Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Mag. Jakob Bürgler, Generalvikar der Diözese Innsbruck

 

 

Sonntag, 4. Oktober 2009

In dieser Woche, möchte ich Sie einladen, ein wenig über jene Werte nachzusinnen, die unser Leben tragen und die ganz wesentlich sind, damit das Leben auch gelingen kann. Aus der Tradition kennen wir die Lehre von den verschiedenen Tugenden. Ihnen sollen meine Gedanken in dieser Woche gewidmet sein.

Glaube, Hoffnung, Liebe: Für viele Menschen sind diese Worte nicht fremd. Sie bezeichnen die so genannten drei theologischen Tugenden. Man könnte auch sagen: Glaube, Hoffnung und Liebe sind drei ganz wesentliche Haltungen, die das Leben bei Gott verankern.

Das lateinische Wort für „ich glaube“ heißt „credo“ – und dieses Wort leitet sich her von „cor dare“ – „das Herz geben“. Wer glaubt, der gibt und verschenkt sein Herz. Wer glaubt, der sieht sich nicht selber im Mittelpunkt, sondern bindet sein Herz an einen anderen. Wer glaubt, der pflegt im Innersten seines Herzens eine Beziehung und Freundschaft zu Gott.

Wer beim Glauben vor allem an Dogmen und Lehrsysteme denkt, der übersieht etwas ganz Wesentliches. Ich darf mein Leben mit Vertrauen Gott an-vertrauen. Dann lerne ich zu glauben.

 

 

Montag, 5. Oktober 2009

Es ist gut, immer wieder über jene Werte nachzudenken, die das Leben tragen und die es gelingen lassen. Dazu gehören auch die Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe.

Wie wesentlich und unverzichtbar die Hoffnung im Leben ist, wird nicht zuletzt dann spürbar, wenn Menschen keine Hoffnung mehr haben. Oder wenn sie die Hoffnung aufgeben. Irgendwie bricht dann alles zusammen. Das Leben wird sinnlos. Der Ausblick und die freie Sicht nach vorne sind wie ausgelöscht.

Und die Frage steigt auf: Warum und wofür soll ich noch leben? Welchen Sinn hat es, dass ich durchhalte? Was kann mein Leben mit neuer und tiefer Freude erfüllen? Was zieht mich nach vorne und nach oben?

Eigentlich ist die Hoffnung im Herzen der Menschen „unverwüstlich“. Der Mensch „ringt“ geradezu danach, immer neu auf Spuren von Hoffnung zu stoßen. Wer keine Hoffnung mehr in sich trägt, der lebt nicht mehr.

Die Bibel schenkt uns ein gewaltiges Hoffnungsbild: Alles Leben ist durchflutet von Gott, und alles Leben wird von Gott an sein Herz genommen – für immer. Es ist gut, dieses Bild nicht aus den Augen zu verlieren.

 

  

Dienstag, 6. Oktober 2009

Welche Werte tragen mein Leben? Die Lehre von den Tugenden kann dabei eine Hilfe sein. Glaube, Hoffnung und Liebe: Drei Bausteine, die gut bekannt sind und die von alters her eine ganz wesentliche Bedeutung haben für ein gutes und gelingendes Leben.

Bei einer Umfrage würden wahrscheinlich alle Menschen bestätigen, dass die Liebe ein zentraler Wert im Leben ist, ein Wert, der viele andere und auch wichtige Werte im wahrsten Sinn des Wortes „in den Schatten stellt“. Die Liebe ist wie das Licht, das alles erhellt und schön macht. Die Liebe ist wie der leise Glanz, der jede Faser des Lebens verändert und veredelt.

Jeder Mensch braucht Zuneigung, damit sein Leben gut und schön sein kann. Er braucht Aufmerksamkeit, Verstehen. Er braucht Menschen, die ihn mögen. Und auch umgekehrt: Damit ich sinnvoll leben kann, muss ich Liebe verschenken und teilen. Wer alles für sich behält, wird irgendwann einmal ersticken.

Und der Glaube sagt uns: Wer Liebe schenkt und Liebe empfängt, der ist Gott ganz nahe.

 

 

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Das alte Wissen der Menschheit und der Kirche sieht in den „Tugenden“ eine ganz wesentliche Orientierung für ein gutes und gelingendes Leben. Tugenden sind dabei wie Werte, die gepflegt werden wollen.

Seit den Anfängen der Kirche spricht man von den so genannten vier „Kardinaltugenden“. Damit wird deutlich, dass es sich dabei um ganz besondere und wichtige Werte handelt: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß.

Manchmal verstehen wir die Sache mit der Klugheit leider falsch: Wir meinen mit Klugheit entweder eine Unmenge von Wissen, die uns staunen lässt, oder wir denken an Menschen, die es gut verstehen, in allem ihren eigenen Vorteil zu suchen und sich das Beste herauszuholen, auch mit unlauteren Mitteln.

Das meint Klugheit nicht. Ein kluger Mensch ist einer, der gut hinhören und hinschauen kann, einer, der die leisen Töne hört und die Signale sieht, die sich hinter dem oberflächlichen Geschehen verbergen. Ein kluger Mensch kann unterscheiden zwischen wichtig und unwichtig, zwischen gut und böse. Er hat ein gutes inneres Gespür und eine tiefe Weisheit. Diese Klugheit ist heute wichtiger denn je!

 

  

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Das Leben braucht ein gutes Fundament, wenn es gelingen soll. Es braucht Werte und Überzeugungen, die tragen und halten, auch in schwierigen Zeiten. Die vier Kardinaltugenden sind solche Werte: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß.

Schon oft habe ich erlebt, dass Menschen sehr verletzlich sind und sich gekränkt fühlen, wenn sie ungerecht behandelt werden. Ein sprechendes Beispiel dafür sind die Kinder. Schon von klein auf fordern sie ein, dass alles im Leben gerecht sein muss.

Die Frage nach Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit durchzieht das ganze Leben. Sie lässt den Menschen nicht los. Und das auch zu recht! Denn an der gerechten Beurteilung und Behandlung meiner Person lese ich auch ab, ob ich Wertschätzung erfahre und Achtung, ob ich ernst genommen werde und etwas zähle, ob ich den anderen wichtig bin, oder eben nicht.

Insofern ist das Streben nach Gerechtigkeit ein großer und wichtiger Wert. Dabei meint Gerechtigkeit nicht, dass alle immer das Gleiche bekommen müssen. Gerecht handeln heißt vor allem, dem anderen Menschen gerecht zu werden, das zu tun, was dem anderen und der Situation gerecht wird.

 

 

Freitag, 9. Oktober 2009

Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Maß: Von alters her werden diese vier Werte Kardinaltugenden genannt. Es sind Eigenschaften, die ein Leben glücken und gelingen lassen.

Wahrscheinlich haben noch viele in Erinnerung, wie in früheren Zeiten die Tapferkeit von kleinen Buben verstanden wurde: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ „Sei tapfer!“ Und das hat dann bedeutet: Tränen vermeiden, die Zeichen des Schmerzes unterdrücken, nach außen hin stark sein und sich ja nichts anmerken lassen.

Gott sei Dank hat sich da vieles verändert. Zum Leben gehört nun einmal auch das Weinen, und dem Schmerz einen Ausdruck zu verleihen, bedeutet nicht nur Schwäche oder Unbelastbarkeit.

Und dennoch: Ein gutes Maß an innerer Stärke zu lernen, ist wichtig. Sich nicht bei jeder Kleinigkeit in Frage stellen und „umwerfen“ zu lassen, gehört zu einem reifen Leben. Ein erwachsener Mensch ist der, der gelernt hat, mit Leid und Schmerz umzugehen, manches auch zu ertragen.

Und dann ist da noch die Zivilcourage. Mutig für menschliche Werte einzutreten, auch wenn Gegenwind herrscht, erfordert Tapferkeit – und das jeden Tag neu.

 

 

Samstag, 10. Oktober 2009

In den vergangenen Tagen habe ich versucht, über wichtige und tragende Werte im Leben nachzudenken. Dabei habe ich die traditionellen Tugenden zu Hilfe genommen: Glaube, Hoffnung und Liebe, Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit. Und für heute bleibt noch das „Maß“. Es gehört auch zu den vier Kardinaltugenden.     

Stärker als in früheren Zeiten werden wir heute daran erinnert, dass es für diese Welt und für unsere Kinder nur dann eine Zukunft geben wird, wenn wir wieder lernen, Maß zu halten, auch zufriedener zu sein. In vielem ist unser Leben nämlich maß-los geworden. Wir wollen immer mehr haben und besitzen. Wir verbrauchen alles, ohne daran zu denken, was es kostet und was unwiederbringlich verloren ist. Alles muss größer, schöner, eindrucksvoller und stärker werden.

Wer zu viel ißt, wird an Fettsucht zugrunde gehen. Wer beim Trinken kein Maß kennt, wird sein Leben zerstören. Wer seinen Sehnsüchten freien Lauf lässt, wird in der Sucht landen. Wer alles nur für sich haben will, wird alles kaputt machen.

Es gibt da nur ein Gegenmittel: Das rechte Maß. Wer maßvoll lebt, der kann gut leben.