Morgengedanken

Sonntag,  6.05 Uhr - 6.08 Uhr, 
Montag bis Samstag, 5.40 Uhr - 5.43 Uhr, 
ORF Regionalradios

 

 

 

von Mag. Johannes Ulz, Referent für Sakramentenpastoral im Pastoralamt der Diözese Graz-Seckau

 

 

Sonntag, 29.11.2009

 „Meine Familie, meine Kinder, die sind mir heilig, auf sie lasse ich nichts kommen“.

Vier von fünf Österreichern bejahen diesen Satz laut einer aktuellen Studie. Damit steht die eigene Familie an erster Stelle. Sie ist den Österreicherinnen und Österreichern am heiligsten. Was mir heilig ist, hat Priorität, dafür lebe ich, das beschütze ich. Darauf lasse ich nichts kommen. Niemand hat ein Recht, es mir weg zu nehmen, oder es zu zerstören.

 

Vermutlich wird in dieser Umfrage die Ur-Sehnsucht des Menschen erkennbar: Die Sehnsucht nach einem Ort, wo ich angenommen bin mit meinen Ängsten und Bedürfnissen; wo man mich will, mit meiner ganzen Geschichte und Erinnerung, also mit allem, was mich ausmacht, was mir im Leben wichtig ist; die Sehnsucht nach einem Ort, wo ich sein kann, wie ich bin.

 

Aber, kann die eigene Familie all diese Bedürfnisse überhaupt immer erfüllen? Ich glaube nicht. Sie muss es auch nicht. Es genügt, einfach füreinander da zu sein.

 

 

Montag, 30.11.2009

Heute sind die Anforderungen an die Qualität der Liebe und an die Beziehung selbst gewaltig gestiegen. Paare erhoffen sich von ihrer Partnerschaft, dass sie sich selbst finden können. Durch ihre Beziehung bekommt das Leben erst einen Sinn. Menschen in Beziehung erwarten, dass einer für den anderen Ein und Alles sein kann, dass sie einander das ganze Glück sind. Sie möchten jeden Tag spüren, wie sehr sie sich lieben. Und dieses Gefühl darf nie aufhören, sonst stimmt was nicht.

 

Das ist natürlich eine völlige Überforderung. Tatsächlich scheitern auch nicht wenige Beziehungen an diesen Hochleistungsansprüchen. Ich kann meiner Frau nicht Ein und Alles sein und sie kann es mir nicht sein. Wir können uns gegenseitig nicht das ganze Glück auf Erden, der letzte Sinn im Leben sein. Und wir müssen es auch nicht. Wir würden uns und unsere Ehe damit heillos überfordern. Wir wollen uns einfach in unserer Begrenztheit lieben und annehmen.

 

 

Dienstag, 1.12.2009

Es ärgert mich, dass in der Öffentlichkeit verschwiegen wird, dass die Ehen noch nie so lange gehalten haben, wie heute – immerhin halten bei uns mehr als 60 Prozent der Ehen länger als 45 Jahre. Und es ärgert mich, dass so oberflächlich über die Situation gesprochen wird, dass sich manche scheiden lassen. Ich selbst habe noch nie jemanden getroffen, der sich die Scheidung leicht gemacht hätte – ganz im Gegenteil. Ich habe tiefen Respekt vor der Ernsthaftigkeit, mit der hier oft jahrelang gerungen wird.

 

Was ist aber das Geheimnis, dass Ehen heute so lange halten und dass sich die Menschen die Scheidung nicht leicht machen. Die Paarforschung hat gezeigt, dass Gefühle allein nicht ausreichen, um auf lange Zeit zufrieden zu sein. Entscheidend ist, wie diese Liebe im Alltag umgesetzt wird.

 

Der Franziskanerpater Richard Rohr hat einmal gesagt, dass Respekt die Lebensgrundlage für den Menschen ist und dass der Mensch ohne Respekt zu Grunde geht. Achtung und Respekt voreinander, Nähe und Distanz zueinander - vermutlich sind diese Fähigkeiten das große Geheimnis zufriedener Beziehungen heute – wenn auch keine Garantie dafür.

 

 

Mittwoch, 2.12.2009

Heute werde ich ein paar Gedanken eines lieben Menschen bringen, die mich sehr berührten. Er ist katholisch, geschieden und wiederverheiratet. Er sagt: „Keiner von uns hat es sich leicht gemacht. Lebenspläne, Ideale sind zerbrochen. Leid auf beiden Seiten ist entstanden. In der neuen Beziehung wird versucht, vieles besser zu machen, intensiver an der Partnerschaft zu arbeiten. Doch es bleibt der Makel des Scheiterns, des Versagens. Wenn der Glaube, die Kirche vorher meine Heimat waren, habe ich nun das Gefühl, als sei mir der Boden unter den Füßen weggerissen. Wie denken und urteilen die anderen über mich? Habe ich überhaupt noch das Recht, bestimmte Aufgaben zu übernehmen? Auch der Empfang der Sakramente spielt letztlich eine nicht unbedeutende Rolle, wenn ich doch ganz zur Kirche gehören will. So bleibt beispielsweise der Gang zur Heiligen Kommunion immer wieder ein Kampf mit dem eigenen Gewissen. Ein Satz hat mir dabei viel Kraft gegeben, den wir alle in der Messfeier sprechen: ‚Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund‘.“

 

 

Donnerstag, 3.12.2009

„Wann ist ein Mann ein Mann?“ singt Herbert Grönemeyer. Diese Frage ist für viele Männer eine der schwierigsten überhaupt. Hatten doch viele als Kind und Jugendliche keine erwachsenen Geschlechtsgenossen, an denen sie sich reiben konnten; keine Männer, über die sie sich definieren konnten. Und heute? Alte Rollen gelten nicht mehr. Den neuen Mann gibt es nicht. So bin ich gezwungen, meine Identität, meine Rolle als Partner, Vater und Mann im Beruf selbst zu definieren. Optionen dafür gibt es viele. Welche wähle ich? Und dann lese und höre ich noch:

Wir Männer seien uns selbst fremd, hätten ein eingeschränktes Gefühlsleben, wir hätten Angst, schwach zu sein, wir achten nicht auf unsere Körper und unsere Gesundheit  usw.

 

Liebe Männer und Frauen, ich habe mir vorgenommen, meine Suche nach meiner Identität ein wenig entspannter zu gestalten: Wir Männer sind auch nur Menschen, etwas sonderbar vielleicht, oft sehr stark, natürlich auch verletzbar, aber ganz sicher unersetzlich.

 

 

Freitag, 4.12.2009

Wie viel einfacher und schöner wäre es für uns, wenn die Erwartungen an das Leben nicht dermaßen überspannt wären: Die eigene Ehe, die eigene Partnerschaft müssen das ganze Glück sein, die gegenseitige Liebe soll uns voll ausfüllen, die Kinder müssen natürlich richtig erzogen sein und im Beruf soll ich voll aufgehen können, das Haus muss perfekt zum Wohnen und jederzeit herzeigbar sein, usw.

 

So läuft das aber nicht. Meistens ist man ein nicht ganz so guter Vater und Partner, eine nicht ganz so gute Mutter und Partnerin. Die Kinder machen vieles, was wir eigentlich nicht gewünscht hätten. Das Haus wird nie ganz fertig und im Beruf kann`s auch recht mühsam sein. Meistens ist unser Glück nicht vollkommen.

 

Ich habe mir vorgenommen, mich und mein Leben so anzunehmen, wie es ist: Unfertig und begrenzt. Ich will mich diesen Ganzheitszwängen nicht ausliefern, diesem Glauben, mir das ganze Glück auf Erden schaffen zu können und zu müssen. Seit ich mich darum bemühe, merke ich, um wie viel besser es mir geht.

 

 

Samstag, 5.12.2009

Haben Sie schon einmal mit Paaren gesprochen, die sich schon lange nach eigenen Kindern sehnen, doch keine bekommen können? Dann wissen Sie auch, wie ihr Leben gezeichnet ist von Schmerz, Trauer, Selbstzweifel, Wut und manchmal auch Neid; hin und her gerissen zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Freude und Enttäuschung.

 

Und dann gibt es Paare, die gelernt haben, alles in ihrem Leben bis ins Detail zu planen. Schon vor der Geburt ihres Kindes haben sie eine genaue Vorstellung, wie und was es einmal werden soll. Sie planen den Zeitpunkt der Geburt. Manche lassen sich beraten, was man tun muss, damit es eher ein Bub oder ein Mädchen wird. Und manche bekommen ein Kind zum absolut schlechten Zeitpunkt, absolut nicht geplant, kein Wunschkind, eben passiert.

 

Vermutlich verbindet alle Paare die Erfahrung, die auch schmerzen kann:

Nämlich, dass jedes Kind ein Geschenk ist – nicht machbar nach unseren Vorstellungen und Plänen. Liebenswert, liebesbedürftig – eben ein Kind, da, um geliebt zu werden.