auf seinen
Kopf zusagen: „Gott mag dich! Du bist wertvoll! Es ist gut, dass es
Dich gibt!“
Oft spüre ich
es selber an Menschen, denen ich ein Kreuz auf die Stirne zeichne,
wie berührt sie sind, dankbar und froh, gestärkt für den Tag.
Zugegeben: Manchem Zeitgenossen mag es bisweilen peinlich
erscheinen, einem anderen Menschen gegenüber ein solches Zeichen zu
setzen. Ich sage Ihnen heute: Bitte probieren Sie es doch einfach
einmal aus! Tun sie’s und Sie werden erstaunte Blicke erhalten, und
zwar deshalb, weil viele schon längst vergessen haben, was sie
eigentlich wirklich leben lässt!
MITTWOCH,
11.03.2009
Kommt ein
80-jähriger Mann zu Gott in den Himmel. Gott schaut ihn an und
brummt etwas Unverständliches in seinen langen Bart. Der Mann
antwortet darauf: „Oh, lieber Gott, ich verstehe kein Wort von dem,
was du sagst!“ Gott entgegnet: „75 Jahre lang hast du so gebetet und
ich hab auch nie ein Wort von dir verstanden!“
Das Beten
verschwindet immer mehr. Viele Kinder und Heranwachsende erleben
kaum mehr Eltern, die miteinander beten und es ist nahezu eine
Sternstunde für jeden Religionslehrer, wenn er in der Schule auf
einen Schüler trifft, der die sogenannten Grundgebete, das „Vater
unser“ und das „Gegrüßet seist du Maria“ kann.
Bei einem
Elternabend für Erstkommunikanten gingen wir auch der Frage nach dem
Beten nach und die einhellige Meinung der Eltern war die, dass das
Beten bestenfalls dort und dann vorkommt, wenn es dem Menschen
schlecht geht. Das kann sein. Aber wie soll jemand beten, wenn er
nie etwas davon gehört hat, geschweige denn eines gelernt hat,
eines, das in Fleisch und Blut übergegangen ist.
Beten ist
keine Fluchtreaktion vor der Wirklichkeit, sondern vielmehr die
Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben, seinen schönen und weniger
schönen Seiten. Eine Auseinandersetzung, die gleichsam Gott mit ins
Leben hereinholt.
DONNERSTAG,
12.03.2009
„Ich habe
keine Zeit!“ Das sind vier Worte, die unseren Alltag immerzu
bestimmen. Interessant dabei ist die Tatsache, dass viele Dinge
unser Leben leichter machen: Wir haben mehr Urlaub als frühere
Generationen, im Haushalt gibt es alle möglichen Geräte, angefangen
von der Waschmaschine, über Geschirrspüler und Mikrowelle, die eine
vielfache Zeitersparnis mit sich bringen. Wir müssten also jede
Menge Zeit haben. Zeit für uns, Zeit für andere, Zeit für Gott, Zeit
fürs Leben.
Und doch sind
wir in vielen Fällen eine „Ich-habe-keine-Zeit-Gesellschaft“.
Vielfach machen auf mich viele Menschen den Eindruck, als hätten sie
eine Riesenangst, im Leben etwas zu versäumen und deshalb haben sie
für vieles keine Zeit mehr, besonders dort, wo ihr eigenes
Engagement für eine gute Sache, aber auch für die eigene
Glaubensgemeinschaft und die Kirche erwünscht wäre. Keine Zeit! Was
kann man da tun? Die Regale unserer Buchhandlungen sind voll von
Büchern, die Tipps dafür geben, wie der Mensch seine Zeit sinnvoll
nützen könnte.
So wünsche ich
Ihnen für heute, dass Sie Zeit finden für ein gutes Wort, eine
liebevolle Geste, einen Dank an Gott.
FREITAG,
13.03.2009
Immer wieder
treffe ich auf Personen, die vor dem Freitag, dem 13. Angst haben.
Woher kommt eigentlich dieser Aberglaube? Ein Deutungsversuch mag
der sein, dass die Zahl 13 und der Freitag schon lange als
Unglückssymbole galten. Nach der christlichen Überlieferung wurde
Jesus an einem Freitag gekreuzigt; auch Adam und Eva sollen an einem
Freitag von der verbotenen Frucht genascht haben und beim letzten
Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern feierte, sollen auch 13
Personen anwesend gewesen sein. So wird die Zahl 13 im Volksmund
auch als das „Dutzend des Teufels“ bezeichnet.
Ich persönlich
kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals dem Freitag, dem 13.
eine besondere Bedeutung zugemessen hätte. Warum auch? Angst haben
vor einer Zahl, die mit einem Wochentag kombiniert ist? Nein,
wirklich nicht! Zumal unser aller Leben in der Hand Gottes geborgen
ist und niemand, der Gott vertraut, wird aus seinen Händen fallen.
Zugegeben:
Vertrauen und Glauben ist nicht immer leicht. Und wenn das schon so
ist, warum soll ich mir hier den Luxus eines totalen Aberglaubens
leisten? Ich danke Gott für den heutigen Tag und bitte: „Pass
wenigstens du auf mich auf, wenn ich eine Dummheit begehen sollte
und lass bitte nicht zu, dass andere Menschen deswegen durch mich zu
leiden haben!“
SAMSTAG,
14.03.2009
Während seines
Aufenthalts in Paris kam der Dichter Rainer Maria Rilke täglich an
einer Bettlerin vorbei. Ohne aufzublicken nahm sie die kleinen
Münzen, die ihr gelegentlich Leute in ihre offene, bettelnde Hand
fallen ließen und steckte sie hastig ein. Eines Tages blieb Rilke
mit seinem Freund bei der Bettlerin stehen und legte in ihre Hand
eine Rose. Da ergriff die Frau die Hand des Dichters, küsste sie,
stand auf und ging davon. Die nächsten Tage war die Bettlerin wie
vom Erdboden verschluckt. Verwundert fragte der Freund den Dichter
nach der beängstigenden Wirkung der Gabe. Rilke sagte: „Man muss
ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand!“ Wovon denn die Bettlerin
all die Tage gelebt habe, da niemand Geld in ihre Hand legte? Rilke
antwortete: „Von der Rose!“
Wovon lebt der
Mensch? Doch nicht allein vom Geld und seinem Bankkonto. Wir
brauchen das Verständnis des anderen; wir brauchen seine Zeit, seine
Zuneigung; einen freundlichen Gruß, einen Händedruck, eine
vergebende Geste, eine Umarmung – alles das, was die Rose
symbolisiert. Man muss mit dem Herzen schenken, nicht mit der Hand.
Das ist das eine. Das andere ist dies: „Der Mensch lebt nicht vom
Brot allein, sondern aus jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt!“
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