Morgengedanken
Sonntag, 6.05 Uhr -
6.08 Uhr,
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr,
ORF Regionalradios
von Dr. Adolf Karlinger (Innsbruck)
Sonntag, 19. April 2009
Erstkommunion: Das weiße Kleid
In unserer Pfarre, in Innsbruck im Saggen ist heute
am Weißen Sonntag Erstkommunion, es ist ein Fest der Kinder und
deren Familien, und natürlich auch der gesamten Pfarrgemeinde.
Wir halten an diesem Termin fest, weil in der alten
Kirche diejenigen, die in der Osternacht getauft wurden bis zum
weißen Sonntag ihre weißen Taufkleider getragen haben. Unsere Kinder
tragen jetzt bei ihrer Erstkommunion auch weiße Kutten. Ich bin froh
darüber, dass mir die oft heftig geführte Diskussion über die
Kleiderfrage erspart bleibt und mit den weißen Kutten haben wir eine
ganz vernünftige und auch Kosten sparende Lösung gefunden.
Die weißen Kleider weisen aber auch auf die Taufe
hin. Nach dem feierlichen Einzug mit Musikkapelle und Glockengeläute
vom Jugendheim zur Kirche frage ich gleich zu Beginn der Messe die
Kinder, ob sie zu der Taufe stehen, die ihre Eltern und Paten
damals, als sie noch Babies waren, von der Kirche erbeten haben:
Seid ihr bereit als Christen in der Welt von heute
zu leben:
Wir sind bereit!
Glaubt ihr an Gott, der Himmel und Erde erschaffen
hat?
Wir glauben!
Glaubt ihr an Jesus Christus der für uns gestorben
und auferstanden ist?.
Wir glauben!
Glaubt ihr an Gottes Geist, seine Kraft, seine
Kirche, die Vergebung, das ewige Leben? Wir glauben!
Als Pfarrer bin ich überzeugt, dass dieser kindliche
Glaube fast wie Urvertrauen sich einnistet in den Seelen der Kinder.
Montag, 20. April 2009
Mit Jesus im Boot
Kinder brauchen klare einleuchtende, verständliche
Symbole. Deswegen wird jedes Jahr bei der Erstkommunion auch ein
bestimmtes Symbol verwendet: In den letzten Jahren war es einmal der
Regenbogen, der die Verbindung zwischen Himmel und Erde darstellt,
ein andermal war es die Sonnenblume, verbunden mit dem Gedanken:
Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie ist immer und überall da.
Heuer ist das Boot unser Symbol: Im Boot sitzt Jesus
und schläft, dann kommt ein gewaltiger Sturm, die Jünger bekommen
schreckliche Angst und Jesus schläft. Ich möchte den Kindern
mitgeben, dass Jesus auch sie, jeden von ihnen ganz persönlich ins
Boot holt. Bei der Vorstellungsmesse hat schon jedes Kind seinen
Namen und sein Foto in das große Schiff eingeklebt. Wir alle sind
mit Jesus im gleichen Boot.
Einerseits sollen die Kinder erfahren, dass sie dazu
gehören. Aber sie sollen auch wissen, dass es auch so etwas wie eine
Gottverlassenheit und Gottesstille gibt, dass Jesus nicht immer so
zur Verfügung steht, auch wenn sie beten: Jesus mach...
Jesus hilf...
Jesus gib...
Denn sonst fällt dieses Gottesbild sehr früh
zusammen, denn er ist kein Gott, den man ständig wie einen
Bedienungsladen anrufen kann.
Er ist immer anders, immer geheimnisvoller, immer
größer und doch immer bei uns.
Dienstag, 21. April 2009
Sozialisation in der Pfarre
Erstkommunion und Firmung sind eine gute
Gelegenheit, wieder ein wenig näher an die Pfarrgemeinde
heranzukommen, das Leben der Pfarre wieder besser kennen zu lernen
und mitzuarbeiten und mit zu leben.
Bei der Erstkommunion ist es ein feststehender Brauch, dass Eltern
und Paten selbst als Tischmütter oder gelegentlich auch Tischväter
in den Räumen der Kirche, des Pfarrhauses und des Jugendheimes
mithelfen, die Kinder auf das große Fest vorzubereiten.
Kinder sollen vertraut werden mit dem, was da
geschieht, und verstehen, was Jesus meint, wenn er sagt: ICH bin
das lebendige Brot für Euch.
Im Religionsunterricht der 2. Klassen der Volksschulen werden die
Kinder vorbereitet, das ein wenig vom Verständnis her zu betrachten.
In der Pfarre geht es darum, dass von Tischmüttern geleitet, Kinder
einfach mitleben. Das ist für beide sehr gut, weil die Kinder
vertraut werden mit den Räumlichkeiten, den Ritualen, den Festen der
Pfarre. Es ist auch für die Tischmütter gut, weil sie ihre eigene
Glaubensgeschichte wieder ein wenig bedenken können.
Zuhause sollen sie sein, daheim in einer
Pfarrgemeinde. Kirche soll Heimat stiften. Und die Erstkommunion ist
dazu eine ganz, ganz gute Gelegenheit.
Mittwoch, 22. April 2009
Unsere Kirche
Erstkommunionkinder sollen auch in den Räumen einer
Pfarrgemeinde beheimatet sein. Und da ganz besonders auch in der
Kirche, also im Gotteshaus. Ich selber gehe mit jeder Gruppe in die
Kirche und versuche alle wichtigen Bilder, Gegenstände, Rituale und
Zeichen den Kindern möglichst hautnah erfahrbar zu machen.
Man beginnt selbstverständlich mit dem Weihwasser,
dem Kreuzzeichen und der
Kniebeuge. Bei vielen Kindern ist das ja auch nicht mehr
selbstverständlich, dass sie das können. Dann wird das Altarbild
erklärt. In unserer Kirche ist das der Gekreuzigte in der Weltkugel.
Dann schauen wir weiter: Wo sitzt der Pfarrer: Wer möchte einmal
dort sitzen, wo der Pfarrer sitzt und gleich geht ein Kind dorthin
und sitzt auf diesem Stuhl wie der Pfarrer.
Dann beim Altar: Und welche Bewegungen macht der
Pfarrer, er breitet die Hände aus, er hebt den Kelch empor, ein Kind
macht dies nach, es geht weiter zum Lesepult:
Zur Orgel, jedes Kind darf — natürlich unter meiner
Mithilfe zumindest ein einfaches Lied mit einem Finger auf der Orgel
spielen.
In der Sakristei sieht man, wo die Kleider der
Ministranten sind, und alle dürfen auch ein Kleid anprobieren. Wo
sind die Kleider des Priesters?
Man darf auch den Gong, der den Beginn des Gottesdienstes ankündigt,
anschlagen, auch mit den Altarglocken läuten, und ganz kurz auch die
großen Glocken am Turm zum Läuten bringen.
Die Leute in der Pfarre wissen dann schon: Jetzt ist
der Pfarrer wieder mit den Kindern in der Kirche.
Donnerstag, 23. April 2009
Die Erfahrung der Tischmütter
Beim ersten Treffen der Erstkommunionkinder werden
die Gruppen eingeteilt und als Pfarrer bitte ich, dass sich für jede
Gruppe zwei Mütter oder auch Paten melden, manchmal ist auch ein
Tischvater dabei.
Die meisten Eltern haben vorerst einmal Angst, für fremde Kinder
Verantwortung zu übernehmen: „Wir sind nicht geschult“, sagen sie,
wir können das nicht: Der gute Wille ist da, aber auch die Angst, es
nicht recht zu machen.
Ich erzähle dann von den Erfahrungen ihrer Vorgängerinnen vom
letzten Jahr und den Jahren davor, dass immer alle Angst hatten,
aber fast alle danach sagten, sie hätten viel gelernt und es hat
ihnen persönlich viel gegeben.
Es braucht ein wenig Überredungskunst meinerseits,
aber dann passt es. Und was geschieht da?
Eltern, meist sind es Mütter, beschäftigen sich mit
ihren Kindern, die sich jetzt auf die Erstkommunion vorbereiten. Sie
lernen dabei diese Kinder, ihre Kinder, noch einmal von einer
anderen Seite kennen. Die Frage nach der religiösen Erziehung kommt
ins Spiel und ihre eigene Glaubensgeschichte. Wie war das damals bei
mir? Wer hat mich beeindruckt? Was ist geblieben? Was ist mir
geblieben und wie viel hat sich im Leben geändert, auch in der
Sichtweise, im Verstehen, in der Praxis des Glaubens?
Mir tut es immer leid, wenn gerade auch intelligente
und aufgeschlossene Erwachsene in ihrem Kinderglauben stecken
geblieben sind, weil sich in diesem Bereich einfach nichts weiter
entwickelt hat. Was glaubte ich damals, wie glaube ich heute?
Was ist das für ein Unterschied!
Freitag, 24. April 2009
Das heilige Brot, der Leib Christi
Das Herzstück der Erstkommunion ist der erste
Empfang des heiligen Brotes, des Leibes Christi. Ich zeige den
Kindern den Schrank in der Sakristei, wo die heiligen Gefäße und die
großen und kleinen Hostien aufbewahrt sind. Wir üben dann auch, wie
man das heilige Brot empfängt:
„Der Leib Christi“, sagt der Pfarrer
„Amen“, sagt laut und deutlich das Kind, so wird es
eingeübt.
Amen bedeutet: ja so ist es, ja das glaube ich, das
ist meine Unterschrift
Ich stelle natürlich auch heraus, dass diese
Hostien, die wir hier in der Sakristei haben noch nicht der Leib
Christi sind, noch nicht das heilige Brot, sondern erst durch die
Worte des Priesters bei der heiligen Messe Brot und Wein verwandelt
werden, verwandelt werden in das Leib und Blut Christi.
Kinder fragen da manchmal:
Darf man in das heilige Brot hinein beißen? Tut dem
Jesus das weh? Hat der Jesus da drinnen Platz? Und wenn die Hostie
am Gaumen kleben bleibt, darf ich dann in den Mund hinein
greifen?
Es gibt eine Tendenz, auch in der Frömmigkeit, sich
sehr stark auf das Brot zu konzentrieren: Brot bleibt natürlich
Brot, das stimmt. Doch jetzt ist es Jesusbrot, ein Zeichen, dass
Jesus da ist, dass er jeden in sein Boot holt, dass er jedem ganz
nahe sein will, dass wir auch durch Jesus verwandelt werden.
Er in uns und wir in ihm, ganz vertraut und das ist
wichtig.
Samstag, 25. April 2009
Und was bleibt?
Und was bleibt vom Zauber der Erstkommunion?
Was bleibt von der Begeisterung der Kinder und was bleibt bei den
Eltern?
Immer wieder höre ich bei frommen Katholiken die
Klage: Bei der Erstkommunion ist die Kirche voll, am Sonntag darauf
ist kaum mehr ein Erstkommunionkind zu sehen. Also, was bringt‘s?
Ich möchte anfangs gleich zu bedenken geben, dass
die Frage: „Was bringt‘s im Bereich persönlicher religiöser
Erfahrung und religiöser Einsichten?“ sehr heikel ist.
Wenn ich als Pfarrer davon ausgehe, wie viele Leute
bringe ich sonntags in die Kirche, dann ist die Latte falsch
angelegt.
Ich möchte den Kindern und auch ihren Eltern und
weiteren Angehörigen eine positive Grunderfahrung von unserem
kirchlichen Leben ermöglichen und schenken!
Ich möchte, dass Kinder erfahren können, dass es auch schön und
beglückend ist, bei der Kirche zu sein, dass das Feiern zum Leben,
besonders auch zum Leben der Kirche gehört.
Dann möchte ich auch, dass die Kinder vertraut
werden mit den großen Botschaften und großen Verheißungen unseres
Glaubens, in einer anderen Weise als dies im Religionsunterricht
geschieht.
Ich selbst kann mich an meine Erstkommunion kaum
mehr erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich als einziger der Buben
auch einen weißen Anzug hatte, was mir eher peinlich war.
Dennoch glaube ich, dass auch bei mir, ohne dass ich
es weiter reflektiert hätte vieles ganz tief in meine Seele
eingedrungen ist, vieles, was mein Leben doch reicher und
interessanter gemacht hat.
Mit Jesus im Boot, das lohnt sich!
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