Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von
Pfr. Wolfgang Olschbaur, Bregenz
Sonntag,
15. März 2009
"Diese Puppe
gehört mir. Mit ihr darfst du nicht spielen!", so schallt es aus dem
Kinderzimmer. Da beginnt nämlich schon die Sache mit den
besitzanzeigenden Fürwörtern. Meiner, meine, meines! Kinder wollen
alles. Und das sofort. So zieht es sich durchs ganze Leben. Später
sind es andere Dinge, die man haben möchte und von denen man meint,
dass man ohne sie nicht leben kann. Aber was zu besitzen ist
wirklich wichtig?
In der Bibel
wird von einem reichen Mann erzählt. Er wollte wissen, was ihm im
Leben noch fehlt. Er fragt Jesus. Und der antwortet ihm: „Trenne
dich von deinem Besitz und tu etwas für die, die nichts haben“.
Darauf zieht er betrübt davon. Er hat nicht begriffen, worum es
geht.
Besitz und
Besitz ist nicht dasselbe. Es gibt Sachen, die uns hindern,
blockieren und unfrei machen. Und es gibt Freundschaften,
Partnerschaften, die uns zwar nicht gehören, die aber zu uns
gehören. Manche tragen Verantwortung, haben gesellschaftliche
Pflichten, Fertigkeiten. Sie "besitzen" eine Menge von dem, was man
nicht in einer Währung ausdrücken kann. Sie haben sich Geist und
Lebensweisheit erworben, haben die Liebe ihres Lebens gelebt und
eine Tiefe des Herzens entwickelt. Und das macht ihr Leben reich -
bis sie eines Tages dann ganz in "Gottes Besitz" fallen.
Montag, 16.
März 2009
"Ertrage
freundlich gelassen den Ratschluss der Jahre,
gib die Dinge
der Jugend mit Grazie auf."
Dieser
Kalenderspruch hat es in sich! Er erinnert einen sanft ans
Unveränderliche. Dass einem die Jugend allmählich abhanden kommt,
dass sich die schnelle Kombinationsgabe und das gewinnende Auftreten
im Laufe der Jahre verflüchtigen. Wer braucht eigentlich noch die
Lebenserfahrung, die ich mir mühsam erworben habe? Der nächsten
Generation in ihrer digitalen Welt nützt sie gar nichts. Und meine
Urlaubsfotos schaut sich ohnehin keiner mehr an!
Man könnte in
den Rhythmus des Lebens ja innerlich einstimmen. Muss man mit 18
schon sein wie ein weiser Mann? Und mit 50 noch wie ein Teenager
herumlaufen? Wer die Jahreszeiten des Lebens kennt und annimmt, kann
ohne zu zaudern das Alte loslassen. Und sich überlegen, was im
"letzten Koffer" mitzunehmen wirklich wichtig ist. Das meiste lässt
man ohnehin zurück. Glücklich ist, wer sich noch mit "warmer Hand"
von den Dingen verabschieden kann, an die man einmal sein Herz
gehängt hat.
Wir gehen aus
dieser Welt nicht als geliebter Freund, als kluger Geist, als Mensch
mit Anstand, wir gehen als Du und Ich. Und mitgenommen werden kann
allein die Hoffnung, dass Gott uns in Gnaden und ohne Ansehen der
Person in seine Arme schließt.
Dienstag, 17.
März 2009
Schenken ist
gar nicht so einfach. Man weiß oft nicht, was man schenken soll
und tut sich
schwer, das Richtige zu finden. Auch ist man sich nicht immer
sicher, ob die Botschaft, die man in ein Geschenk mit hinein
verpackt auch wirklich ankommt. Schenken ist schließlich die Gestalt
gewordene Zuneigung zu einem Menschen.
Aber auch ein
Geschenk annehmen fällt manchen Menschen schwer. Für sie bedeutet
ein Geschenk eine Verpflichtung, die man dann hat. Und es könnte
sich ein Gefecht mit Gegengeschenken daraus entwickeln. Sie wollen
aber frei sein und bei niemandem in Schuld stehen.
Jesus - sagen
Christinnen und Christen - ist für sie das größte Geschenk. Es gibt
nichts Gleichwertiges. Und er erwartet kein Gegengeschenk. Er hat
nie gesagt: „Ich habe euch mein ganzes Leben gegeben, aber ihr habt
alles verpatzt“. Dieses Geschenk kann man nur annehmen und darauf
mit Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Liebe und Respekt reagieren.
Die Wochen vor
Ostern sind eine gute Möglichkeit, sich ins Beschenkt werden
einzuüben. Längst ausgesprochene Einladungen annehmen, sich Zeit
lassen für ein Gespräch, auch wenn die Arbeit liegen bleibt. Ein
Kompliment nicht überhören. Selbstzweifel überwinden und
entgegengebrachtes Vertrauen akzeptieren. Ja, - und bei aller
manchmal unerträglichen Schwere des Seins - annehmen, dass dieses
Leben ein Geschenk ist.
Mittwoch, 18.
März 2009
"Ich bekenne,
ich habe gelebt..." Damit hat der chilenische Dichter Pablo Neruda
seine Memoiren überschrieben. Und was das für ein Leben gewesen ist,
als politisch Verfolgter, als einer, der sich für Gerechtigkeit und
Demokratie gegen alle Diktaturen eingesetzt hat!
Mit dem
Bekennen ist das so eine Sache. Viele sagen nicht, wovon sie
überzeugt sind, stehen nicht zu ihrem Wort oder scheuen sich vor den
Konsequenzen.
Aber es gibt
auch Mutige. Sie wiederstehen dem Unrecht, lassen sich nicht
einschüchtern, gehen aufrecht ihren Gang. Etliche von ihnen werden
verfolgt und kommen um.
Es ist nicht
"mega-out", wenn wir zu unserer Meinung stehen. Wir brauchen
Klarheit und müssen manchmal bewusst den Trends unserer Zeit
widersprechen. Wir wollen den Parolen widerstehen, die uns einlullen
und sagen: „Du bist einzig für dich selber da, kümmere dich nicht um
andere“.
In der Bibel
gibt es die Geschichte von den drei Männern im Feuerofen, die einem
grausamen Herrscher getrotzt haben. Sie gehen lieber ins Feuer, als
dass sie vor einem Tyrannen auf die Knie fallen. Zu ihnen bekennt
sich Gott. Er hält die Hand über sie und lässt sie leben.
In einem
Gedicht von Pablo Neruda heißt es: "Ich werde nicht sterben. Heute
an diesem Tage voller Vulkane, ich trete hervor, der Menge entgegen,
dem Leben zu."
Donnerstag,
19. März 2009
David und
Goliath. Wen zwingt ein Zwei-Meter-Mann mit durchtrainierten Muskeln
nicht schon beim Anblick in die Knie? Wer hält in seiner Nähe nicht
schnell nach einem sicheren Versteck Ausschau?
Meine
Sympathie gilt aber dem kleinen Helden, der den großen Unhold
besiegt, gerade weil es im Alltag selten solche unglaublichen
Erfolge gibt.
Manch einem
kleinen David und seiner Freundin müsste man aber gelegentlich
abraten, tollkühn mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Sie werden
ihn noch brauchen können! Vielleicht um draufzukommen, wann Mut in
Übermut, oder gar in Größenwahn umschlägt.
Was man aus
dieser köstlichen Geschichte der Bibel alles lernen kann!
Z. B. dass der
Erfolg des Hirtenbuben darin liegt, dass er nicht „aus dem Bauch
heraus“ handelt und den Angreifer attackiert. Er überlegt, prüft die
Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, kopiert nicht seinen Gegner in
der Anwendung seiner Waffen und bleibt bei dem, was er kann. Mögen
die andern über seine Wurfschleuder lachen! Dem Profikiller
schleudert er dann nicht nur einen Stein entgegen, sondern auch sein
ganzes Gottvertrauen, denn er weiß genau, ohne seine starke Hilfe
hätte er keine Chance im ungleichen Kampf!
Mut,
Entschlossenheit und konsequentes Handeln zeichnen diesen kleinen
Kämpfer aus. Und schließlich auch die Selbstbegrenzung. Er
verzichtet auf Rache. So könnte manches Blutvergießen ein Ende
finden.
Freitag, 20.
März 2009
Hiob hat alles
verloren. Seine Frau, seine Kinder, seinen Besitz. Eben noch ein
wohlhabender Gutsbesitzer in geordneten Verhältnissen. Kurz darauf
schon ein Verwaister, ein Verlierer.
Seine
Geschichte lässt sich nachempfinden. Vielen Menschen geht es
ähnlich. Aber Hiob hadert nicht mit Gott - erstaunlicherweise. Er
hat das Gute aus Gottes Hand genommen, dann will er auch im Leiden
Gott vertrauen. "Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen,
der Name des Herrn sei gelobt!" Das ist zum Sprichwort geworden.
Nicht leicht nachvollziehbar, denn es tut weh, wenn verloren geht,
was einem so wichtig gewesen ist.
Hiob zeigt,
dass das, was man erreicht hat im Leben nicht eigene Leistung ist,
sondern Gnade, Geschenk. Dieser Gedanke macht frei vom
Leistungsdruck, frei von der Bindung an Besitz und Karriere. „Ich
freue mich an den Dingen, die ich habe, aber Nicht-Haben bedeuten
noch nicht den Verlust des Lebens.“
Hiob zeigt
auch, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen schwerem Leid und
Gottes Strafe. Gottes Wirken ist manchmal unverständlich. Aber
würden wir alles begreifen, hätten wir ihn in der Hand und nicht er
uns. Die Ohnmacht Gottes und seine Allmacht zusammenzubringen, das
ist eine der größten Herausforderungen. Glück bedeutet nicht, dass
einem alles gelingt, sondern ist das Geschenk des Vertrauens - in
guten wie in schlechten Zeiten.
Samstag, 21.
März 2009
Entscheidungen
zu treffen ist oft mühsam. Das braucht Zeit. Zeit, um Informationen
einzuholen. Zeit, Freunde zu fragen. Zeit, dann alles wieder in
Frage zu stellen. In Wirklichkeit ist es ganz egal, ob man bei
dieser oder jener Firma sein Handy anmeldet und wie viel Pixel die
Kamera schafft. Die Entscheidung darüber könnte auch ein
Zufallsgenerator für einen fällen. Dann hätte man mehr Zeit für die
wirklich wichtigen Dinge im Leben.
Es gibt da
Entscheidungshilfen. Manager raten zu Plus- und Minuslisten. Man
kann auch den verschiedenen Möglichkeiten rote Punkte zuordnen. Wo
die meisten sind, das zählt dann. Aber ehrlich: Wenn Mose auf seine
Tafeln mit den 10 Geboten zuerst rote Kieselsteine kleben hätte
lassen, dann wäre das Volk wohl nie aus der Wüste herausgekommen.
Manchmal hilft
nur eins: Sich beherzt entscheiden! Auf die innere Stimme hören -
und dann zu den Folgen stehen. Es gibt ja nur zwei Risiken: Entweder
man macht sich bei andern unbeliebt. Das ist Mose so gegangen, alle
haben über ihn "gemurrt", aber er hat seine Sache gemacht. Oder die
Entscheidung war falsch. Aber wer scheitert, hat wenigstens
bewiesen, dass er handlungsfähig ist. "Scheitern ist interessanter
als Erfolg", hat jemand gesagt. Na, ja. Aber zumindest hat man dann
etwas zu erzählen...
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