Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

vom Wiener Weihbischof Helmut Krätzl

 

 

Sonntag, 29.3.2009

„Glauben Sie an Gott, Herr Bischof?“ fragt mich David  in seinem Brief vor der Firmung.  Er freut sich zwar sehr auf die Firmung, aber er ist nicht sicher, ob es Gott überhaupt gibt. „Eigentlich kann ich es nicht glauben“, schreibt er. Da drehe ich den Brief um und finde ein fast schüchternes  post scriptum:  „Ich wollte Sie noch fragen, Herr Bischof, ob Sie an Gott glauben, und wenn ja, warum?“

Zuerst war ich sehr überrascht, dass du einen Bischof so etwas fragst. Aber jetzt danke ich dir dafür. Einmal, weil ich gesehen habe, wie ehrlich du bist. Dann aber  hast du mir die Gelegenheit gegeben, bei deiner Firmung auch über meinen eigenen Glauben zu reden, was ich sonst nie getan hätte. Weißt du, ich verdanke meinen Glauben meiner Familie, die  religiös, aber nicht frömmelnd war. Ich wuchs  in einer sehr aktiven Pfarrjugend auf, erlebte stolz eine lebendige Kirche im und nach dem Krieg. Und dann spürte ich die Nähe Gottes manchmal im Gebet, in einer schönen Liturgie und in Schicksalsschlägen. Zweimal hat mich Gott offenbar vor dem Tod bewahrt, einmal bei einem furchtbaren Autounfall und dann in einer schweren Krankheit. Da dachte ich mir: Er gibt mir eine neue Chance, erwartet vielleicht noch etwas von mir. Und immer  war ich stolz auf einen Glauben, der auf Jesus Christus zurück geht, dem ich mich innigst verbunden fühle.

David, Gott ist mehr als etwas Überdimensionales, wie du es nennst.  Er ist ein ganz persönliches Du. Er hat mir das Leben gegeben und auf ihn gehe ich in großer Zuversicht zu.

 

 

Montag, 30. 3. 2009

Die Firmung wird oft beschrieben als ein bewusstes Ja zu Gott. Tatjana zum Beispiel schreibt mir: „Ich freue mich auf die Firmung und darauf, Gott mein Ja-Wort zu geben.“ Das klingt fast wie ein Ehe-, ein Treueversprechen.  Bei der Taufe konnte sie das ja noch nicht,  da haben ihre Eltern für sie zu einem Leben mit Gott Ja gesagt. Daher beschreibt man die Firmung auch gerne  als eine Auffrischung der Taufe in einer Lebensphase, wo Jugendliche schon  selbst entscheiden können. 

Theresa aber gefällt diese Auslegung nicht und sie  erklärt uns die Firmung anders. Sie schreibt: „Für mich gilt: Seit der Taufe bin ich Christ. Wozu sollte ich das also auffrischen?! Ich meine, dass der Heilige Geist immer bei uns ist und in der Firmung versuchen wir ein Zeichen dafür zu setzen. Ich möchte Ihnen gerne einen Vergleich schreiben, wie ich mir das vorstelle: Ich weiß, dass mich meine Eltern immer lieb haben, aber trotzdem mag ich Umarmungen, weil sie mir das zeigen. Oder ich weiß auch, dass Gott immer bei mir ist. Trotzdem gehe ich zur Kommunion und esse ihn als Brot als Zeichen seiner Gegenwart. Genauso ist die Firmung für mich ein Zeichen der Gegenwart des Heiligen Geistes, also Gottes, das wir einmal in unserem Leben empfangen.“

Firmung wie eine Umarmung Gottes? Dieser Vergleich ist wunderbar, Theresa.

Und der Heilige Geist, den ich bei der Firmung für dich erbitte, ist ja das Band der Liebe zwischen Gott-Vater und Sohn, das auch dich umschließt, damit du spürst, wie Gott dich liebt.

 

 

Dienstag, 31.3.2009

Junge Menschen können heute nicht mehr beten, höre ich oft klagen. Mirjam beweist das Gegenteil. Sie schrieb mir vor der Firmung: „Ich finde es spannend, mich mit Gott auseinander zu setzen. Ich habe das Gefühl, dass ich mit ihm immer reden kann, manchmal streiten wir, aber das gehört zu einer Beziehung. Manche würden sagen, ich rede mit mir selbst. Widersprechen kann ich nicht. Aber wer bin ich? Vielleicht ist ein Teil von mir mit Gott verknüpft? Wer weiß?

Manchmal will ich nicht mit Gott sprechen, dann schreibe ich meine Gedanken auf, dann bin ich verzweifelt. Ich hasse ihn zum Beispiel, wenn es nicht so läuft, wie es soll, oder wenn ich von Kindern lese, die sich prostituieren müssen, um zu überleben, von Menschen, die im Zweiten Weltkrieg umgebracht worden sind. Dann hasse ich Gott, dann hasse ich mich. Doch dann versöhnen wir uns wieder. Wir reden über alles. Es hört sich verrückt für viele an, wenn ich lese, was ich hier schreibe. Komme mir ziemlich durchgeknallt vor, aber was soll‘s?“

Mirjam, ich finde toll, was du da über das Beten schreibst. Da fällt mir ein, dass die Schwester des Mose auch Mirjam hieß. Und Mose ist für mich das faszinierendste Vorbild eines Beters. Er redete mit Gott wie mit einem Freund. Er hat mit ihm aber auch gestritten, wenn er  auf der Wüstenwanderung manches nicht begreifen konnte,  das Gefühl hatte, Gott habe ihm etwas Unerträgliches aufgebürdet. Vielleicht hat seine Schwester von ihm das Beten gelernt. Und du Mirjam, von wem hast du es gelernt?

 

 

Mittwoch, 1.4.2009
Wo ist Gott, wenn in Afrika Kinder verhungern?

Ein 15-jähriger Firmling schreibt anklagend: „Als Kind bin ich gerne in die Kirche gegangen. Ich habe geglaubt an Gott, an Jesus und ich hatte ein Kreuz über meinem Bett hängen. Mit 12 Jahren fing ich an Nachrichten zu schauen und habe erfahren, dass Kinder in Afrika verhungern und Säuglinge sterben, bevor sie lernen zu lachen. Da habe ich allmählich begriffen, dass Gott anscheinend manchmal nicht da ist oder einfach nicht zuhört. Darauf habe ich aufgehört zu beten und habe das Kreuz über meinem Bett meiner Schwester geschenkt. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, ich wäre aus der Kirche ausgetreten.“

Was Du da schreibst ist überaus ernst. Aber ist Gott daran schuld? Dass Kinder in Afrika verhungern liegt auch daran, dass  viele in der Welt nicht teilen wollen. Säuglinge sterben, weil Medikamente für die Leute dort zu teuer sind und es zu wenige Ärzte gibt. Gott ist immer da. Aber durch Menschen geschieht so viel Unheil.

Aber in deinem Brief hast du ja selber weitergedacht. Am Schluss lese ich: „Mich firmen zu lassen war der letzte Versuch, mein Vertrauen zu Gott wieder zu erwecken. Vermutlich ist das sogar gelungen. Ich denke, dass Gott wohl nicht mehr der ist, der mich vor allem Übel beschützt, sehr wohl aber ein Freund ist, der da ist, wenn kein anderer mehr da ist.“

Häng das Kreuz wieder über dein Bett und schau oft hin. Da hängt nämlich einer, den Menschen umgebracht haben, der uns aber gelehrt hat, was Versöhnung und Liebe bedeutet.

 

 

Donnerstag, 2.4.2009

Jungen Menschen ist die Messe zu fad und viel zu traurig. Florian schreibt: „Mit meinen Gebeten geht es mir gut, aber ich gehe nicht mehr so oft in die Messe. Sie ist mir einfach zu langweilig. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.“ Und Jennifer würde sich Folgendes wünschen: „Können wir nicht die Messen so wie in dem Film ‚Sister Act‘ gestalten? Da würde ich sogar in die Sonntagsmesse gehen. Das ist nicht nur meine Meinung.“ Freilich kann man die Messe auch mit ganz moderner Musik gestalten, wie es ja schon in manchen Pfarren geschieht. Aber dazu müsst ihr euch auch selbst engagieren.

Eine andere Kritik macht mich aber fast noch bedenklicher. Maria findet, dass die Messen so traurig sind. „Es ist eigentlich etwas Schönes, eine Messe zu feiern“, schreibt sie, „aber wenn man die Gesichter der Menschen sieht, könnte man meinen, dass man sich auf einer Beerdigung befindet“. Und Leopoldine wird noch deutlicher: „Ich glaube nicht, dass es Gott gewollt hat, dass wir jeden Sonntag um ihn trauern.“

Da denke ich doch bei mir: Was ist aus unseren Messen geworden? Von der Urkirche heißt es, dass sie in Freude in ihren Häusern das Brot brachen und jubelnd feierten, dass der Gekreuzigte lebt. Und sie waren voller Hoffnung, dass er in Herrlichkeit wiederkommen wird. Dasselbe sagen wir wohl auch bei der Messe nach der Wandlung: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“. Aber in wie vielen Messen gelingt es, etwas von dieser Osterfreude zu vermitteln?

 

 

Freitag, 3.4.2009

Mit der Beichte haben auch Jugendliche schon ihre liebe Not. Betty drückt das sehr originell aus: „Ich glaube nicht, dass ich in den Himmel komme. Ich gehe zwar regelmäßig zur Beichte und das nur, weil mich meine Oma immer dazu animiert. Aber ich habe in meinem Leben schon so viel Mist gebaut, dass ich mich nicht einmal mehr an alles erinnern kann. Aber ich bereue irgendwie nicht, denn das Leben geht weiter. Frei nach dem Motto ‚Carpe diem‘, also ‚nütze den Tag‘. Und das nicht nur im negativen Sinn. Manchmal, wenn es mir recht mies geht, setze ich mich am Abend hin und überlege, was ich an diesem Tag geleistet habe und das muss nicht großartig sein. Manchmal ist auch das Lachen eines Freundes, an dem man schuld ist, irrsinnig befreiend“.

Betty, du sagst, du kannst irgendwie nicht bereuen. Ich denke nicht an die vielen Kleinigkeiten. Aber was größerer Mist gewesen ist, den muss man doch vielleicht ausmisten, manches wieder gutmachen. Ist das nicht Reue? Besonders gut hat mir dein Grundsatz gefallen, den Tag zu nützen. Und die Abendbetrachtung, von der du schreibst, ist wie eine tägliche Gewissenserforschung. Sie soll nicht nur Fehler aufstöbern, sondern dir helfen, dass du dich über das Gute freust, das dir gelungen ist. Etwa jemanden getröstet zu haben, zum Lachen gebracht zu haben. Oder musste heute vielleicht deinetwegen auch jemand weinen?

Betty, vielleicht gehst du jetzt nicht mehr nur wegen deiner Oma zur Beichte. Und übrigens, ich bin ziemlich sicher, dass auch du in den Himmel kommst.

 

 

Samstag, 4.4.2009

Auch junge Leute manchen sich schon Gedanken, ob es nach dem Tod noch etwas gibt.

Franz ist sehr skeptisch.“Nun will ich Ihnen noch eine ehrliche Frage stellen“, schreibt er, „Gibt es nach dem Tod ein ewiges Leben? Ehrlich gesagt, hoffe ich das nicht. Ich könnte mir nicht vorstellen auf ewig zu existieren. Auch nicht nur mit meiner Seele“.

Was nach dem Tod sein wird, Franz, kann sich niemand richtig vorstellen. Aber es gibt kaum einen Menschen, ob gläubig oder ungläubig, der nicht hofft, dass es doch etwas danach gibt. Dahinter steht die Sehnsucht, dass das viele Schöne, das man erlebt hat, nicht ganz zu Ende ist. Dass es einen Zustand gibt, wo alle Tränen getrocknet werden, wo es kein Leid und keinen Schmerz mehr gibt. Wo man keine Freunde mehr verliert und keine Feinde hat, wie der Heilige Augustinus einmal sagte. Du hast wohl Angst, dass ewig existieren furchtbar langweilig sein muss. Wir können aus unserer Erfahrung nur in zeitlichen Dimensionen denken. In der Ewigkeit gibt es keine Zeit mehr, kein kurz oder lang. Stell dir einmal vor, du erlebst etwas, was dich ganz, ganz glücklich macht. Da hast du wohl den Wunsch, das soll immer so bleiben und nie aufhören. Vielleicht ist das eine Vorahnung dessen, was Glück im Jenseits bedeutet. Und was die Seele anlangt, das bist ganz einfach Du. Der Mensch ist eins in Leib und Seele. Wie Gott Jesus auferweckt hat in eine neue Daseinsweise, in die Herrlichkeit, so hoffen wir es auch für uns. Ob dir das alles ein bisschen weiter geholfen hat?

 

Buch:

Helmut Krätzl „Glauben Sie an Gott, Herr Bischof?“, Tyrolia Verlag