Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Dir. Johannes Fenz

 

 

Sonntag, 11. Oktober 2009

Populistisch und Absolut!

Im September wurde in Vorarlberg und Oberösterreich gewählt. Mir fällt auf, dass im Wahlkampf Parolen geschwungen werden, die an Populismus kaum zu überbieten sind. Bei verschiedenen Diskussionen wird uns gesagt, was wir Österreicherinnen und Österreicher wollen. So, als ob die vertretene Meinung die einzig richtige Position wäre. Unsere Gesellschaft ist aber sehr  bunt. Die Menschen haben unterschiedliche Interessen,  entgegen gesetzte Positionen und ungleiche Zielsetzungen.

Bei den Nationalratswahlen im Oktober des Vorjahres sind mir Aussagen wie  „Nicht mit mir“ von Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, „Daham statt Islam“ von FPÖ-Chef Strache, „Genug gestritten“ vom SPÖ-Vorsitzenden Werner Faymann, „Integration vor Zuwanderung von ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer, „Österreich den Österreichern“ von BZÖ-Chef Peter Westenthaler aufgefallen. Dabei wird die Absolutheit von Positionen unterstrichen. Vieles sind Schlagworte, die uns vermitteln wollen, dass ohne einem nichts geht, dass nur die anderen, die Ausländer, streiten, dass unser Land untergeht, wenn Menschen anderer Kulturen kommen. Solche Aussagen schaffen Feindbilder und Verlierer in unserer Gesellschaft. Sie stellen uns als das einzig wahre Ideal der Welt dar. Ich frage mich: Sind wir das wirklich und warum nehmen wir diese Argumentation unkritisch an?

 

 

Montag, 12. Oktober 2009

Wenn Hilfe für uns anderswo Leid erzeugt

Vor zwei Wochen habe ich mit einer jungen Frau aus Rumänien gesprochen. Sie pflegt einen alten Mann in Oberpullendorf  im Burgenland. Die junge Rumänin erzählte mir, dass ihr vierjähriger Sohn zu Hause mit einer starken Grippe im Bett liegt. Sie könne nicht nach Haus fahren, weil sie hier in Österreich eine Verpflichtung hat. Dabei sind ihr die Tränen über die Wangen geronnen.

Ich habe mich gefragt, was passieren müsste, dass ich oder meine Frau die Familie verlassen und in ein anderes Land gehen, um dort einen alten Menschen zu pflegen? Ich denke, es müsste um unsere Existenz gehen. So wie es wahrscheinlich auch um die Existenz der Familie der jungen Frau aus Rumänien geht. Sie lässt alles was ihr lieb ist zurück, um nicht nur sich sondern vor allem auch uns zu helfen. Für uns ist das selbstverständlich. Wir glauben noch, dass wir den Menschen etwas Gutes tun, wenn sie hier bei uns unsere Eltern oder Großeltern pflegen. Schließlich bekommen Sie dafür Geld. Geld, das sie dringend brauchen. Welche Entbehrungen sie dafür auf sich nehmen, sehen wir nicht. Muss es wirklich sein, dass eine Not gelindert und damit eine andere Not noch größer wird?

 

 

Dienstag, 13. Oktober 2009

Bildung ist mehr als Wissen

Die Schultore sind nach den Ferien wieder geöffnet, und wir haben alljährlich das scheinbar wichtigste Thema der Welt: Die sogenannte Bildungsmisere. Dieses Theater mit den unzähligen Akten, die sich ständig wiederholen, will nicht enden. Viele Experten und selbsternannte Experten lamentieren, wie schlecht alles ist. Belegt wird das durch unzählige Studien, die einen Bildungsuntergang prophezeien. Selten hört man von Jemandem, der uns sagt, wie es besser geht.

Bildung kann man nicht standardisieren, sonst wären wir alle gleich. Somit kann es auch keine Bildungsstandards geben. Bildung ist aber mehr als nur standardisiertes Faktenwissen. Bildung beinhaltet Werte, Haltungen, persönliche Eigenschaften, Sozialkompetenz und natürlich auch das Wissen. Aber was nützt uns das ganze Wissen, wenn es uns nicht gelingt, dieses anzuwenden; wenn es nicht gelingt, das Wissen erlebbar zu machen.

Vieles was Bildung ist, wird vorgelebt, wird von Vorbildern wie den Eltern abgeschaut, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn, ist Erleben und ausprobieren Können. Glauben wir wirklich, dass unsere Kinder gebildeter werden, wenn wir sie den ganzen Tag in die Schule stecken, Tag und Nacht mit ihnen Wissen und Fakten büffeln?

Ich bin überzeugt, dass wir in der heutigen Zeit mehr praktische als theoretische Intelligenz benötigen. Und praktische Intelligenz erwerben die Kinder durch konkretes eigenständiges Tun.

 

 

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Grundeinkommen und Erwerbsleistung

 „Dann braucht man ja gar nicht mehr arbeiten gehen, wenn man  726,00 Euro im Monat fürs nix Tun bekommt!“, hört man an den Wirtshaustischen. 726 Euro im Monat sind jener Betrag, den die gegenwärtige Mindestsicherung vorsieht. Dass man dieses Geld nur unter bestimmten Voraussetzungen bekommt und es im Grunde nichts anderes als die „alte Sozialhilfe“ ist, wird nicht dazugesagt.

Unweigerlich stelle ich mir die Frage: Was ist Arbeit? Unter Arbeit wird gemeinhin Erwerbsarbeit, Arbeit also, für die man Geld bekommt, verstanden. Sind aber nicht auch Kinderbetreuung und Kindererziehung, oder die Pflege des schwerkranken Vaters Arbeit? Sind nicht auch das ehrenamtliche Engagement bei der Feuerwehr oder bei der Rettung Arbeit?

Mit Leistungen wie dem Kinderbetreuungsgeld, dem Pflegegeld, dem Arbeitslosengeld oder der Sozialhilfe haben wir jetzt schon, unter bestimmten Voraussetzungen, ein Grundeinkommen. Mit dem Unterschied, dass wir Bittsteller sind und von einer Stelle zur anderen geschickt werden. Beim Grundeinkommen gäbe es nur mehr eine Stelle, die die Voraussetzungen prüft und über die Zuerkennung entscheidet. Sind die Aufregungen und das Anheizen einer „Sozialschmarotzer-Debatte“ dadurch wirklich gerechtfertigt?


 

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Generationenvertrag

Immer wieder wird der Generationenvertrag angesprochen. Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts spielte sich dieser innerhalb der Familie ab. Die erwerbsfähigen Personen haben etwas erarbeitet und in die Familie eingebracht. So wurden die alten Menschen in der Familie unterstützt und diese haben wieder bei der Kindererziehung geholfen.

Durch den gesellschaftlichen Wandel innerhalb der letzten 80 Jahre ist das nicht mehr möglich, da es keine Sicherheit für eine Generation mehr gibt. Zudem haben sich die Familienformen stark verändert. Der Staat hat daher diese Umverteilungsfunktion übernommen. Durch Steuern, die von der erwerbstätigen Bevölkerung und den Unternehmern eingehoben werden, werden Pensionen, Spitalsaufenthalte, Familienbeihilfe oder Arbeitslosengeld bezahlt.

Unser sehr gutes Sozialsystem, das ich nicht missen möchte, kostet immer mehr Geld. Die Menschen werden älter und damit steigt die Zahl jener, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen. Das führt zu einem Ungleichgewicht: Immer weniger Erwerbstätige müssen für immer mehr Nichterwerbstätige aufkommen.

Es ist keine Frage: Die ältere Generation hat es sich zweifellos verdient, einen schönen und sicheren Lebensabend zu verbringen. Trotzdem wird es nur eine Frage der Zeit sein, wie lange wir uns unser Sozialsystem noch leisten können. Wäre es also nicht besser, schon jetzt auf etwas zu verzichten als ständig auf Kosten der jungen Generation mehr zu fordern?

 

 

Freitag, 16. Oktober 2009

Die Schwächsten in unserer Gesellschaft

In unzähligen journalistischen Artikeln und Statements von Politikern werden immer wieder die „Schwächsten der Gesellschaft“ zitiert. Ich frage mich: Wer sind die Schwächsten? Warum beurteilen andere Menschen, ob ich zu den Schwächsten zähle oder nicht? Warum wollen Sie mir einreden, dass ich zu den Schwachen zähle? Wer definiert, was schwach ist?

Andererseits: Wenn es Schwache gibt, muss es auch Starke geben. Stärken und Schwächen gibt es meiner Meinung nur aus der Sicht des Beobachters. Scheinbar sind die stark, welche die Schwachen als schwach definieren.

Dieses Gedankenexperiment könnte man weitertreiben bis man zur Frage gelangt: Warum muss es überhaupt Schwache geben? Ich bin überzeugt: Schwachheit gäbe es nicht, würden die Starken die Schwachen stützen, sie ermutigen, motivieren und menschenwürdig behandeln. Und nicht – wie es leider oft passiert - sie demütigen und zu Bittstellern machen.

Schwach Sein kann aber auch eine Stärke sein. Jähzorn, zum Beispiel wird oft mit Stärke verbunden. Wäre es aber nicht echte Stärke, in sich zu gehen und geduldig zu sein, anstatt jähzornig aufzubrausen? Andere Menschen zu beschimpfen und sie zu demütigen, wird oft als Stärke ausgelegt. Wäre es nicht echte Stärke, gegen derartige Hetzereien aufzutreten und Ungerechtigkeiten aufzuzeigen?

 

 

Samstag, 17. Oktober 2009

Erntedank

Im Oktober feiern wir den Erntedank. Ich denke dabei zunächst an das Getreide, das Obst, das Gemüse, das geerntet wird. Obwohl die Natur von sich aus sehr viel her gibt, ist die Voraussetzung für eine gute Ernte das Säen von Samen.

In der Natur wächst vieles wild und ungestüm. Unkraut überwuchert oft die guten Früchte, da es stärker ist. Daher müssen wir die Samen, die wir säen, pflegen, um schöne gute Früchte ernten zu können. Im Buch Hosea 8, 7 lesen wir: „Denn sie säen Wind / und sie ernten Sturm.“ Das heißt für mich, dass das, was wir säen, mehr wird.

Aber was säen wir heute alles in unserer Gesellschaft aus? Ist in unserem gesellschaftlichen „Saatgut“ heute nicht viel zu viel Rechtspopulismus, Raubbau an den Umweltressourcen, sprachliche und körperliche Gewalt, Egoismus und das immer mehr haben Wollen? Wenn wir all das säen, wird es sich vermehren.

Ich meine, dass wir in unser „Saatgut“ mehr Geborgenheit, Verständnis, Nächstenliebe, Ehrlichkeit, Offenheit, Engagement, Großzügigkeit und Verzicht auf Schädliches aufnehmen sollten. Wenn wir das tun, werden wir Menschen ernten, welche diese Eigenschaften weitersäen und die dafür sorgen, dass nicht das Unkraut überhand nimmt. - Schönen Erntedank!